Gesetzlicher Mindestlohn ist gut für die Beschäftigten und die Gesellschaft – Niedriglohnsektor und prekäre Beschäftigung weiter eingrenzen

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen

Ausgangssituation

Seit dem 1. Januar 2015 haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Dieses bewirkt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor vor Dumpinglöhnen geschützt werden und sich die Zahl derer, die trotz einer Vollzeitbeschäftigung auf Sozialleistungen angewiesen sind, verringert. Derzeit gibt es zwar noch Übergangsregelungen zum gesetzlichen Mindestlohn für bestimmte Branchen und Berufsgruppen, aber ab dem Jahr 2018 wird der Mindestlohn auch für die letzte Berufsgruppe gelten.
Mehr als ein Jahr nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns lässt sich eine positive Bilanz ziehen. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) geht davon aus, dass bis zu 16,7%, also knapp über 1 Mio. Beschäftigte in NRW vom Mindestlohn profitieren und mehr verdienen als vorher. Entgegen der Bedenken von Arbeitgebern und einigen Wirtschaftsforschungsinstituten hält der gesetzliche Mindestlohn das, was er verspricht. Der gesetzliche Mindestlohn wirkt und leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass Beschäftigte im Niedriglohnsektor vor Dumpinglöhnen geschützt werden.
Da insbesondere Frauen sehr häufig in schlecht bezahlten Berufen arbeiten, profitieren sie besonders vom Mindestlohn. Der Mindestlohn ist so auch ein guter Schritt in Richtung „equal pay“. Dank des gesetzlichen Mindestlohns wird die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verringert, die trotz Vollzeitbeschäftigung auf Sozialleistungen angewiesen sind. Er leistet zugleich einen Beitrag für einen fairen und funktionierenden Wettbewerb und sorgt für mehr Stabilität in den sozialen Sicherungssystemen. Flächendeckende Preissteigerungen oder einen mindestlohnbedingten Konjunktureinbruch hat es nicht gegeben. Auch haben sich Befürchtungen von Mindestlohngegnern als nichtig erwiesen, dass durch das Mindestlohngesetz ein Bürokratiemonster geschaffen worden sei. Die Aufzeichnungspflicht über die geleisteten Arbeitszeiten ist richtig und wichtig, um Missbrauch zu vermeiden. Sie führt jedoch zu keinen bürokratisch bedingten Überforderungen bei den Arbeitgebern und erfordert auch keine gesonderte Form der Darstellung. Zudem hat das BMAS durch weitere aufklärende und unterstützende Maßnahmen dazu beigetragen, die Diskussionen über die Dokumentationspflichten zu versachlichen. In Ergänzung zu den Angeboten des Bundes und der Sozialpartner hat die Landesregierung weitere Informationsangebote aufgebaut und auf Veranstaltungen, Jobmessen und durch weitere öffentlichkeitswirksame Maßnahmen einen Beitrag zur Aufklärung und Verbreiterung der Akzeptanz des Mindestlohns geleistet.

Der gesetzliche Mindestlohn ist ein Garant für mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.

Der gesetzliche Mindestlohn ist ein Garant für mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. So gab es allein in Nordrhein-Westfalen von November 2014 bis November 2015 159 000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. In NRW, aber auch deutschlandweit, profitieren zahlreiche Menschen vom Mindestlohn, insbesondere Geringqualifizierte, Beschäftigte im Niedriglohnbereich und Minijobber/innen. Die Entwicklung der Zahl der Minijobs deutet darauf hin, dass ein erheblicher Teil der ehemaligen Minijobs in reguläre Beschäftigung umgewandelt wurde. So sank die Zahl der Minijobber im ersten Quartal überdurchschnittlich stark (rund -3% in NRW). Besonders hoch war der Rückgang von Minijobs im Wirtschaftszweig „Handel; Instandhaltung und Reparatur v. Kraftfahrzeugen“, in dem anteilig die meisten Minijobber arbeiten (18,8 %). Im Zeitraum von Juni 2014 und Juni 2015 sank dort die Zahl der Minijobber um 7,6 %. In den Branchen im Niedriglohnbereich, in denen Minijobs verbreitet sind, hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung deutlich zugenommen. In NRW gilt dies beispielsweise im Gastgewerbe (+6,6% zwischen Juni 2014 und Juni 2015) und im Segment Handel, Instandhaltung, Reparatur Kfz (+1,6% gleicher Zeitraum).
Eine aktuelle Studie aus dem Januar dieses Jahres („Ein Jahr Mindestlohn in Deutschland – Erfahrungen und Perspektiven“) des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) belegt in diesem Zusammenhang, dass die neue Lohnuntergrenze das Lohngefüge verändert hat. Es sind insbesondere weniger gute qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die klassischen Niedriglohnbranchen, die von den positiven Effekten seit der Einführung des Mindestlohns profitieren.
Durch den Mindestlohn sind die Verdienste kräftig gestiegen, ohne die derzeit gute Lage am Arbeitsmarkt zu beeinträchtigen. „Potenziell betroffen seien nach Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) zwischen 4,8 und 5,4 Millionen Beschäftigte, die im Jahr 2014 noch einen geringeren Stundenlohn als 8,50 Euro hatten“. Vor dem Hintergrund der bislang in sozialer und ökonomischer Hinsicht erfolgreichen Bilanz des Mindestlohns, der guten Lage am Arbeitsmarkt und den Entwicklungen im Bereich der Tariflöhne gibt es laut der WSI-Studie Anzeichen dafür, dass der Mindestlohn ab den kommenden Jahr steigen wird. Nach dem Mindestlohngesetz soll über die Anpassung des Mindestlohns die extra hierfür eingerichtete Mindestlohnkommission befinden, die sich paritätisch aus jeweils drei Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgebern sowie einem unabhängigen Vorsitzenden zusammensetzt. Die Mindestlohnkommission hat die Aufgabe, alle zwei Jahre über die Anpassung der Höhe des Mindestlohns zu beschließen, wobei erstmals ein Beschluss zum 30. Juni 2016 mit Wirkung zum 1.Januar 2017 gefällt werden soll.

Der Landtag stellt fest:

Der gesetzliche Mindestlohn ist ein erfolgreiches und wichtiges arbeitsmarktpolitisches Instrument, um prekärer Beschäftigung wirkungsvoll entgegenzutreten und die Chancen für viele Beschäftigte auf einen sicheren, sozialverträglichen Arbeitsplatz zu erhöhen. Der gesetzliche Mindestlohn leistet einen Beitrag für mehr soziale Gerechtigkeit unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist es gelungen, vielen Beschäftigten einen Weg aus Minijobs in reguläre Arbeit zu öffnen.
Der gesetzliche Mindestlohn hat zu deutlichen Lohnerhöhungen insbesondere in den traditionellen Niedriglohnbranchen geführt.
Entgegen aller Bedenken hat die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns keine negativen Effekte auf den allgemeinen Beschäftigungsmarkt nach sich gezogen. Ebenso sind seit seiner Einführung keinen negativen konjunkturellen Auswirkungen für die Gesamtwirtschaft aufgetreten.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • auch weiterhin alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Nordrhein-Westfalen einzudämmen. Im Rahmen der Landesinitiative „Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb“ soll die Landesregierung auch in den kommenden Jahren die erfolgreiche Implementierung des Mindestlohngesetzes in Nordrhein-Westfalen im Dialog mit Beschäftigten und Arbeitgebern eng begleiten und befördern;
  • sich im Rahmen der Evaluation des Mindestlohngesetzes auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass bestehende Ausnahmeregelungen  einer Überprüfung unterzogen werden, um das Gesetz gegebenenfalls weiterzuentwickeln;
  • sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, die missbräuchliche Nutzung von Werkverträgen und Dienstverträgen zur illegalen Arbeitnehmerüberlassung und zur Scheinselbständigkeit durch gesetzliche Regelungen wirksamer zu verhindern;
  • durch enge Zusammenarbeit der Arbeitsschutzverwaltung mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit die Überwachung der Bestimmungen des Mindestlohngesetzes sowie die Ahndung von Verstößen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu unterstützen, z.B. auch durch gemeinschaftliche Kontrollen.