Reiner Priggen: „Sie sollten zur Kenntnis nehmen, welche Anstrengung die Landesregierung unternimmt“

Antrag von CDU und FDP zur Wirtschaftspolitik

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Reiner Priggen (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen! Wenn man am Dienstag vor einer Plenarwoche in der Fraktionssitzung ist, ist man immer ganz gespannt: Welche Anträge haben die anderen Fraktionen eingereicht? Das ist sehr interessant, weil man natürlich wissen will, was in dem eigenen Bereich passiert.
Als ich den CDU-Antrag letzte Woche Dienstag das erste Mal gelesen habe – sechs Seiten, Wirtschaftspolitik –, habe ich anschließend gedacht: Kraut und Rüben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dann habe ich ihn einen Tag an die Seite gelegt, noch einmal geschaut und gedacht: Was soll das sein? Ich habe mir einmal den Spaß erlaubt und „Kraut und Rüben“ gegoogelt. Man bekommt 416.000 Ergebnisse. Ich habe dann gelernt, dass die Redewendung aus dem 17. Jahrhundert stammt und seinen Ursprung im gemeinsamen Anbau von Kohlkraut und Kohlrüben hat. Das ist, um es auf den Punkt zu bringen, der größte Erkenntniswert, den ich aus Ihrem Antrag bisher gezogen habe.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Heiterkeit und Beifall von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])
Der Beitrag, den Herr Dr. Bergmann eben dazu geleistet hat, macht doch deutlich, dass der CDU jeder Ansatz von ernsthafter Analyse über strukturelle Probleme und Schwächen im Bereich der NRW-Wirtschaft fehlt.
(Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU])
Er hat gesagt, seit 1991 gebe es die Probleme. Dazu hätte die Frage gehört, wenn man überhaupt nach vorn gehen will: Woher kommt das denn? Man kann doch gar nicht leugnen, dass wir in Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten gewisse strukturelle Probleme haben; Kollege Sundermann hat die Regionen im Strukturwandel angesprochen. Das hat damit zu tun, dass zwei Millionen Vollarbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen in den letzten 50 Jahren aufgrund des Strukturwandels weggefallen sind: über 600.000 Bergleute, mit Mantelbeschäftigung 1,3 Millionen.
Wer ein bisschen zurückschaut, der kann feststellen, welche Standorte die Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen hatte. Ich habe selber als Ingenieur in Dortmund bei Hoesch gearbeitet, auf Kaiserstuhl und auf Zollverein, als das alles noch in Betrieb war. Wer weiß, wie viele Hunderttausend Arbeitsplätze weggefallen sind, der weiß auch, dass es Jahrzehnte dauert, bis man den Strukturwandel hinbekommt.
Ähnlich ist es im Aachener Revier. Wenn man also nach vorne gehen will, muss man analysieren, woran es liegt und darum kämpfen, dass das aufgeholt wird. Das ist in NRW ohne soziale Verwerfungen gelungen.
Aber dann muss man nach vorne schauen, was die Kernbereiche sind. Herr Dr. Bergmann, ich habe, ehrlich gesagt, den Eindruck: Die Energiepolitik – in Nordrhein-Westfalen immer ein ganz entscheidendes Feld – fehlt bei der CDU völlig. Der letzte energiepolitisch strukturierte Beitrag, den Sie geleistet haben, war fast vor zehn Jahren, nämlich 2007 der Ausstieg aus der Steinkohlefinanzierung. Das war das letzte Mal, wo Sie strukturell überlegt und mitgemacht haben. Seit zehn Jahren gibt es bei Ihnen in dem Bereich eine strukturelle Schwäche.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Dann lese ich mir den Antrag durch und frage mich: Was kommt denn zu dem Kernbereich der Wirtschaftspolitik von der nordrhein-westfälischen CDU? Darin steht: Die CDU beklagt die willkürlich beschlossene Verkleinerung von Garzweiler II um ein Drittel der Fördermenge. – Das ist alles, was Sie zur Energiepolitik strukturell zu sagen haben. Das ist so was von ärmlich.
Der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis, einer der führenden deutschen Gewerkschafter, hat letzte Woche Freitag in Haltern am See die energiepolitischen Grundpositionen der IG BCE dargestellt und dazu gesagt: Die Braunkohle wird noch 15 Jahre Geld verdienen, und dann wird sie in Schwierigkeiten kommen. – Ich bin nicht sicher, ob der Mann nicht zu optimistisch ist. Das fehlt völlig in der Betrachtung der CDU zu dem Sachverhalt. Sie positionieren sich nicht. Sie klagen darüber, dass wir Garzweiler verkleinert haben. Die Menschen, die wir vor der Umsiedlung geschützt haben, wären 2030 und später umgesiedelt worden, also in 15 bis 20 Jahren. Das heißt, das Opfer wäre völlig unnötig gewesen, selbst nach Analyse der IG BCE.
Dazu kommt nichts von Ihnen, auch nicht an jeglicher inhaltlicher, programmatischer Diskussion. Sie wollen gern in einem Jahr die Regierung übernehmen, und Sie gehen so vor: Zu allen relevanten Themen sagen wir nichts mehr. Wir brechen die Litanei unserer Standardforderungen herunter, beschimpfen die Regierung und hoffen, dass es niemand merkt, dass wir damit eigentlich überhaupt keine Alternative sein können. – Das ist Ihr Weg. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wenn man sich den Antrag weiter durchschaut, stellt man fest, dass das nicht der einzige Bereich ist. Der Energiebereich ist nur konkret und für Nordrhein-Westfalen entscheidend. Alles, was nach vorne gemacht werden muss, fehlt bei Ihnen und jegliche eigene Positionierung.
Das ist auch nicht anders beim Breitbandausbau. Der Antrag – ich gehe einmal davon aus, dass Sie der Wirtschaftsminister gleich nicht loben wird für das, was darin steht; wir werden es ja hören – ist Schmalspur und nicht Breitband. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, welche Anstrengung die Landesregierung unternimmt. Wir garantieren nämlich, dass das, was aus dem Bundesförderprogramm fließt, vom Land komplett kofinanziert wird, sodass die Kommunen, die in der Haushaltssicherung sind und ihren Eigenanteil nicht aufbringen können, dadurch keinen Nachteil haben. Auch das garantiert das Land. Das ist also ein erheblicher Schritt.
Jetzt müsste man zusammen fragen: Wo bleibt denn der Bund? Kommt er mit seinen Richtlinien? Kommt er mit seinen Programmen? – Er kommt nicht. Auch dazu hören wir von Ihnen nichts, sondern es wird nur heruntergeleiert, Nordrhein-Westfalen schlechtgemacht und dann ein Stück weit die Regierung beschimpft.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ich kann nichts dafür, dass die Ergebnisse so sind, wie sie sind nach sechs Jahren Rot-Grün! Hammer!)
Das wird auf lange Sicht nicht tragen. Es muss immer noch Substanz in der Sache geben. Und die vermisse ich bei Ihnen ganz tief. – Herzlichen Dank. 

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