Karin Schmitt-Promny: „Die Basis für Bildung und Erziehung ist und bleibt die emanzipatorische Pädagogik“

Antrag der Piraten zur digitalen schulischen Allgemeinbildung

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Karin Schmitt-Promny (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einen geschichtlichen Rückblick. Ende der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts war es das Radio, das ein großes Potenzial bot. Bertolt Brecht schrieb:
„Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, d. h., er würde es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen.“
Bereits Brecht erwartete, dass Medien auf gesellschaftliche Entwicklungen einwirken. Ich zitiere:
„Undurchführbar in dieser Gesellschaftsordnung, durchführbar in einer anderen, dienen die Vorfälle, welche doch nur eine natürliche Konsequenz der technischen Entwicklung bilden, der Propagierung und Formung dieser anderen Ordnung.“
Sollten Sie dies für utopisch halten, so bitte ich Sie, darüber nachzudenken, warum es utopisch ist.
Hier lässt sich meines Erachtens eine Parallele zur heutigen Situation ziehen: der Entwicklung unserer digitalisierten Welt. Heute haben wir technologisch die Dialogfähigkeit erreicht. Diese im Sinne einer fortschreitenden demokratischen Entwicklung zu nutzen, bleibt eine gesellschaftliche Aufgabe.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dazu gibt der Antrag der Piraten keine überzeugende Antwort.
Digitalisierung heute ist allumfassend. Sie verändert unser Handeln, unsere wirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten. Sie bietet zumindest theoretisch die Möglichkeit der Teilhabe und Kommunikation.
Die Piraten wollen dem mit ihrem Antrag Rechnung tragen. Sie wollen eine Strategie der schulischen Bildung in der digitalisierten Welt entwickeln. Dieser Versuch ist zu achten, auch wenn man ein wenig den Eindruck gewinnt, es handle sich bei diesem Text um Copy-and-paste.
(Zuruf von den PIRATEN: Was?)
Richtig ist, dass der grundlegende gesellschaftliche Wandel, der aus der technologischen Entwicklung folgt, auf allen Ebenen, insbesondere in der Bildung, zu Veränderungen führt. Wissen ist über Internet jederzeit zugänglich. Doch der Zugang will gelernt sein. Die Fähigkeit, ein Smartphone oder Tablet zu bedienen, sich in sozialen Netzwerken zu bewegen, Mails zu empfangen und Informationen aufzurufen, ist nicht hinlänglich, um ein eigenständiger Nutzer, eine eigenständige Nutzerin sein zu können. Ich muss Fragen stellen können, um Sachverhalte zu hinterfragen, Inhalte und Strukturen analysieren, urteilsfähig sein.
Daraus sind Folgerungen für die schulische Bildung zur Digitalisierung zu ziehen. Zu den Aufgaben gehört die Vermittlung der technischen Fertigkeiten und der Einsatzmöglichkeiten, die kritische Analyse der Digitalisierung und ihrer Folgen für die Gesellschaft, die kreative und kritische Nutzung und Gestaltung, verbunden mit einem Freiraum für Kinder und Jugendliche, die Entwicklung von Kommunikationsfähigkeit, verbunden mit Empathie für mein Gegenüber.
Das Ziel ist, dass Schülerinnen und Schüler handelnde Subjekte ihrer digitalen Kommunikation werden, die um die Macht des technologischen Fortschritts wissen und sich mit und in einer digitalisierten Welt bewegen können.
Aber, meine Damen und Herren, die Basis für Bildung und Erziehung ist und bleibt die emanzipatorische Pädagogik, die Kinder darin begleitet und stärkt, Möglichkeiten zu entwickeln, mit Wissen, mit Allgemeinbildung selbstbestimmt an gesellschaftlichen Prozessen teilzuhaben – von der Elementarerziehung bis hin zu den vielfältigen Bildungsabschlüssen, ja bis hin zum lebenslangen Lernen. Das gilt unabhängig von den Medien und geht deshalb auch im digitalisierten Zeitalter.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der Antrag der Piraten schlägt Punkte zur Beschlussfassung vor, die bereits heute – und nicht erst seit heute – Aufgaben in unserem Bildungssystem sind. Wir befinden uns mitten im Prozess. Uns braucht nicht gesagt zu werden, mit dem Prozess anzufangen. Wir sind dabei, der Digitalisierung auch in der Bildung ihren Platz zu geben: in den Schulen, in der Lehrerbildung und auch in der Fortbildung für Lehrer. Daran arbeiten wir vor Ort, über die Maßgaben der Landesregierung und unsere Debatten im Parlament. Dazu sind wir sowohl mit Bildungseinrichtungen, Kitas, Schulen und Hochschulen als auch mit Verbänden, Kammern und anderen gesellschaftlichen Institutionen im Dialog.
Der Medienpass als Instrument zur Förderung von Medienkompetenz ist der Einstieg für Schülerinnen und Schüler.
Das digitale Schlüsselprojekt LOGINEO NRW, das Dach für die vielfältigen Anforderungen an die digitale Unterstützung in Schulen für die Unterrichtsgestaltung, für die Kommunikation zwischen Schülerinnen und Schülern, zwischen Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und Schulverwaltung für Dateimanagement und Datenschutz, das ist schulische Bildung in der digitalisierten Welt und für die digitalisierte Welt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD) 

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