Dagmar Hanses: „Rechtsextremismus ist keine beliebige Meinung“

Unterrichtung zum Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus

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Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir uns morgens auf den Weg in den Landtag gemacht und die Vorberichterstattung zu diesem Tagesordnungspunkt gehört haben, wurde, glaube ich, allen deutlich: Hier geht es um etwas. Hier geht es um etwas sehr Bedeutendes, denn Rechtsextremismus, Rassismus und rechte Gewalt sind im Gegensatz zu dem, was jetzt teilweise gesagt wurde, ein sehr verbreitetes Phänomen.
Das hier vorliegende Handlungskonzept ist präventiv, umfassend, lokal ansetzend, sozialräumlich, zielgruppenorientiert, methodenvielfältig und vor allen Dingen ganz dringend nötig.
Wir wollten uns die Handlungsfelder noch einmal ansehen. Ich möchte Ihnen – weil nicht alle Kolleginnen und Kollegen das gemacht haben – einmal alle Handlungsfelder nennen, damit Sie diese noch einmal auf dem Schirm haben, Herr Düngel. In der Tat ist es so, dass Weiterbildung und Erwachsenenbildung natürlich auch mitgedacht sind. Beginnen wir aber mit den Bereichen Arbeit und Wirtschaft sowie – von Ihnen angesprochen – Justiz. Selbstverständlich geht es auch um Prävention – dem Herzensanliegen der Kinder- und Jugendhilfe im federführenden Ministerium. Ich nenne weiter: Medien und Kultur, Polizei, Schule, Sport, Verfassungsschutz, Wissenschaft und Hochschule, Beratungsinfrastruktur sowie – das sind Maßnahmen gegen Rassismus – Emanzipation und Integration.
Jedes dieser Handlungsfelder ist sehr konkret mit Maßnahmen und Konzepten hinterlegt, damit in der nächsten Zeit viel mehr gegen Rassismus und Rechtsextremismus gemacht werden kann.
(Beifall von den GRÜNEN)
In der Tat, Rechtsextremismus ist keine beliebige Meinung. Rechtsextremismus und Rassismus sind immer menschenverachtend. Und nicht selten führen sie zu Verbrechen, und es gibt dabei immer Opfer.
Wir wissen aus der Rechtsextremismusforschung und vom Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, dass die Zielgruppen, welche sich die Täterinnen und Täter aussuchen, vielfältig und sehr weitreichend sind. Beim Rechtsextremismus geht es natürlich auch Homophobie, Antiziganismus, Antisemitismus und manchmal auch um Sexismus. All das macht gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aus. Es bedingt einander.
Diese Gruppen dürfen uns nicht egal sein, denn rechtsextreme Haltungen sind leider, Herr Prof. Dr. Sternberg, nicht mehr nur von Randgruppen internalisiert, sondern in weiten Teilen der Bevölkerung verbreitet. Sie betreffen auch auf der Opferseite weite Teile der Bevölkerung. Deshalb ist dieses integrierte Handlungskonzept für alle gesellschaftlichen Bereiche ressortübergreifend nötig.
Auch der intensive Prozess, der hier beschrieben wurde, spricht für die Landesregierung. Von der Vorstellung des Koalitionsvertrages bis hin zur Vorstellung hier heute wurden die Regionalkonferenzen angesprochen. Herr Stamp, ich finde Folgendes schon befremdlich: Ich weiß, dass die Kollegin Schäffer bei mehreren Regionalkonferenzen dabei war. Ich war bei einer anwesend. Dass sich diejenigen, welche jetzt hier den Prozess kritisieren, in diese Prozess selbst überhaupt nicht eingebracht haben, finde ich schon sehr verwerflich.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Beteiligung der Akteure war systematisch. Ich möchte natürlich noch einmal meine zwei Herzensbereiche – zunächst die Justiz – ansprechen. Auch bei der Justiz gibt es eine Menge zu tun, denn die Justiz ist mit rechtsextremistischen Straftaten konfrontiert. Täterinnen und Täter landen bei Staatsanwaltschaften und Gerichte. Wir müssen uns damit auseinandersetzen und dabei den Schutz der Opfer in den Vordergrund stellen.
Im Strafvollzug – nachdem Täterinnen und Täter verurteilt wurden – ist es von größter Bedeutung, dass Nazis und Rechtsextreme nicht mehr als solche aus den Gefängnissen herauskommen. Das Ziel der Resozialisierung ist bei dieser Täterinnen- und Tätergruppe eben besonders wichtig. Wir müssen Neuanwerbungen vermeiden, ihnen aktiv entgegenwirken. Wir müssen Haltungen überprüfen und korrigieren. Deshalb sind auch die Fortbildungen der Justizakademie im Handlungskonzept konkret benannt, Herr Düngel. Was Sie dazu gesagt haben, ist auch falsch.
Ich komme zweitens zum Bereich der Jugendhilfe. Selbstverständlich ist Jugendhilfe an sich schon präventiv angelegt. Es muss uns allen klar sein: Je früher rechtsextremistische Einstellungen geändert werden – besser noch: wenn sie erst gar nicht bei Kindern und Jugendlichen entstehen –, desto besser ist es für die weitere Entwicklung. Der Jugendhilfe kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Träger und Einrichtungen der Jugendhilfe – nicht nur die Schulsozialarbeit, sondern insbesondere die Jugendsozialarbeit – haben bereits in der Vergangenheit vielfältige Ansätze, Strategien und Konzepte entwickelt, die nun eine hervorragende Grundlage in diesem Konzept sind.
Nun stehen wir aber vor neuen Herausforderungen. Schon zu Beginn wurde einmal gesagt, dass sich die Gewalt gegen Geflüchtete in letzter Zeit verachtfacht hat. Das sollte uns Sorgen machen. Deshalb müssen wir hier genauer hinschauen.
Mit dem Kinder- und Jugendförderplan mit seinen Fördermöglichkeiten haben wir dafür ein Instrument. Aber wir brauchen eben in manchen Bereichen nicht nur allein die Projektförderung, sondern auch eine Verstetigung. Wir brauchen die Verstärkung der Fußballfanprojekte über die erste Bundesliga hinaus.
Auch das haben wir bereits vor Veröffentlichung des Konzepts umgesetzt. Wir brauchen ein interkulturelles Verständnis und die interkulturelle Öffnung der Jugendarbeit. Wir brauchen eine Ausweitung des Netzwerks für Demokratie und Courage und viele andere der fast 170 Maßnahmen, wovon 80 neue Maßnahmen sind. Dabei müssen wir selbstverständlich mit jedem Landeshaushalt schauen, ob sie dem Bedarf entsprechen und ob sie auskömmlich finanziert sind. Es ist unsere Aufgabe als Haushaltsgesetzgeber, das immer regelmäßig zu überprüfen. Denn aktuellen Entwicklungen in dem Bereich – die Ministerin hat es angesprochen –, insbesondere in den sozialen Netzwerken, müssen wir sehr aufmerksam entgegentreten.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist schon deutlich überschritten.
Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Düngel hatte gesagt: kein Fußbreit den Rechten. Da möchte ich Ihnen zustimmen. Aber nicht nur auf Demonstrationen, sondern überall und jederzeit.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Machen wir!)
Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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