Martin-Sebastian Abel: „…deswegen sind zusätzliche Stellen für die Finanzverwaltung richtig“

Antrag der Piraten auf mehr Betriebsprüfer

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Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schulz, das war natürlich ein vergiftetes Lob. Dann sind Sie ins Eigenlob übergegangen. Und zum Schluss haben Sie sich dann doch in Selbstlob verloren. Frau Kollegin Gebhard hat dankenswerterweise schon auf die Zahlen hingewiesen: Es gab seit 2010 200 zusätzliche Betriebsprüfer. Die Anwärterinnen- bzw. Anwärterzahlen sind um 47 % gesteigert worden. – Also das Bild, was Sie versucht haben, mit den Zahlen aus Bundesvergleichen, die Sie auf NRW heruntergebrochen haben, zu zeichnen, stimmt so schon einmal nicht. Und eine Rolle rückwärts kann ich gar nicht, um ehrlich zu sein. Die will ich aber auch nicht.
Es ist tatsächlich so, dass wir in der Enquete-Kommission „Tragfähigkeit öffentlicher Haushalte“ uns die einzelnen Bereiche unserer Landesverwaltungen angeschaut haben. Diese Enquete-Kommission hat sich mit dem demografischen Wandel befasst. Und wir haben festgestellt, dass wir es bei der Finanzverwaltung mit einer Verwaltung zu tun haben, die in den nächsten Jahren überdurchschnittlich viele Pensionärinnen und Pensionäre zu erwarten hat.
Wir hatten 2007 etwa 7.000 Pensionärinnen und Pensionäre. Bis 2017 werden wir die Zahl 9.000 erreichen. Und wir werden 2030 mit 12.000 Pensionierungen im Jahr den Höhepunkt erreichen. Man muss sich einmal dieses Gap in Bezug auf die Aufgaben anschauen, die auf unsere Finanzverwaltung zugekommen sind. Wenn man da nachsteuern will, kommt man auf ein Gap von 2.000 zusätzlichen Stellen bei der Finanzverwaltung. Sie beziehen sich da auf ein Interview von mir vom 17. Februar in der „Rheinischen Post“. Da lautete die Überschrift „2.000 zusätzliche Finanzbeamte“. Im Text steht aber, so wie ich es auch freigegeben habe: „Zusätzliche Stellen bei der Finanzverwaltung“. Und dazu stehen wir.
Wenn Sie jetzt versuchen, daraus irgendwie eine Koalitionskrise oder Streitigkeiten zu konstruieren, läuft das fehl. Ich kann mir, Herr Stein, vor allen Dingen eine Bemerkung nicht verkneifen: Ich finde es sehr lustig, dass Sie uns – nachdem Sie die Piratenfraktion verlassen haben, wo es ja offensichtlich so viel Streit gibt, dass Sie es offensichtlich nicht ausgehalten haben, so dass sie sich jetzt bei der CDU integriert haben –, auch noch Partnerberatung empfehlen. Also das finde ich schon sehr lustig.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
In der Tat stehe ich dazu. Das müssen keine Finanzbeamten sein. Ich kann mir zum Beispiel auch vorstellen, dass wir bei den zusätzlichen Aufgaben, die unsere Finanzverwaltung jetzt vor der Brust hat – dabei geht es beispielsweise um die internationalen Abkommen und um die Einführung der Elektronischen Akte –, auch Tarifbeschäftigte dazuholen. Die können dann beispielsweise dort, wo zurzeit Beamte arbeiten – beispielsweise bei der Veranlagung in den Finanzämtern –, eingesetzt werden. Das haben wir ja auch bei der Polizei so getan. Sie können die Finanzbeamtinnen und Finanzbeamte entlasten, damit diese freiwerden und zum Beispiel mit Aus- und Weiterbildung auch in die Betriebsprüfung gehen können.
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Abel, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Es wird Sie sicherlich nicht wundern, dass Herr Kollege Schulz Ihnen eine Zwischenfrage stellen möchte.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: War zu befürchten!)
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Nein. Sehr gerne. Bitte.
Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Kollege Abel, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie hatten gerade noch einmal Ihr Interview aus Februar erwähnt und beziehen Ihre Ausführungen auf die Frage des demografischen Wandels und haben dazu auch noch die Enquetekommission bemüht. Gehe ich recht in der Annahme, dass die von Ihnen in diesem Interview genannten Zahlen bezogen auf den demografischen Wandel, insbesondere aber auch die Zahlen der prognostizierten Abgänge aus der Finanzverwaltung, doch einigermaßen abgestimmt und zutreffend sind mit der Folge, dass Ausbildungskapazitäten in der Zukunft geschaffen werden müssen, um diese Abgänge zu kompensieren?
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Es wäre jetzt doof, einfach mit Ja zu antworten. Denn dann würde die Uhr weiterlaufen. Deswegen will ich das noch ein bisschen ausführen und will auch noch einmal die Zahlen nennen.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Das ist eine sehr eigene Interpretation der Geschäftsordnung, Herr Kollege. Wir hören Ihnen jetzt genau zu.
(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Sehr schön! – Michael Hübner [SPD]: Aber die Frage war zu kurz! – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Was zu kurz!)
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident, vielen Dank, dass ich jetzt die volle Aufmerksamkeit des Hauses habe. Deswegen will ich auf die Frage, die Herr Kollege Schulz mir gestellt hat, auch noch einmal mit Zahlen antworten. Wir hatten 2011 – um ganz genau zu sein – 7.178 Pensionäre bei der Finanzverwaltung. 2020 werden wir 9.725 Pensionäre haben. Das heißt, wir haben bis 2020 schon ein Gap, die mit zusätzlichen Anwärterstellen gefüllt werden müssen.
Aber noch einmal: Es wird allein nicht reichen. Unsere Fraktion kann sich durchaus vorstellen, dass es mit zusätzlichen Tarifbeschäftigten, die die Finanzverwaltung bei den jetzt anstehenden Aufgaben entlasten, auch sehr kurzfristig Entlastungen geben kann, sodass wir mehr Kapazitäten haben. Das gehört auch zu diesen 2.000 zusätzlichen Stellen, die wir gefordert haben und zu denen wir auch stehen.
Nur seit dem Februar gab es auch keine Haushaltsverhandlungen und keinen Haushalt, der verabschiedet wurde, wo wir das nachvollziehen konnten. Das, was wir in den bisherigen Haushalten gemacht haben, das hat Frau Kollegin Gebhard eben dargestellt. Wir haben eine Steigerung um 57 %. Dann müssen Sie der Kollegin Gebhard aber auch zugestehen, dass sie auch den Blick in andere Bundesländer bringt. Denn es ist in der Tat so, dass Bundesländer sagen: Warum sollen wir jetzt zusätzliche Beamtinnen und Beamte einstellen oder zusätzliche Stellen bei der Finanzverwaltung schaffen, wenn uns das über Ausgleichsmechanismen im Länderfinanzausgleich wieder weggenommen wird?
Wenn wir uns vergewissern, dass beispielsweise die ostdeutschen Bundesländer zum Teil Landeshaushalte haben, die ein Drittel fremdfinanziert sind, unter anderem aus dem Länderfinanzausgleich, dann ist eine berechtigte Forderung, die der Finanzminister auch immer wieder gestellt hat und wo er unsere volle Rückendeckung hat, dass auch mehr von dem, was unsere Finanzverwaltung hier erhebt, bei den Ländern bleibt und nicht alles an den Bund geht.
Wir müssen auch darüber reden, wenn wir über das Thema Steuergerechtigkeit reden. Ich hatte gerade eine Besuchergruppe, die dieses Thema angesprochen hat. Sie haben gefragt: Herr Abel, wir haben mal auf Ihre Website geschaut, Panama und alles, das ist ganz schlimm, das beschäftigt uns auch. Wir zahlen alle unsere Steuern, einige tun das nicht. Was ist denn bisher passiert? Herr Kollege Stein, ich kann Sie wirklich nur darum bitten. Dann sitzen wir als Demokraten letztendlich alle in demselben Boot. Denn das Einzige, was man vermelden konnte, seitdem wir hier im Hohen Hause eine Einigkeit bei diesem Thema hatten – in vielen Punkten, aber nicht in allen –, ist, dass die EZB den 500-Euro-Schein abgeschafft hat, und die BaFin – wie heute Morgen zu lesen war – will jetzt intensiver in Betriebsabschlüsse schauen.
Da kann ich nur sagen: So kommen wir nicht weiter, und am Ende ist es ein Vertrauensverlust, den wir als Politik insgesamt zu verantworten haben. Deswegen sind zusätzliche Stellen für die Finanzverwaltung richtig. Aber Sie als größter Landesverband der CDU müssen auch mit einem Staatssekretär aus Ihren Reihen in Berlin die Hausaufgaben machen. Dazu gehört ein Transparenzregister, dazu gehört auch, dass die Länder entlastet werden und mehr von dem, was die Länder eintreiben und an Steuern erheben, in den Ländern bleibt und nicht in der Kasse von Herrn Schäuble verschwindet. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Wieder schwarze Null!)

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