Martina Maaßen: „Die Mythen der Mindestlohnkritiker haben sich nicht bewahrheitet“

Antrag von SPD und GRÜNEN zur Bekämpfung von prekärer Beschäftigung

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Martina Maaßen (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 1. Januar 2016 war der erste Geburtstag des Mindestlohngesetzes. Dies ist aus unserer Sicht wahrlich ein Grund zum Feiern. Die Zustimmung zum Mindestlohn liegt unverändert hoch bei 86 % aller Befragten.
Jobkiller, Bürokratiemonster, Preistreiber – kaum ein Argument ließen die Gegner des gesetzlichen Mindestlohns aus, um Stimmung gegen die Lohnuntergrenze zu machen. Keines der Horrorszenarien ist eingetreten. Meine Damen und Herren, die Mythen der Mindestlohnkritiker haben sich nicht bewahrheitet.
Mythos eins: Der Mindestlohn kostet Jobs. – Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist um mehrere Hunderttausend gestiegen, vor allem in traditionellen Niedriglohnbranchen. Die Minijobs gingen spürbar zurück. Es sind mehr Jobs entstanden, mehr reguläre, weniger atypische Beschäftigung. Der Mindestlohn ist ein Instrument, Altersarmut zu bekämpfen und insbesondere Frauen aus der Niedriglohnfalle zu führen.
Mythos zwei: Der Mindestlohn treibt die Preise. – Der Mindestlohn macht das Leben für Verbraucherinnen und Verbraucher mitnichten unerschwinglich. Die Preise sind bisher in einigen Bereichen, zum Beispiel im Taxigewerbe oder in der Gastronomie, moderat gestiegen, jedoch Millionen Beschäftigte verdienen nun mehr Geld. Leichte Preisanstiege sind somit kein Problem.
Mythos drei: Der Mindestlohn bringt den Beschäftigten nicht viel. – Meine Damen und Herren, der Mindestlohn kommt besonders Geringqualifizierten zugute, Beschäftigte in Niedriglohnbranchen in Ostdeutschland sowie den Minijobbern in ganz Deutschland. Die Löhne der Un- und Angelernten in Ostdeutschland sind um fast 10 % gestiegen, auch der Verdienst der Geringbeschäftigten steigerte sich bei uns um 5 %. Des Weiteren ist die Zahl der Aufstocker gesunken, im Osten um 10 %, im Westen um 2 %.
Der Mindestlohn – Mythos vier – ist schädlich für die Wirtschaft. – Im Gegenteil: Die Konsumlaune ist im Jahr 2015 gestiegen. Gerade Geringverdiener können nun mehr ausgeben. Es ist Kaufkraftgewinn entstanden, die Inlandsfrage ist gestärkt und neue Beschäftigung entsteht.
Mythos fünf: Der Mindestlohn ist ein Bürokratiemonster. – Da möchte ich Sie ganz persönlich ansprechen, Herr Uli Alda. Es gibt keine neue Bürokratie. Die Arbeitsstunden mussten schon in der Vergangenheit aufgezeichnet werden. Gerade wenn ein Arbeitgeber seine Beschäftigten korrekt und ehrlich nach tatsächlich geleisteter Arbeit bezahlen will, ist die Erfassung und die Dokumentation der Arbeitsstunden selbstverständlich. Zudem reicht es aus, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer handschriftlich einen Stundenzettel ausfüllen. Hier kann man wahrlich nicht von einem Bürokratiemonster sprechen.
Kommen wir zur aktuellen Debatte über eine Absenkung oder Aussetzung des Mindestlohns für Flüchtlinge. Meine Damen und Herren, die Arbeitsmarktchancen für Flüchtlinge erhöhen sich dadurch nicht. Was sich erhöhen würde, ist der Missbrauch als Billigarbeitskräfte und das Ausspielen gegen andere Beschäftigte. Dadurch wird Integration nicht vorangetrieben, sondern Diskriminierung und Unfrieden geschürt. Für uns Grüne macht es keinen Unterschied, woher die Beschäftigten kommen, die in Deutschland arbeiten. Dumpinglöhne für Flüchtlinge sind mit uns nicht zu machen.
(Beifall von Karin Schmitt-Promny [GRÜNE])
Zum Schluss möchte ich die Ausnahmeregelung für langzeitarbeitslose Menschen ansprechen. Arbeitssuchenden, die bei einer Arbeitsagentur oder einem Jobcenter arbeitslos gemeldet sind, kann der Mindestlohn vorenthalten werden. Hiermit geht Deutschland einen Sonderweg. Aus keinem anderen europäischen Land mit gesetzlichem Mindestlohn ist dies bekannt. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass der Mindestlohn die Chancen der Langzeitarbeitslosen auf Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt verschlechtern.
Meine Damen und Herren, dies ist eine Mutmaßung. Gibt es hier nicht eher den Anreiz, nach sechs Monaten zu entlassen und dann wieder jemand Billigeren einzustellen? Gibt es hier nicht einen Wettbewerbsvorteil für nicht tarifgebundene Unternehmen?
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Der gesetzliche Mindestlohn hat sich als wirkungsvolle Untergrenze und als Stütze der Tarifpolitik erwiesen. Der Mindestlohn ist ein arbeitsmarktpolitischer Meilenstein. Rund 3,6 Millionen Menschen profitieren von der gesetzlichen Lohnuntergrenze. Wir Grünen wollen eine Anhebung des Mindestlohns. Der Mindestlohn muss existenzsichernd sein, nicht nur für Alleinstehende, auch für Familien. Wir Grünen wollen keine Herabsenkung für Flüchtlinge, und wir wollen zukünftig keine Ausnahmen für Langzeitarbeitslose. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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