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Martina Maaßen (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für Leistungsbezieher unter 25 Jahren sieht der Gesetzgeber weiterhin verschärfte Regelungen bei Pflichtverstößen vor. Bereits bei der einmaligen Pflichtverletzung kann das Jobcenter eine Sanktion in Form des vollständigen Wegfalls der Regelleistungen verhängen. Ein erneuter Verstoß führt zu einem vollständigen Leistungsausfall, der auch die Kosten für die Unterkunft betrifft.
Bis Juni 2015 wurden über eine Million Sanktionen ausgesprochen. Dies ist keine kleine Zahl, meine Damen und Herren. Besonders hoch ist die Sanktionsquote bei den Jugendlichen bis 25 Jahre. Sie liegt bei den arbeitslos gemeldeten Jugendlichen bei rund 10 %. Die Sanktionen gegen Jugendliche fallen schärfer aus als bei den Erwachsenen. Die Tatsache, dass der Staat seinen arbeitslosen Bürgerinnen und Bürgern die materielle Existenzgrundlage völlig entziehen kann, mutet befremdlich an und ist erschreckend.
Bei jungen Leuten können harte Sanktionen dazu führen, dass sie sich vollständig zurückziehen und den Kontakt zum Jobcenter abbrechen. Verlieren die Jugendlichen noch ihre Unterkunft, drohen Obdachlosigkeit und ein Abrutschen in die Kriminalität. Wohnungslosigkeit, verstärkte Verschuldung, eingeschränkte Ernährung, Verlust der persönlichen Stabilität und seelische Probleme können Folgen sehr hoher Sanktionen sein.
Mit stabilen Verhältnissen, die junge Menschen brauchen, um sich persönlich entwickeln zu können und sich auf ein geordnetes Berufsleben hin zu orientieren, hat dies nichts zu tun.
Wir Grünen bedauern zutiefst, dass das Bundeskabinett die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Abschaffung der verschärften Sanktionen bei den U25-Jährigen nicht übernommen hat.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle grundsätzlicher werden. Die angestrebten Rechtsvereinfachungen bei Hartz IV führen aus grüner Sicht zu keinen Verbesserungen bei den Sanktionen. Einmal abgesehen davon, dass der Hartz-IV-Regelsatz mit 404 € zu niedrig ist, wird dieser Betrag derzeit als Existenzminimum angesehen. Ich frage Sie, meine Damen und Herren:
Wie kann es sein, dass man ein Existenzminimum um bis zu 30 % kürzen kann und bei den U25-Jährigen sogar, wie bereits ausgeführt, um 100 %? Wie kann es sein, dass das Sanktionssystem noch verschärft wird? Nun wird auch noch der angebliche Tatbestand „sozialwidriges Verhalten“ eingeführt – als weitere Begründung, Erstattungsansprüche an Betroffene durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, Existenzminimum ist Existenzminimum. Punkt!
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Es handelt sich hierbei um ein Grundrecht. Ein Grundrecht, meine Damen und Herren, muss man sich nicht verdienen.
Im Hartz-IV-System rücken leider allzu oft die persönlichen Schwächen der Menschen in den Vordergrund – ihre Defizite in der Qualifizierung, ihre Defizite in der Lebensführung. Mit den Sanktionen wird noch einiges draufgesetzt. Es wird demotiviert und gedemütigt.
Sanktionen sind unnötig und kontraproduktiv. Aus grüner Sicht ist hier ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel notwendig. Wir müssen positiv motivieren, positiv verstärken statt negativ sanktionieren.
(Beifall von den GRÜNEN und Torsten Sommer [PIRATEN])
Wir brauchen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit fairen Regeln auf Augenhöhe. Der richtige Weg ist, die Stärken und eigenen Bemühungen der Betroffenen zu fördern: durch Zusatzleistungen bei Bemühungen um einen Arbeitsplatz, durch Zusatzleistungen bei Qualifizierungsanstrengungen, durch Zusatzleistungen bei der Bereitschaft, seine persönliche Situation zu klären.
Meine Damen und Herren, Sanktionen führen in der Praxis zu existenzieller Not, insbesondere bei den unter 25-Jährigen. Sanktionen bei Hartz IV gehören abgeschafft. Wir Grüne setzen auf Förderung und Unterstützung. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Torsten Sommer [PIRATEN])