Sigrid Beer: „Wir haben die Kommunen zusätzlich ausgestattet, damit auch sie wieder in Bildung investieren können“

Aktuelle Stunde zu Grundschulen

###NEWS_VIDEO_1###
Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich bitte zuerst eine Vorbemerkung machen. Ja, in der Tat, es gibt eine Menge zu tun. Es gibt Ungerechtigkeiten, die angegangen werden müssen, Unwuchten im Schulsystem, die auch immer benannt wurden, die ich immer benannt habe, und eine Unwucht will ich noch speziell aufrufen, weil wir heute zum Thema Grundschulen sprechen. Das ist unter anderem die Besoldung der Lehrkräfte in Grundschulen. Sie machen eine andere Arbeit als andere Lehrkräfte, aber diese ist nicht weniger wert und nicht weniger bedeutsam, ganz im Gegenteil. Mit der gleichen Ausbildungszeit ist der nächste Schritt fällig, die Anhebung der Besoldung für die Grundschullehrkräfte.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ja, und auch die Grundschulleitungen haben nicht nur eine bessere Besoldung verdient. Sie muss in einem der nächsten Schritte dann auch kommen. Das ist für uns zentral.
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
Aber es ist auch klar: Wir können finanztechnisch nicht alles auf einmal stemmen.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Dann Go! Machen!)
Was wir schon in den letzten sechs Jahren Rot-Grün gestemmt haben, das ist eine enorme Investitionsleistung in Bildung in NRW.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Über 1,6 Milliarden € frisches Geld haben wir in den Kita-Bereich gegeben. Der Etat im Hochschulbereich ist um mehr als 2 Milliarden € verbessert, und das ist das Geld ohne die Qualitätsverbesserungsmittel, Stichwort Studiengebühren. Wir haben die Kommunen, die Sie in Ihrer Regierungszeit massiv geplündert haben, mit der Erhöhung der GFG- Mittel und im Stärkungspakt bis 2016 mit über 11 Milliarden € zusätzlich ausgestattet,
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
damit auch sie wieder in Bildung investieren können.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wenn es um Bildungsausgaben in NRW geht, fehlen uns gerade die kommunalen Investitionen. Das Land hat seine Hausaufgaben gemacht. Wir sind inzwischen bei mehr als 3,5 Milliarden €, die zusätzlich in die Schulen gegangen sind.
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
– Herr Laschet, darin sind auch mehr als 1 Milliarde € für die Inklusion.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Die gibt es doch gar nicht, hat Frau Hendricks gesagt!)
Übrigens sind es Sonderpädagoginnen, die wir in die Schule schicken, und nicht allein Sozialpädagoginnen in dem Bereich.
(Armin Laschet [CDU]: Sie hat gesagt, es gibt keine!)
Wenn Sie Interviews geben, dann wenigstens fachlich korrekt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Innerhalb dieser 3,5 Milliarden € sind die Grundschulen immer als Erste dran gewesen. Das müssten eigentlich alle, die hier im Saal sitzen, auch wissen, wenn sie nicht die letzten sechs Jahre komplett verschlafen haben. Deshalb ist die Formulierung, die Grundschule sei ein Stiefkind der Landesregierung, ganz schlicht eines, eine Unverschämtheit,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
egal, ob das ein Verbandsvertreter sagt, der auch um die Investitionen in diesem Land weiß, oder Sie hier als Opposition das in der Formulierung dieser Anträge tun.
Um 14 % haben wir unmittelbar nach Regierungsantritt die Pauschalen für die Offene Ganztagsschule angehoben, weil Schwarz-Gelb nicht einen Cent dazugetan hat. Das war dringend möglich.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wir haben es hinbekommen, dass die Pauschalen jetzt mit einer Dynamisierung versehen sind, und zwar von 3 % jährlich. Und es ist gelungen, weil wir die Kommunen auch wieder instand setzen, dass die Kommunen ihrerseits die Dynamisierung mit 3 % begleiten.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Was tun sie?)
Von 2010 bis 2017 steigen die Landeszuschüsse verlässlich für die OGS um fast 25 %, und bis 2016 gibt es allein mehr als 880 zusätzliche Lehrerstellen im Offenen Ganztag. Das ist die Bilanz dieser Landesregierung.
(Beifall von den GRÜNEN und Eva Voigt-Küppers [SPD] – Michele Marsching [PIRATEN]: Immer noch zu wenig!)
Mehr als 305.000 Plätze in der OGS stehen mittlerweile zur Verfügung.
(Michele Marsching [PIRATEN]: „Geschenkt“ heißt das Wort!)
Noch einen Punkt. Auch, als es um Entlastungen der Schulleitungen ging, haben wir zuerst den Grundschulleitungen diese gegeben, gerade weil wir um die Herausforderung der Schulen wissen, dass die Schulträger mit Sekretariatsstunden nicht um sich werfen und vieles in den relativ kleinen Schulen an Aufgaben bei der Schulleitung bleibt. Die Leitungszeit ist ausgeweitet, die Sockelentlastung wird angehoben. Obwohl die Zahl der Schülerinnen an Grundschulen zurückgegangen ist – übrigens trotz Zuwanderung –, haben wir immer noch mehr als 27.000 Schülerinnen weniger in den Grundschulen in NRW als 2010, und keine Stelle ist deshalb abgebaut worden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Trotzdem stehen den Schulen aus dem Vertretungspool 900 Stellen in vollem Umfang zur Verfügung, auch die 1.000 Stellen zur Verstärkung der Individuellen Förderung und gegen Unterrichtsausfall. Das ist der Anteil aus den 4.000 Stellen.
Werte Kolleginnen, dadurch, dass wir die Stellensystematik für das Gemeinsame Lernen umgestellt haben, erhalten die Grundschulen im Vergleich zu der alten Berechnung mehr als 800 Stellen zusätzlich. Das ist richtig, und das ist gut so.
(Beifall von den GRÜNEN und Eva Voigt-Küppers [SPD])
Dass die Piraten auf die Stiefkind-Parole aufspringen, geschenkt, Herr Marsching. Sie haben noch nicht für einen Cent im Haushalt sorgen müssen, und Sie werden es auch nie tun müssen.
Aber dass die Kollegen von der CDU das so ungefiltert daher sagen, macht mir Sorgen.
(Daniel Düngel [PIRATEN]: Ganz starkes Argument, Frau Beer!)
Schlimme Gedächtnisverluste, Amnesie, was braucht es denn? Mehr frische Luft? Vitamine? Ein bisschen Ginseng oder Ingwer? Mit 1.700 zusätzlichen Stellen für die Grundschulen, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, haben wir gemeinsam im Schulkonsens dafür gesorgt, dass kleine Schulstandorte erhalten bleiben können.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir haben vereinbart, die Klassenfrequenzrichtwerte in den Grundschulen von 24 auf 22,5 abzusenken. Alles vergessen! Was wir versprochen haben, das haben wir auch umgesetzt! Jede einzelne Stelle!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)
Mit der Beantragung dieser Aktuellen Stunde und den Vorträgen wird hier ein ganz bestimmtes Muster deutlich, das wir auch schon gestern draußen eindrücklich erleben konnten.
(Zurufe von der CDU)
Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch den CDU-Kollegen: Jedes Chamäleon wäre gestern blass vor Neid geworden, wenn es erlebt hätte, wie Herr Witzel und Herr Lohn sich bei der GEW-Aktion zum Thema Benachteiligung der angestellten Lehrkräfte auf dem Rasen vor dem Landtag geäußert haben,
(Michele Marsching [PIRATEN]: Besser als wegzulaufen, so wie Sie!)
die Personalmaßnahmen in diesem Bereich gefordert haben, um zur Angleichung an die Beamtenbesoldung zu kommen. Ja, die Ungleichheit besteht. Aber dass ausgerechnet Herr Witzel die Chuzpe hat, den Lehrern Versprechungen zu machen, der sich im letzten Dezember hier hingestellt und die Kürzung von 700 Millionen € gefordert hat, was einer Streichung von 14.000 Stellen entspricht. Wo sollen wir die denn hernehmen?
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Michele Marsching [PIRATEN])
Die kommen dann aus dem Schulbereich, aus der Polizei und aus der Justiz. Das ist die FDP. Chamäleon sage ich. Ganz egal, welche Farbe. Das Tier bleibt das Gleiche.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Und auch Herr Lohn war sich ja nicht zu schade, gleich anzukündigen, dass man bei der Dienstrechtsreform etwas oben drauf satteln müsste. Wann kommt denn der Nächste aus der CDU, der die Höhe der Nettoneuverschuldung geißeln will?
Meine Herren, was wir gestern draußen erlebt haben, war an Scheinheiligkeit wirklich nicht mehr zu überbieten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)


###NEWS_VIDEO_1###

2. Runde:

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist mir ein Vergnügen, jetzt hier zu reden. Wir haben gerade den neuen Arbeiterführer von Nordrhein-Westfalen erlebt, Christian Lindner, die FDP,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
die die Personalräte zwischen 2005 und 2010 geschliffen hat.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die FDP ist ein Chamäleon. Das wollen sie jetzt auch wieder machen. Das gehört auch wieder zum Programm der FDP. Herr Lindner hat das gerade gesagt. Dann wollen wir das auch so festhalten. Sich dann hier so aufzuschwingen und diese Nummer zu machen, finde ich, zeigt das Chamäleon, nicht nur gestern, sondern auch heute. Eine neue FDP gibt es nicht. Es ist die alte FDP, wie auch immer sie lackiert ist. Das ist ganz klar.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich habe jetzt mal eine Frage an Herrn Laschet, weil er ja sagt, seine Chancen seien so groß. Herr Laschet, ist das so? War das jetzt eigentlich in der Abfolge so gemeint? Gehört Herr Beckmann schon zu Ihrem Schattenkabinett?
(Zurufe von der CDU: Oh!)
Denn dann müssen Sie sich auch mal damit auseinandersetzen. Ich habe das mal zusammengestellt und Herr Beckmann kann das vielleicht im Kopf summieren, was uns in den letzten Tagen auf den Schreibtisch geflattert ist. Die Rückmeldungen aus den Schulen nehmen wir sehr ernst. Ich bin viel in Schulen. Aber ich möchte es mal aufsummieren.
Ich habe Ihnen eben dargelegt, was Rot-Grün dann investiert hat. Zu den zusätzlichen Forderungen gehört zum Beispiel die Höhergruppierung der Grundschullehrkräfte. Ich würde das mal so mit 450 Millionen € beziffern. Für die angestellten Lehrkräfte kommt natürlich noch ordentlich was obendrauf. Ich sage jetzt nichts zu den Notwendigkeiten. Ich habe eben die Unwuchten benannt. Dann: 7.000 zusätzliche Lehrkräfte für Inklusion machen round about 460 Millionen € aus.
Dann kam jetzt sicherlich auch noch der Brief – Sie werden das dann alles in Ihrem Wahlprogramm darstellen, wie man das macht –: je ein Sozialpädagoge, eine Sozialpädagogin pro Schulstandort. – Ich habe jetzt mal ganz knapp gerechnet mit 300 Millionen €. Dazu kommt noch eine halbe Stelle Schulverwaltungsassistenz, möglichst auch flächendeckend. Dann wäre ich vielleicht bei 150 Millionen €.
Das wären jetzt nur für den Personalbereich round about 1,4 Milliarden €, das, was uns an Forderungen in der letzten Zeit immer wieder auf den Tisch geflattert ist.
Dazu kommt noch eine wenig differenzierte Anforderung, was die digitale Ausstattung angeht, Schulträgeraufgaben, die auch beim Land mitadressiert werden.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Gute Bildung geht halt nicht billig!)
Ein Tablet für alle Schülerinnen und Schüler kostet, wenn ich einen günstigen Einkauf ansetze, vielleicht 80 € pro Stück. Bei 2,5 Millionen Schülerinnen wären wir dann noch einmal bei 230 Millionen €. Dann kommen noch Beamer dazu, Tafeln usw.
Ich habe Ihnen eben gesagt, wir setzen die Kommunen wieder in den Stand, ihre Schulaufgaben auch wahrnehmen zu können. Das haben wir mit den GFG-Mitteln, mit dem Stärkungspakt gemacht. Das sind diese Aufgaben.
Wenn Sie uns einen solchen Katalog vorstellen, dann ist das unseriös. Selbst Herr Beckmann sagt doch gegenüber der Presse, diesen Personalbestand gibt es auf dem Markt gar nicht. Was soll das also?
Herr Laschet, ich habe es Ihnen eben entre nous da in der ersten Reihe auch schon einmal gesagt. Wenn wir nicht sofort nach 2010 die Beschränkungen bei den Lehramtsanwärterinnen aufgehoben hätten, dann könnten wir gar nicht einstellen, weil es diese Lehrer und Lehrerinnen in Nordrhein-Westfalen in entsprechender Zahl gar nicht gäbe.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das haben wir aber auf den Weg gebracht. Die Fehlsteuerung, die Sie angelegt haben, haben wir aufgehoben.
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
Deswegen sind es nicht nur die Stellen, Herr Laschet. Ja, das ist auch die Ernte aus dieser Entscheidung, dass wir heute die Stellen besetzen können, die wir dann auch ausbringen.
Das ist genau das, was wir eben gesagt haben. Wir haben das getan, was wir versprochen haben. Wir haben umgesteuert im System vom ersten Tag der Regierungsübernahme an.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Laschet, wenn wir gerade dabei sind – Herr Lindner hat ja auch noch einmal versucht, das in dieser Melodie anzulegen –:
Sie haben im „Westfalen-Blatt“ gesagt, aber alle Förderschulen zu schließen und die Kinder irgendwie ins Schulsystem zu stecken. Das ist doch unseriös. Das ist zutiefst unseriös, weil hier die Förderschulen im Land nicht geschlossen werden. Das sage ich Ihnen hier noch einmal.
(Erregte Zurufe von der CDU)
Wir haben längst eine Entwicklung gehabt –
(Anhaltende Zurufe von der CDU)
– Herr Präsident, ich möchte gerne meine eigenen Worte noch verstehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben lange – und das ist belegt – vor 2010, gerade bei den Förderschulen „Lernen“ eine Entwicklung der abnehmenden Schülerzahlen gehabt, sehr deutlich. Gucken Sie einmal in den Bericht des Landesrechnungshofs hinein! Das belegt das.
Und Herr Lindner, was die Frage der Chancen an Förderschulen „Lernen“ angeht, schauen Sie da mal in die wissenschaftlichen Berichte, was damit zu tun hat, dass die Förderschule als Schule der Armen, als Schule der Migrantinnen angesehen wird. Das ist genau der Punkt, warum Eltern sich für diese Schule auch nicht mehr entscheiden. Und das ist richtig so.
(Armin Laschet [CDU]: Das ist nicht wahr!)
Deswegen geben wir ihnen auch das Recht, für ihre Kinder eine Schule im gemeinsamen Lernen aufzusuchen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Nur noch ein letztes Wort: Sie können nicht auf der einen Seite fordern, wir sollen mehr Schwerpunktschulen machen – das machen wir gerade im Grundschulbereich, um die Ressourcen zu bündeln –, und dann hier sagen, aber an tausend Schulen finde pädagogische Förderung gar nicht statt. Wissen Sie, so etwas geht einfach nicht zusammen. Es ist intellektuell auch nicht redlich. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mehr zum Thema

Schule