Open Data vor Ort gestalten

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
vor zwei Wochen haben wir Euch über die Ergebnisse des zweiten GRÜNEN Online-Checks informiert. Wir haben mittlerweile aus vielen Kommunen positive Rückmeldungen und Fragen erhalten, was Ihr vor Ort tun könnt, um auf mehr Service, mehr Beteiligung und mehr Transparenz hinzuwirken.
Bei der proaktiven Bereitstellung öffentlicher Daten durch die kommunalen Verwaltungen haben wir eine tolle Entwicklung feststellen können: Mittlerweile haben 15 Kommunen in NRW ein eigenes Angebot für Open Data. Wir wollen daran arbeiten, dass sich der Trend von deutlich mehr offenen Daten fortsetzt. Anbei schicke ich Euch die wichtigsten Hintergründe zum Thema offene kommunale Daten. Im Anhang findet Ihr zudem einen Musterantrag für Eure Räte und Kreistage sowie eine entsprechende Musteranfrage. 
Was genau ist Open Data?
Open Data bedeutet die freie Verfügbar- und Nutzbarkeit von Daten, die durch öffentliche Stellen generiert wurden, also etwa Daten zur Luftqualität, Verkehrspläne, Echtzeit-Verkehrsdaten des ÖPNV oder auch die Texte von Vereinbarungen mit Stellen außerhalb der Verwaltung. Der Open-Data-Philosophie liegt die Annahme zugrunde, dass vorteilhafte Entwicklungen wie Open Government unterstützt werden, wenn Daten für jedermann frei zugänglich gemacht und damit mehr Transparenz und Zusammenarbeit ermöglichen werden.
Es geht aber nicht allein darum, Datensätze online zu stellen. Es geht auch um die Form. Die öffentlichen Daten sollen in maschinenlesbaren Formaten zur freien Verwendung bereitgestellt werden. So technisch diese Definition zunächst klingen mag: Open Data gehört zur modernen Aufstellung von Verwaltung und politischen Prozessen. Und es geht auch um proaktive Transparenz, wie wir GRÜNE sie seit jeher anstreben. Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen sollen Daten und Statistiken nicht anfragen oder gar erklagen müssen, sondern sie proaktiv zur Verfügung gestellt bekommen.
Für Bürgerinnen und Bürger werden Barrieren abgebaut. Sie können auf Informationen einfacher und schneller zugreifen. Die Akzeptanz politischer Entscheidungen steigt, je stärker Politik und Verwaltung bereit sind, ihre Entscheidungsgrundlagen offenzulegen.
Zugleich ist es mit Open Data-Strategien möglich, neue Formen des Kontakts und der Zusammenarbeit von Bürger*innen mit Politiker*innen und auch Verwaltungen herzustellen. Und: Aus offenen Daten lassen sich auch innovative Anwendungen für neue Formen der kommunalen Politik und Verwaltung entwickeln. Ein eindrückliches Beispiel hierfür ist http://politik-bei-uns.de. Hier lassen sich kommunalpolitische Vorgänge und Entscheidungsprozesse, z.B. zu Bauprojekten, in einer neu aufbereiteten Form besser nachvollziehen. Eine einfache Internetseite statt Aktenberge.
Open Data kann innovative Potenziale freisetzen und damit auch die wirtschaftliche Entwicklung im Land und in den Kommunen vorantreiben.  Die offenen Daten sind auch für Unternehmen interessant, gerade für kleine und innovative Start-ups. 
Die Open Data-Prinzipien
Die Bereitstellung öffentlicher Daten soll bestimmten Prinzipien folgen, über die es mittlerweile internationale Übereinkünfte gibt. Die Open Data-Prinzipien lauten:
1.      Vollständigkeit: Alle vorhandenen Daten werden veröffentlicht, soweit nicht Beschränkungen durch Datenschutz oder Sicherheitsrelevanz entgegenstehen.
2.      Primärquelle: Daten werden in ihrem ursprünglichen Zustand, nicht aggregiert oder modifiziert, veröffentlicht.
3.      Zeitnahe Veröffentlichung: Daten werden so zeitnah wie möglich nach ihrer Erhebung bereitgestellt.
4.      Zugänglichkeit: Daten werden so vielen Nutzerinnen und Nutzern wie möglich und für möglichst viele Zwecke zur Verfügung gestellt.
5.      Maschinenlesbarkeit: Daten werden in einem maschinenlesbaren Format bereitgestellt (Infos zu offenen Formaten findet Ihr hier).
6.      Nichtdiskriminierung: Die Daten sind zugänglich für alle, eine Registrierung o.Ä. ist nicht erforderlich.
7.      Nicht proprietäre Bereitstellung: Die Daten werden in standardisierten Formaten bereitgestellt, über die keine juristische Person die alleinige Kontrolle hat.
8.      Freie Lizenz: Die Daten werden unter einer freien Lizenz zur freien – d.h. u.a. auch kommerziellen – Verwendung bereitgestellt. 
Open Data vor Ort
In NRW bieten einige Kommunen bereits erfolgreiche Beispiele für den Einsatz von Open Data-Strategien. Die Stadt Bonn stellt sämtliche Daten in Form eines Open Data-Angebots zur Verfügung. Als Open Data-Stadt ragt auch Moers heraus, als Stadt mit nur rund 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Hier werden beispielsweise Daten von Kindergärten samt verfügbaren Plätzen bereitgestellt, die in einer Karte dargestellt werden könnten. Wir haben im Online-Check 2016 insgesamt 15 Städte und Gemeinden ermittelt, die offene Daten zur Verfügung stellen. Mit Viersen ist auch der erste Kreis dabei.
Auch wenn in NRW neben der „Datenhauptstadt“ Moers eher große Städte vorangegangen sind, so ist eine gelungene Umsetzung von Open Data keinesfalls von der Größe, Einwohnerzahl und auch nicht maßgeblich von der Finanzkraft einer Kommune abhängig. 
Die Umsetzung folgt lokalen Bedingungen
Keinesfalls muss – und sollte! – das Open Data-Rad in jeder Kommune neu erfunden werden. Jede lokale Strategie sollte den oben genannten Prinzipien folgen. Genauso gilt aber, dass jede Kommune ihren eigenen Weg entwickeln muss, das Ziel offener Daten zu erreichen. Dabei stellen sich im Wesentlichen zwei Fragen: Wie soll Open Data in die Geschäftsprozesse integriert werden? In welcher Schrittfolge sollen Daten veröffentlicht werden?
Die erste Frage ist die weit komplexere, da es hier um Abläufe innerhalb der Verwaltung geht. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Beschäftigten frühzeitig eingebunden werden sollten. Open Data bedeutet letztlich auch einen Paradigmenwechsel innerhalb der Verwaltung von der Holschuld der Bürgerinnen und Bürger zur Bringschuld der Verwaltung. Ist die Bereitschaft mitzuwirken geweckt, geht es um die konkrete Integration in die Abläufe und die technischen Gegebenheiten.
Dies ist eng verbunden mit der zweiten Frage nach den Umsetzungsschritten. Es gibt Datensätze, die mit geringstem Aufwand auch unter Open Data-Gesichtspunkten bereitgestellt werden können. Hierzu zählen weite Bereiche der amtlichen Statistik, bei der – etwas überspitzt formuliert – die Tabellen lediglich in einem anderen Format gespeichert werden müssen. Das andere Ende der Skala mit teils erheblichem Aufwand stellt beispielweise die Veröffentlichung von Verträgen dar, die die Kommune mit Privaten etwa für die Erledigung von Aufgaben der Daseinsvorsorge schließt. Hier müssen vor Veröffentlichung umfangreiche Prüfungen z.B. zum Schutz von Persönlichkeitsrechten und Geschäftsgeheimnissen vorgenommen werden. Das Hamburgische Transparenzgesetz sieht derartige Veröffentlichungen vor und sie sind auch ohne Frage wünschenswert. Andererseits ist es aber auch möglich, dass eine Kommune im ersten Schritt eher Datensätze veröffentlicht, die mit weniger Aufwand bereitgestellt werden können, und dann im weiteren Verlauf der Umsetzung ihr Angebot schrittweise ausdehnt. Am Ende soll aber die vollständige Veröffentlichung aller Daten stehen. Gerade deshalb ist es wichtig, Open Data als strategischen Entwicklungsprozess über einen definierten Zeitraum mit definierten Zwischenmarken anzulegen. 
Welche Daten sollen veröffentlicht werden?
Die Open Data-Philosophie hat auf diese Frage eine einfache Antwort: alle! In der Praxis – und das ist so auch anerkannt – gibt es natürlich weitergehende Erwägungen. Getreu dem alten Grundsatz „Private Daten schützen, öffentliche Daten nützen“, müssen die Persönlichkeitsrechte auch bei Open Data gewahrt werden. Im sicherheitsrelevanten Bereich können auch Staatswohlinteressen von der Veröffentlichung tangiert werden. Klar ist aber – und da greift die grundlegende Antwort „alle Daten“ dann doch –, dass nicht länger die Verwaltung entscheiden soll, welche Daten für Bürgerinnen und Bürger relevant sind und welche nicht.
Als erster Anhaltspunkt kann ein beispielhafter Katalog der „Open Knowledge Foundation“ genommen werden. Eine optimale Datenbereitstellung liegt aus ihrer Sicht vor, wenn folgende Datensätze vorhanden sind: Echtzeit-Verkehrsdaten des ÖPNV, jährliche Haushaltspläne und Jahresrechnungen, Wahlergebnisse, Luftqualität, Verkehrspläne, Standorte öffentlicher Einrichtungen, Kriminalstatistik, öffentlich-rechtliche Verträge, Kontrollergebnisse zur Lebensmittelsicherheit, Verkehrsunfallstatistik, Bebauungspläne, Kontaktdaten für Bürgeranfragen, Geweberegister, Handelsregister. Diese Datenvielfalt zeigt, was heute für Bürgerinnen und Bürger interessant sein kann.
Wichtig ist in jedem Fall, auch die Open Data-Community einzubeziehen. Selbst wenn Ihr möglicherweise vor Ort wenige aktive Hacker habt, finden sich bundesweit zahlreiche Engagierte, die auch lokale Projekte unterstützen. Die Kommune sollte Möglichkeiten bereitstellen, damit engagierte Menschen melden können, welche Datensätze aus ihrer Sicht noch bereitgestellt werden sollten. Die Vorreiterkommunen haben auch mit sogenannten „Hackdays“ gute Erfahrungen gemacht. Dabei werden Engagierte aus der Zivilgesellschaft sowie Hackerinnen und Hacker zusammengebracht, und gemeinsam setzen sie Ideen und Projekte auf Basis offener Daten um.
In der Praxis scheitern Open Data-Projekte zuweilen daran, dass die Verwaltung die Umsetzungskosten nicht auf Euro und Cent kalkulieren kann und dann eher zu hohe Beträge angesetzt werden. In der Realität hängt auch hier alles an der konkreten Herangehensweise. Sicherlich erfordert es Kapazitäten seitens der Verwaltung, eine Strategie zu entwickeln. Ebenso entsteht ein Bedarf an Fortbildung, ggf. auch an Umstellungen in Geschäftsabläufen und unter Umständen auch technischen Infrastrukturen. All dies ist aber überschaubar und beherrschbar, und nicht zuletzt steht andererseits auch ein gesellschaftlicher, politischer und nicht zuletzt auch volkswirtschaftlicher Gewinn. 
Unterstützung durch das Land
Die rot-grüne Koalition hat sich viel im Bereich Open Data vorgenommen. Deshalb ist dieses Thema auch eine der tragenden Säulen der Open Government-Strategie „Open.NRW“, die im Mai 2014 vorgelegt wurde.
Im März 2015 ging dann das Portal des Landes für offene Daten an den Start. Damit schaffen wir auch eine technische Infrastruktur, mit der viele weitere Kommunen ihre Daten in einem landesweiten Portal bereitstellen können. Damit entfällt für die Städte und Gemeinden erheblicher technischer Aufwand. Wenn die Daten den entsprechenden Standards (CKAN) entsprechen und mit Meta-Daten versehen sind, können sie direkt im NRW-Portal eingestellt werden.
Teil der Open.NRW-Strategie ist auch die Entwicklung von Muster-Geschäftsprozessen. Da die Strategie auf die Behörden des Landes fokussiert ist, sind die Muster-Geschäftsprozesse nicht unmittelbar auf kommunale Verwaltungen übertragbar, aber wesentliche Elemente können adaptiert werden. Zu den Geschäftsprozessen lohnt sich auch eine Rücksprache mit der Open.NRW-Geschäftsstelle.
Noch ein bisschen mehr lesen?
In der gebotenen Kürze lassen sich nicht alle Vorteile von Open Data und auch nicht alle Aspekte der Umsetzung beleuchten. Wer noch nicht überzeugt ist, findet hier Stoff zum weiterlesen: Positionspapier „Open Data“ von Vitako, KGSt und DStGB. Darin werden nicht nur die Vorteile kommunaler Open Data-Strategien dargestellt, sondern auch praktisch nutzbare Überlegungen zum Wandel der Verwaltungskultur (S. 14ff.) und zur konkreten Implementierung (S. 19ff.).
Um einen besseren Überblick zu bekommen, was sich mit Open Data alles erreichen lässt, gibt es inzwischen mehrere Showrooms für Projekte. Internationale Beispiele gibt es im Open Data Showroom, Beispiele aus Deutschland beim Projekt Code for Germany der Open Knowledge Foundation.
In der Studie „Digitales Gold“ der Technologiestiftung Berlin wird die erste Kosten-Nutzen-Rechnung für Open Data in Deutschland aufgemacht. Ergebnis: Offene Daten haben allein in Berlin ein Potenzial von rund 30 Millionen Euro.
Sehr gelungen ist die Open Data-Strategie der Stadt Bonn. Sie enthält als politisches Gesamtkonzept die politischen Basisbeschlüsse und auch zahlreiche konkrete Maßnahmen.
Bei Fragen könnt Ihr Euch jederzeit an mich wenden.
Herzliche Grüße
Matthi Bolte