Karin Schmitt-Promny: „Unser gemeinsames Ziel sollte deshalb der Abbau der Etikettierung sein“

Antrag der Piraten zu Inklusion

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Karin Schmitt-Promny (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz später Stunde werde ich meinen Redebeitrag halten. Ich bin der Auffassung, dass es sich hierbei um ein so grundlegendes gesellschaftliches Thema handelt, dass ich, auch wenn ich die Fürsorge für uns verstehen kann, den Redebeitrag trotzdem vortragen möchte.
Meine Damen und Herren, viele Jahre haben Eltern für das Recht ihrer Kinder mit Beeinträchtigung auf Teilhabe am Unterricht gekämpft. Ende 2010 hat der Landtag mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen den Beschluss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung an den Schulen NRWs gefasst und damit den Rechtsanspruch auf Teilhabe in den allgemeinbildenden Schulen beschlossen. Damit hat sich NRW auf den Weg gemacht zu einer inklusiven Schule. Das ist, wie zu erwarten war, ein Prozess, der sich über viele Jahre erstreckt. Inklusion ist eine Generationenaufgabe. Überstürzt kann man diese Entscheidung nun wirklich nicht nennen.
In der Debatte um die Inklusion gibt es Hinweise, wo es ruckelt. Wir sind viel im Land unterwegs, und wir nehmen diese Hinweise auf. Das Nachsteuern dieses Prozesses ist dialogorientiert zu führen, und zwar gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort.
Da Schulen unterschiedlich weit auf dem Weg sind, sind auch die Unterstützungs- und Steuerungsbedarfe verschieden. Deshalb ist ein generell von oben verordnetes Konzept nicht zielführend. Wenn wir selbstständige Schulen wollen, dann brauchen diese auch den Raum, ihre Konzepte eigenständig zu entwickeln.
Die FDP spricht davon, dass die Umsetzung der Inklusion qualitätslos begonnen habe und die Unterstützung vollkommen unzureichend sei. Sie erweckt den Eindruck, den Ausbau in der jetzigen Konstellation nicht fortsetzen zu wollen. Die Generalität dieser durchgehend negativen Kritik lehnen wir ab; denn sie trifft nicht den Stand der Entwicklung hin zur Inklusion in der Schule und negiert die gute Arbeit derer, die diese Arbeit tagtäglich in unseren Schulen umsetzen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wollen Sie eigentlich ein negatives Szenario aufmachen, oder wollen Sie, wie wir, einen konstruktiven Prozess? Eine derart negative Beurteilung der Situation tut ihr nicht gut. Ja, sie belastet doch das gemeinsame Interesse, Inklusion voranzubringen.
Thomas Heinemann, Vertreter des Elternvereins „Gemeinsam leben, gemeinsam lernen“, hat uns in der Anhörung am 24. Februar deutlich gemacht, dass diese Art der Auseinandersetzung der Aufgabe „Inklusion“ mehr schadet als nützt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Anhörung hat ein differenziertes Bild der Erfahrungen aufgezeigt. Herausforderungen aus der Sicht der Einzelnen wurden klar benannt. Aber auch Beispiele, wie Schulen und Schulträger wirksame Konzepte entwickelt haben, Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen in ihren Schulen zu begleiten und individuell zu fördern.
Eine wesentliche Unterstützung, nicht nur für Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch für alle für Schule Verantwortlichen in den Kommunen und Kreisen ist die Fortbildung. Bereits seit 2011 werden Multiplikatoren fortgebildet, die die Schulen in ihrer Region beraten und die jeweiligen Prozesse begleiten. Bis heute wurden bereits über 400 Multiplikatoren geschult.
Die Einrichtung von Schwerpunktschulen trägt dazu bei, sonderpädagogische Kompetenz zu bündeln. Die Forderung des barrierefreien Zugangs zu Schulgebäuden zu stellen, ist richtig. Aber ein Schulgebäude muss nicht von Anfang an mit einer Rampe ausgestattet sein, wenn noch kein Kind im Rollstuhl diese Schule besucht.
Wir haben ein Inklusionsleistungsgesetz auf den Weg gebracht, das dem Schulträger bei der Ausstattung der Schule hilft und auch personelle Unterstützung leistet.
Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, mit besonderem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung, gelten als die Kinder, die Lehrerinnen und Lehrern die meisten Sorgen machen. Hier ist die sonderpädagogische Kompetenz eine wichtige Unterstützung der Lehrkräfte. Aber nicht immer ist die Doppelbesetzung mit Regellehrkraft und Sonderpädagogen zwingend notwendig. Erforderlich ist aber die systemische Unterstützung für das lernende System. Changemanagement, Inklusionsfachberatung, auch Inklusionsbegleitung aus dem Bereich der Jugendhilfe fördern die Konzeptionsentwicklung und die konkrete Arbeit.
(Beifall von den GRÜNEN)
Bei allen Diskussionen aber gilt, dass die Kinder und Jugendlichen mit Beeinträchtigung in erster Linie Kinder und Jugendliche sind, bei denen die Beeinträchtigung nur ein Aspekt ihrer Persönlichkeit ist und die ein Recht auf individuelle Förderung haben wie jedes Kind.
Unser gemeinsames Ziel sollte deshalb der Abbau der Etikettierung sein. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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