Monika Düker: „Mit welcher Ignoranz die Bundesregierung darüber hinweggeht, finde ich ungeheuerlich“

Antrag der CDU zu sicheren Herkunftsstaaten

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Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Menschenrechtsverletzungen in den drei genannten Staaten, den Maghreb-Staaten, die von Kirchen, Verbänden und Menschenrechtsorganisationen nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret beschrieben werden und konkret belegt werden – unter Angabe von Quellen –, erfüllen die drei Maghreb-Länder aus unserer Sicht nicht die Voraussetzungen, um als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden zu können, und zwar weder nach deutschem Verfassungsrecht – hier gelten die Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – noch nach Unionsrecht.
Daher lehnen wir Grüne den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab. Das wird nach dem üblichen Verfahren im Bundesrat zu einer Enthaltung führen, wenn der Koalitionspartner im Kabinett – das entscheidet ja nicht das Parlament, sondern das Kabinett – zustimmen möchte. Das ist nicht zum ersten Mal so und auch ein ganz normaler Vorgang.
Ich finde es allerdings schon einen ziemlich ungeheuerlichen Vorgang, wenn die Bundesregierung komplett alle Stellungnahmen ignoriert, die im Anhörungsverfahren von unabhängigen Sachverständigen vorgelegt wurden. Alle Stellungnahmen kommen zu dem Schluss, dass der Gesetzentwurf mit den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts und der Asylverfahrensrichtlinie der EU unvereinbar ist. Das sagen wirklich alle Sachverständigen. Die Kirchen, PRO ASYL, Rechtsanwälte, namhafte Juristen – alle kommen zu dem Schluss, dass der Gesetzentwurf diesen Kriterien nicht genügt. Mit welcher Arroganz und Ignoranz die Bundesregierung einfach darüber hinweggeht und nichts von den Bedenken aufgreift, finde ich schon ungeheuerlich.
(Beifall von den GRÜNEN und Guntram Schneider [SPD])
Hinzu kommt, dass der Bundesrat in einer mehrheitlich beschlossenen Resolution Zweifel geäußert hat und die Gegenäußerung der Bundesregierung auch keine der Bedenken aufgreift und im Wesentlichen ausräumt. Wenn es nicht so schlimm wäre, könnte man darüber hinweggehen. Hier geht es aber nicht um das Aufzeigen irgendwelcher Probleme, sondern um das Aufzeigen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen in diesen Ländern: Verletzung des Folterverbots, Verfolgung Homosexueller, Defizite bei der Presse- und Meinungsfreiheit, keine unabhängige Justiz usw. usf. Alles Fehlanzeige! Von der Bundesregierung werden diese Argumente überhaupt nicht aufgegriffen.
Das allein würde für unsere Ablehnung reichen. Aber nein; es gibt noch einen weiteren wesentlichen Grund, warum wir Grüne das ablehnen. Dieses Gesetz ist nämlich reine Symbolpolitik, die uns bei den tatsächlichen Problemen, die wir in diesem Land haben, nicht weiterhilft; denn diese Einstufung wird nichts an der bestehenden Rückführungsproblematik ändern, Herr Kuper.
(Zuruf von Serap Güler [CDU])
Allein in Nordrhein-Westfalen haben wir 1.300 marokkanische Flüchtlinge, Frau Güler. Die Asylverfahren sind abgeschlossen. Sie sind vollziehbar ausreisepflichtig, Herr Kuper – 1.300. Heute Morgen hat der Innenminister ja in einem Interview im „Morgenmagazin“ erläutert, woran ihre Rückführung denn scheitert. Die Regierung von Marokko sagt: Ja, wir nehmen sie zurück, aber nur mit der staatlichen Airline und maximal vier pro Flieger einmal in der Woche, wenn der Pilot sie dann auch mitnimmt.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Wer stellt denn den Außenminister?)
Wenn man das jetzt einmal herunterrechnet – 1.300, vier pro Woche –, kommt man ganz schnell zu dem Ergebnis: Selbst wenn alles klappen würde, bräuchten wir sechs Jahre, um diese Menschen zurückzuführen.
Herr Kuper, diese Problematik hat nichts, aber auch gar nichts, 0,0, mit diesem Gesetz, das Sie unbedingt wollen, zu tun. Ein solches Gesetz trägt nicht zur Lösung dieser Probleme bei.
(Beifall von den GRÜNEN, Guntram Schneider [SPD] und Michele Marsching [PIRATEN])
Schauen wir nach vorne. Was brauchen wir denn dann? Wir brauchen nach wie vor das Personal beim BAMF. Ich will hier auch nicht die Bemühungen des Bundesamtes in Abrede stellen. Aber da liegt der Schlüssel. Wir brauchen mehr Personal beim BAMF und eine zügige Bearbeitung der neuen Anträge, die gestellt werden.
Für die Ausreisepflichtigen, die ja schon da sind, brauchen wir eine Bereitschaft der Herkunftsländer, sie eben auch zurückzunehmen. Ihre ganzen schönen Gesetze ändern nun einmal gar nichts daran, dass die Herkunftsländer das offenbar nicht wollen. Wir brauchen die unbürokratische Ausstellung von Passersatzpapieren. Wir brauchen die Akzeptanz von Sammelchartern. Wir brauchen – ich gehe noch einen Schritt weiter – auch ein Rückkehrprogramm für die freiwillige Rückkehr. Hier wären Anreize für eine freiwillige Rückkehr unter Umständen hilfreich. Das alles hat sich bei den Balkanländern bewährt und würde sich hier auch bewähren.
Herr Kuper, wenn Sie wirklich an der Lösung der Probleme interessiert wären, würden Sie hier nicht diese Anträge zum wiederholten Male stellen.
Letzte Anmerkung: Ich finde es unverschämt, wenn ich mir anhöre, mit welchen Wortbeiträgen die CDU/CSU-Fraktion in der Bundestagsdebatte auftritt. Ihr innenpolitischer Sprecher Stephan Mayer hat im Deutschen Bundestag wörtlich gesagt:
„Mit der Einstufung können wir die vielen, die keinen Schutz verdienen, schneller außer Landes bringen.“
(Ralf Nettelstroth [CDU]: Was ist denn daran falsch?)
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Monika Düker (GRÜNE): Diese Äußerungen sind schlicht und einfach falsch. Ich finde es fahrlässig, das hier immer wieder in den Raum zu stellen und den Leuten zu suggerieren: Dann machen wir mal schnell ein Gesetz; damit haben wir dann die Probleme gelöst. – Das ist nachweislich nicht so. Ich bitte Sie auch, diese Unterstellung zu unterlassen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

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