Reiner Priggen: „Sind wir fit genug in diesem Bereich, oder kommen die neuen Techniken woanders her?“

Antrag auf Aktuelle Stunde zu Elektroautos

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Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rehbaum, ich fange für Sie mit einem Zitat von Kaiser Wilhelm an. Das musste ich eben nachgucken. Es gibt das berühmte Zitat von ihm:
„Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“
– Wir wissen, dass sich der Mann da geirrt hat.
Ich möchte es trotzdem erwähnen, weil die Diskussion um Motoren spannend ist: Die älteste Motorenfabrik der Welt war und ist bis heute in Nordrhein-Westfalen, in Köln-Deutz. Die Deutzer Motorenwerke, 1864 von Otto gegründet, produzieren seit 151 Jahren Motoren. Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach haben da gearbeitet. Auch Ettore Bugatti hat dort gearbeitet und in Köln-Mühlheim in einem Keller ein Rennauto entwickelt. Es besteht also eine uralte lange Tradition.
Trotzdem kann man das Gefühl bekommen, dass die Hochphase der Verbrennungsmotoren anfängt, aufzuhören, und wir uns in der Übergangssituation in Richtung Elektromobilität befinden. Wir wissen, dass die Verbrennungsmotoren technisch hervorragend sind. Aber wir kennen die großen Probleme, die wir gerade in den Ballungsräumen, in den Städten mit den Stickoxydbelastungen haben. Wir wissen, dass wir sie kaum wegbekommen.
Bei großen Motorenherstellern – wir sind neulich noch einmal bei den Deutzer Motorenwerken gewesen – geht mittlerweile die Hälfte der Kosten eines Motors in die Abgasbehandlung. Das heißt: Das Problem stellt sich uns, und es stellt sich uns immer stärker.
Deswegen ist es richtig, wenn man noch dazu weiß, dass ein Elektromotor ungefähr achtmal so lange wie ein Verbrennungsmotor hält, sich damit zu befassen. Wenn wir wissen, dass die Motorenherstellung und alles, was mit den Fahrzeugen zusammenhängt, der industrielle Kernbereich in der Bundesrepublik ist, stellt sich jetzt die Frage: Sind wir fit genug in diesem Bereich, oder kommen die neuen Techniken woanders her?
Nicht umsonst kommt der modernste und attraktivste Elektrowagen nicht von Mercedes, er kommt auch nicht von Porsche, sondern er kommt von Tesla, von einem Unternehmen, das mit Autoherstellung nichts zu tun hatte. Es ist nicht ganz aus der Welt, sich vorzustellen, dass Elektrofahrzeuge in unseren Ballungszentren unter Umständen demnächst von Apple oder Google kommen. Das wäre katastrophal gerade für unsere Automobilindustrie und die Arbeitsplätze, die daran hängen.
Deswegen ist es so wichtig, dass wir hier Startschritte machen und nicht die Augen zumachen vor dem Hintergrund des Skandals bei Volkswagen – des Betrugsskandals – um die Täuschung mit den Emissionswerten. Es wäre wichtig, dass unsere Autoindustrie Angebote auf den Markt bringt, die alltagstauglich sind und die für diejenigen, die die Autos kaufen sollen, akzeptabel sind.
Da gibt es das Hochpreissegment von Tesla, und es gibt das, was in Aachen mit dem StreetScooter entwickelt wurde, ein Niedrigpreissegment für kürzere Strecken, was den Nachteil der Elektromobilität, nämlich die Reichweite, ein Stück weit aufgreift, sodass es die Probleme nicht gibt.
Das, was wir machen müssen, ist, Einsatzmöglichkeiten bei uns zu nutzen: bei Bussen, bei Lieferfahrzeugen, bei Taxen, bei Pendlerfahrzeugen. Meines Erachtens werden wir nicht darum herumkommen, einen Anreiz zu setzen. Ich halte auch die Überlegung einer Anschaffungsprämie für richtig, um überhaupt in den Markt Bewegung hineinzubringen und dafür zu sorgen, dass unsere Autohersteller Angebote bringen. Sonst kaufen wir sie nachher woanders. Das wäre für das, was wir an Arbeitsplätzen in dem Bereich brauchen, jedenfalls die allerschlechteste Lösung.
Deswegen muss man die Bundesregierung natürlich daran messen, wenn sie sagt, 1 Million Elektrofahrzeuge bis 2020, und nicht meint, dass das Fahrräder sein sollen. Dann muss die Bundesregierung das auch irgendwann mit Maßnahmen hinterlegen. Das ist die Forderung. Wie das im Detail aussieht, wie diese Anreize aussehen sollen, darüber kann man streiten. Aber ohne die Anreize werden unsere großen Autounternehmen keine vernünftigen Angebote machen.
Zusätzlich müssen wir die Hausarbeit machen, nämlich Ladestationen und alles andere entwickeln, auch in den Kommunen. Wir müssen Parkhäuser haben, in denen man ein Fahrzeug aufladen kann, so wie wir es hier im Haus wahrscheinlich bekommen werden. Wir haben gehört, das Präsidium ist entsprechend am Arbeiten. Das alles sind vernünftige Begleitschritte. Auch die Standardisierung gehört dazu. Trotzdem braucht es den Schub, wenn wir nicht das, was an Arbeitsplätzen in dem Bereich daran hängt, verlieren wollen.
Deswegen ist die Aktuelle Stunde richtig gewesen. Es muss diskutiert werden. Wir werden auch in diesem Bereich vorangehen müssen, weil wir ansonsten genau diese Arbeitsplätze verlieren werden und sie woandershin abgeben werden. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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