Arndt Klocke: Hier sind die Weichen in Richtung Zukunftsmobilität gestellt“

Antrag der PIRATEN zum Ziel "Emissionsfreier Verkehr"

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Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Piraten greift ein wichtiges Thema auf; das haben auch die bisherigen Wortbeiträge gezeigt. Wir diskutieren dieses Thema nicht zum ersten Mal hier im Parlament. Die Belastung der Luft in unseren Innenstädten ist ein wichtiges und dramatisches Thema, vor allem in den Ballungsräumen.
Ob man es nun „Verkehrstote“ nennt, Herr Kollege Moritz, oder einfach „Todesfälle“ – völlig unstrittig ist auf jeden Fall: Nach Berechnungen der WHO und des Umweltbundesamtes sterben in jedem Jahr aufgrund der hohen Schadstoffbelastung in unseren Innenstädten zwischen 10.000 und 15.000 Menschen. Jeder Todesfall ist einer zu viel. Deswegen gilt es, hier dringend zu handeln.
Ich kann Ihre Auffassung, lieber Herr Moritz, nicht teilen, dass die Bundesregierung in dieser Hinsicht schon genug tut. Die Zahlen belegen es doch schon: Im Jahr 2009 hat die Bundesregierung im Rahmen des Konjunkturpaketes II ein Programm aufgelegt, demzufolge eine Million Elektroautos in Deutschland bis 2020 fahren sollten. Seit 2009 sind fast acht Jahre vergangen, und bis heute haben wir gerade mal 25.000 Elektroautos auf unseren Straßen.
(Zuruf von Arne Moritz [CDU])
Das heißt, um das anvisierte Ziel zu erreichen, müssten wir in den kommenden dreieinhalb Jahren noch 980.000 Autos auf die Straße bringen. Das ist aber überhaupt nicht zu abzusehen. Die Absatzzahlen sind gering, und das, was bislang – unter anderem mit dem Elektromobilitätsgesetz im letzten Jahr – vonseiten der großen Koalition beschlossen worden ist, nämlich die Freigabe von Busspuren oder gegebenenfalls kostenfreies Parken, ist offensichtlich völlig unzureichend, um zu erreichen, dass die Bürger die hohen Anschaffungskosten auf sich nehmen, die mit dem Erwerb eines E-Wagens verbunden sind.
Warum denkt man also nicht über eine Kaufprämie nach, über eine Entlastung bei der Kfz-Steuer oder eine vernünftige Bonus-Malus-Regelung bei der Anschaffung eines Neuwagens? Der Boom ist in den letzten sieben Jahren jedenfalls nicht eingetreten, und für mich ist auch nicht ersichtlich, dass die Freigabe der Busspur in den Innenstädten daran etwas ändern wird. Ich meine, dass die Bundesregierung dringend dazu angehalten wäre, noch einmal über das Ganze nachzudenken, sonst werden im Jahr 2020 nicht eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen fahren, sondern maximal 50.000. Damit würden wir weit unter der Grenze des Angestrebten bleiben.
An dem Antrag der Piraten gefällt mir nicht, dass er sich ausschließlich auf die Elektromobilität bezieht. Wenn man nämlich darüber nachdenkt, für eine bessere Luft in den Innenstädten zu sorgen, ist die Bandbreite der Möglichkeiten deutlich größer, vor allem was die Nahmobilität, also autofreie Verkehre in den Innenstädten angeht.
In dieser Hinsicht haben wir als Landesregierung bereits viel getan: mit dem Aktionsplan zur Förderung der Nahmobilität, der Förderung der AGFS oder der Einrichtung des Zukunftsnetzes Mobilität Nordrhein-Westfalen. Außerdem investieren wir massiv in den Radverkehr. Wir haben den Etat für den Bau von Radwegen an Landstraßen deutlich heraufgesetzt. Zudem haben wir den Aktionshaushalt für Nahmobilität neu eingerichtet und mit elf Millionen € ausgestattet. Darüber hinaus gibt es eine Förderung für den Bau von Radschnellwegen.
Wenn man also darüber nachdenkt, hier etwas zu tun, dann ist E-Mobilität sicherlich ein ganz wichtiger Baustein – das steht völlig außer Frage –, aber die Bandbreite der Maßnahmen – also das, was die Politik tun kann, um die Innenstadtluft zu verbessern und die Schadstoffe entsprechend zu reduzieren – ist deutlich größer. Das fehlt uns jedoch in Ihrem Antrag, und das müssten wir auf jeden Fall in der Debatte im Ausschuss noch thematisieren. Vielleicht gibt es eine Anhörung oder ein Sachverständigengespräch dazu, worin diese Fragen behandelt werden können.
Der Hinweis auf die EU, den der Kollege Krick gegeben hat, ist richtig. Er ist jedoch insofern leider von der Aktualität überholt, als das EU-Parlament erst vor drei Wochen fraktionsübergreifend eine breite Initiative diskutiert hat und sich leider noch einmal dafür entschieden hat, dass es den Automobilkonzernen in Europa weiterhin freigestellt sein soll, den Schadstoffausstoß so zu handhaben wie bisher. Das bedeutet, dass der real im Verkehr gemessene Wert denjenigen Wert, der auf dem Teststand gemessen wird, weiterhin um das Hundertfache übersteigen darf.
(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das ist ja unglaublich!)
Das ist erst Ende Februar dieses Jahres vom EU-Parlament beschlossen worden, wenn auch relativ knapp. Der Beschluss ist gefasst; das heißt, der Ministerrat ist nicht aufgefordert worden, diese Schadstoffgrenzen deutlich abzusenken. Das ist leider auch wieder von der Großen Koalition, der Bundeskanzlerin und dem Verkehrsminister unterstützt worden.
Somit zeigt sich: Da werden überhaupt keine Konsequenzen aus dem VW-Skandal und aus den anderen Skandalen der deutschen Automobilindustrie gezogen. Schließlich wurde längst nachgewiesen, dass nicht nur VW bei den Abgaswerten von Diesel-Pkw geschummelt hat, sondern auch viele andere Autokonzerne. BMW, Mercedes und auch andere haben ihre Modellklassen ebenfalls entsprechend manipuliert.
Der Schluss, den die Bundesregierung zieht, besteht darin, keinen Schluss daraus zu ziehen. Es gibt keine entsprechende Verschärfung, es gibt keine Gesetzesänderung. Die Aufklärung ist entsprechend sehr nachlässig. Das wird für die Luftbelastung in den Innenstädten leider keine Verbesserung bedeuten.
Der Antrag ist aus unserer Sicht eine gute Grundlage, eine Diskussion im Ausschuss zu führen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat vieles auf den Weg gebracht.
Ich weiß, dass die Redezeit abgelaufen ist. Mein letzter Satz daher: Es gibt ein Programm der Landesregierung zur Förderung von E-Bussen. In Köln sind die ersten acht vom Land geförderten Elektrobusse gerade vor vier Wochen vorgestellt worden. Das, was die Piraten hier im Antrag fordern, ist längst in einem Förderprogramm berücksichtigt. Man könnte da sicherlich noch mehr tun. Aber auf jeden Fall sind hier die Weichen in Richtung Zukunftsmobilität gestellt. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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