Arndt Klocke: „Wir sind Anwälte der Menschen, die ein hohes Mobilitätsbedürfnis haben“

Antrag der CDU zum Bau von Bundesfernstraßen

###NEWS_VIDEO_1###
Arndt Klocke (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Bei Herrn Voussem weiß man ja leider nie so genau, welcher Voussem gerade spricht.
Das war jetzt eben auch aus grüner Sicht ein Stück nachvollziehbar und mittragbar; denn auch wir würden ja sagen: ÖPP macht in Einzelfällen Sinn; wenn, dann muss das vernünftig durchgerechnet und durchgeplant sein.
Aber es gibt auch die andere Variante von Herrn Voussem. Wir kennen es von Pressemitteilungen und von gemeinsamen Diskussionen, vor Kurzem noch hier beim Verband Spedition und Logistik Nordrhein-Westfalen, wo Sie breit dafür geworben haben, dass die Finanzierungsperspektive im Straßenbau ÖPP zu sein hat. Da sind wir ganz klar auseinander.
Wenn Sie einmal ein Projekt vorlegen könnten, wo man sagen könnte, mit einer ÖPP-Finanzierung …
(Jochen Ott [SPD]: Wer ist jetzt ideologisch? – Gegenruf von Christof Rasche [FDP]: Diejenigen, die keine vernünftige Leverkusener Brücke machen!)
– Sie können sich gerne bilateral weiter austauschen. Ich mache trotzdem mit meiner Rede weiter. –Wenn es vernünftige Straßenverkehrsprojekte geben würde, bei denen man sagen könnte, von der Planung bis zur Umsetzung und zur Wartung habe eine ÖPP-Finanzierung bzw. ein ÖPP-Projekt funktioniert – und zwar nicht nach 30 Jahren unter der Formulierung „volkswirtschaftlich“, sondern es hat sich gerechnet, weil es für die Steuerzahler günstiger war, weil es schneller fertig war und weil es auch in der Wartung vernünftig war –, dann könnten wir sagen: Okay. Da können wir auch mitgehen. Aber es gibt in Deutschland von den zehn bis zwölf Projekten, die bisher mit ÖPP finanziert worden sind, kein einziges Straßenprojekt, dessen Kosten sich nicht deutlich gegenüber der Planung verteuert haben, das nicht langsamer umgesetzt worden ist und das letztlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht mehr gekostet hat.
Deswegen haben wir hier einen klaren Spalt. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie sich nicht bei den Länderverkehrsministern – einige aus Reihen der CDU oder aus CDU-geführten Koalitionen oder auch aus der CSU – einreihen, die letzte Woche bei der Verkehrsministerkonferenz noch 16:0 entsprechend entschieden haben.
Es gibt gute Argumente, die bisherige Finanzierungsstruktur grundsätzlich beizubehalten, nach Effizienzmöglichkeiten zu schauen, das Ganze zu beschleunigen und die Länder – das hat der Verkehrsminister in der Pressekonferenz erwähnt – bei ein paar Punkten auch straffer an die Zügel zu nehmen.
Aber bei einem grundsätzlichen Systemwechsel machen wir nicht mit. Und das steckt bei Herrn Dobrindt dahinter. Das steckt auch hinter Ihren Formulierungen: Wir wollen weg von der öffentlichen Finanzierung und von der öffentlichen Kontrolle. Wir gründen eine Bundesfernstraßengesellschaft, finanzieren sie über Mauteinnahmen und geben das Geld in diese eigenständige Gesellschaft. Dann wird in einer Mammut-Mega-Behörde auf Bundesebene entschieden, was in den Ländern an Straßenbau zu laufen hat, entzogen jeglicher parlamentarischer Kontrolle. – Da werden wir nicht mitgehen. Das ist ganz klar.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Deswegen haben wir gegen Ihren Antrag – wir haben ihn nicht nur schon einmal hier im Plenum debattiert, sondern hatten auch die entsprechende Anhörung dazu – unseren Entschließungsantrag gesetzt. Wir wollen an der öffentlich-rechtlichen Straßenverkehrsplanung festhalten.
Es hat bei Straßen.NRW in den letzten Jahren zahlreiche Reformschritte gegeben. Es gibt eine Neustrukturierung. Es gibt eine konzentrierte Spitze mit einer Person. Wir haben die Regionalniederlassungen geschaffen. Es wird dort effizienter geplant.
Das ist auch notwendig. Wir brauchen eine Beschleunigung bei den Planungen und bei der Umsetzung. Wir haben einen großen Sanierungsstau. Das ist zweifelsfrei so.
Aber alle Berichte, die vorliegen – Bodewig-Kommission, Daehre-Kommission mit Ihrem ehemaligem CDU-Verkehrsminister Daehre –, haben das auch entsprechend formuliert und vorangetrieben. Diese ganzen Berichte sind eindeutig. Es soll an der öffentlich-rechtlichen Planung und Struktur festgehalten werden, weil es zu viele Kritikpunkte gibt, wenn man einen Systemwechsel machen würde.
Was ist mit der Frage von Zersplitterung und Betriebsdienst? Was ist mit den Risiken bei den Vertragsmodalitäten? Was ist mit den Nachteilen für mittelständische Unternehmen, die sich für solche Aufträge nicht mehr bewerben könnten?
Für uns ist klar: Wir sind Anwälte der Menschen, die ein hohes Mobilitätsbedürfnis haben. Wir wollen die Straßen und die Infrastruktur in Schuss halten. Aber wir sind nicht die Anwälte von großen Bauunternehmen und Baukonzernen, die sich mit dieser ÖPP-Finanzierung entsprechende Vorteile versprechen. Deswegen lehnen wir einen Systemwechsel an dieser Stelle ganz klar ab, lieber Kollege Voussem.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Am Ende der Rede kurz zusammengefasst: Es steht an, dass wir eine Überjährigkeit bei der Finanzierung politisch durchsetzen müssen. Wir brauchen eine Beschleunigung von internen Verfahren. Wir müssen bei den entsprechenden Verfahren und Ausbauplänen eine Beteiligung der Länder an den Projekten grundsätzlich sicherstellen.
Wenn das auf den Weg kommt, werden wir die Effizienzgewinne, die Sie auch zu Recht einfordern, umsetzen können – aber bitte im bisherigen System mit Verbesserungen und nicht mit einem Systemwechsel.
Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab und empfehlen unseren Antrag zur Beschlussfassung. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)