Eine moderate Sperrklausel stärkt die kommunale Demokratie

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
heute wurde der von SPD, CDU und Grünen eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften (Kommunalvertretungsstärkungsgesetz) beschlossen.
Bereits mit dem Kommunalinfo von September 2015 haben ich Euch über die Einbringung in den Landtag informiert und ausführlich den Meinungsbildungsprozess in unserer Fraktion dargestellt.
Der Gesetzentwurf wurde auch im parlamentarischen Verfahren intensiv beraten. So fand am 21. Januar 2016 eine ganztägige Sachverständigenanhörung im Landtag statt. Bei dieser Anhörung wurde deutlich, dass eine große Mehrheit der Sachverständigen die Auffassung vertrat, dass die Wiedereinführung einer Sperrklausel in Höhe von 2,5 Prozent sowohl politisch geboten ist als auch rechtlich möglich erscheint. Nur eine Minderheit der Sachverständigen vertrat eine gegenteilige Auffassung.
Die Sachverständigen haben sich dabei auf eine Vielzahl von Argumenten gestützt, die für eine 2,5-prozentige Sperrklausel in Kommunalvertretungen sprechen. Ausgehend von dem Befund, dass es seit den letzten Kommunalwahlen zunehmend zu wesentlich stärker zersplitterten Räten und Kreistagen gekommen ist, konnte herausgearbeitet werden, dass dies zu längeren Sitzungsdauern und damit einhergehend zu einem höheren Zeitaufwand für ehrenamtlich tätige Mandatsträger*innen kommt. In dessen Folge droht das kommunale Ehrenamt unattraktiv zu werden.
Erschwerend kommt hierbei hinzu, dass durch diese stärkere Zersplitterung die Mehrheitsbildungen in den Kommunalparlamenten wesentlich erschwert werden. In den meisten Räten sind seit der letzten Kommunalwahl Zweierkoalitionen jenseits von Großen Koalitionen ohne eigene Mehrheit.
Situation in NRW ist nur bedingt vergleichbar
Darüber hinaus ist die Situation in den NRW-Kommunen mit denjenigen in anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg, wo auf kommunaler Ebene keine Sperrklausel existiert, nur bedingt vergleichbar.
Zum einen hat NRW nicht nur die größten Kommunen, sondern auch die größten Räte, woraus wiederum resultiert, dass die „faktische Sperrklausel“, also der Stimmanteil, der notwendig ist, um auch ohne explizite Sperrhürde einen Sitz zugeteilt zu bekommen, sehr gering ist.
Zum anderen haben die Stadt- und Gemeinderäte in Nordrhein-Westfalen im Bundesländervergleich eine vergleichsweise starke Stellung. So verfügen sie über eine Allzuständigkeit, haben sowohl eigene Steuerfindungs- und Hebesatzrechte, erstere ganz im Gegensatz zu Landesparlamenten, sowie das Recht zum Erlass von Satzungen. Außerdem beschließen sie über den Stellenplan und können mit der Wahl von Beigeordneten Wahlbeamte bestellen.
Durch all dies resultiert, dass man die NRW-Kommunalvertretungen eher als konkurrenzdemokratische Organisationsformen, im Gegensatz zu dem in Süddeutschland vorherrschenden konkordanzdemokratischen Systemen, charakterisieren kann, für die sich die Notwendigkeit von funktionierenden und stabilen Mehrheiten in Räten viel dringender darstellt.
Verfassungsorientierte Gleichstellungswirkung
Auch aus Gründen der Wahlrechtsgleichheit erscheint eine Sperrklausel sinnvoll. So traten nicht zuletzt bei der vorangegangenen Kommunalwahl im Jahr 2014 eine Vielzahl von Fällen auf, wo Kleinstparteien, die nur mit einem oder zwei Mandaten vertreten waren, wesentlich weniger Stimmen für ein Mandat benötigten, als mittlere oder größere Parteien.
Durch die Wiedereinführung einer expliziten Sperrklausel von 2,5 Prozent werden die in den verschiedenen Räten, abhängig von der jeweiligen Gremiengröße, unterschiedlich hohen faktischen Sperrklauseln, die sich in NRW zwischen 0,6 Prozent und 2,8 Prozent befinden, weitgehend eingeebnet. Es ist nicht wirklich ersichtlich, warum in einer Stadt mit einem großen Rat wie Köln oder Dortmund weit weniger als 1 Prozent der Wählerstimmen für ein Mandat ausreichen sollen, während in einem Rat einer kleinen Kommune mehr als 2 Prozent für ein Mandat notwendig sind. Insofern hat die Wiedereinführung einer landesweit einheitlichen Sperrklausel durchaus eine verfassungsorientierte Gleichstellungswirkung.
Noch dazu verbleiben die durch die Einführung einer gesetzlichen Sperrklausel möglicherweise wegfallenden Stimmen in einem vertretbaren Rahmen. Ausgehend von dem Wahlergebnis der letzten Kommunalwahl wären durch eine 2,5-prozentige Sperrklausel auf Ebene der kreisfreien Städte und Kreise insgesamt nur rund 4 Prozent der Stimmen weggefallen, während durch die faktische Sperrklausel tatsächlich immerhin 0,5 Prozent der Wählerstimmen unberücksichtigt geblieben sind.
Dementsprechend wären auf Basis des letzten Wahlergebnisses durch eine 2,5-Prozent-Hürde nur 3,5-Prozentpunkte der Stimmen zusätzlich weggefallen. Würde man die kreisangehörigen Städte und Gemeinden in diese Betrachtung noch mit einbeziehen, würde der Anteil der wegfallenden Stimmen noch wesentlich geringer ausfallen.
Zum Vergleich: Das Hamburger Verfassungsgericht hielt in seinem Urteil durch die Einführung einer Sperrklausel für die Hamburger Bezirke einen Wegfall von 5,5 Prozent der Wählerstimmen für vertretbar.
All diese Argumente sprechen in der Abwägung für die Wiedereinführung einer Sperrklausel auf kommunaler Ebene und erhöhen die Konformität dieses Vorhaben mit Landesverfassung und Grundgesetz.
Inwiefern dieses Gesetz nun vor dem Landes- oder Bundesverfassungsgericht beklagt wird, bleibt abzuwarten. Einer gerichtlichen Auseinandersetzung blicken wir mit Blick auf den sehr gründlichen Gesetzgebungs- und -beratungsprozess sowie die von der Mehrheit der Sachverständigen vorgetragenen Argumenten gelassen entgegen. Hier findet Ihr meine gemeinsame Pressemitteilung mit SPD und CDU. Meine Rede zur 2. Lesung am Donnerstag ist hier abrufbar.

Mehrdad Mostofizadeh MdL

Fraktionsvorsitzender

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