Martina Maaßen: „Teilhaben geht nur mit gerechten Löhnen und guter Arbeit“

Antrag von SPD und GRÜNEN gegen Mißbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen

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Martina Maaßen (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Teilhaben – das geht nur mit gerechten Löhnen und guter Arbeit für alle. Deshalb wollen wir prekäre Arbeitsverhältnisse eindämmen, Minijobs ersetzen, den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen verhindern und das Tarifvertragssystem stärken.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Leiharbeiter fast verdreifacht. Ende 2014 waren 824.000 Menschen als Leiharbeiter beschäftigt. Meine Damen und Herren, Wirtschaft und Unternehmen benötigen Flexibilität. Sie benötigen Flexibilität, um Personalengpässe und Auftragsspitzen zu bewältigen. Leiharbeit und Werkverträge können hier eine Lösung sein.
Aber es gibt auch Missbrauch – Herr Bischoff sprach es schon an –, den es einzudämmen gilt, nämlich dann, wenn mit diesen Instrumenten ausschließlich Lohnkosten gesenkt werden, wenn für die gleichen Tätigkeiten, die das Stammpersonal verrichtet, schlechtere Löhne gezahlt werden. Leiharbeitskräfte und Werkvertragsnehmer müssen fair und gerecht entlohnt werden und mehr Planungssicherheit erhalten.
Durch die 2012 eingeführte Lohnuntergrenze und den Mindestlohn haben sich die Bedingungen bei der Leiharbeit verbessert. Dies reicht uns jedoch nicht aus. Es wird der besonders geforderten Flexibilität und dem Schutzbedürfnis der Leiharbeitskräfte nicht gerecht. Zudem sind Leiharbeiter häufiger von Arbeitslosigkeit bedroht. Mehr als 50 % der Beschäftigungsverhältnisse in der Leiharbeitsbranche enden bereits nach drei Monaten, und viele Beschäftigte werden wieder arbeitslos. Gleichzeitig wird von der Arbeitsagentur und den Jobcentern mit mehr als 30 % überdurchschnittlich häufig in die Leiharbeitsbranche vermittelt. Festzustellen ist: Hier entstehen Drehtüreffekte, die wir so nicht zulassen können.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass allein im zweiten Halbjahr 2013 rund 500 000 Leiharbeitsverhältnisse neu geschlossen, dafür aber auch 547 000 beendet wurden. Nur ein geringer Teil der Beschäftigten findet eine Festanstellung im Entleihbetrieb. Es sind – je nach Untersuchung – zwischen 7 und 10 %. Mit einer nachhaltigen Arbeitsintegration hat der hohe Anteil an Vermittlungen in Leiharbeit nichts zu tun.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Höhe der Eingliederungszuschüsse an Leiharbeitsfirmen hinweisen. Allein drei Leiharbeitsfirmen, bei denen in 2013 zusammen knapp 120 000 Leiharbeiter beschäftigt waren, erhielten 2013 und 2014 fast 10 Millionen € an Eingliederungszuschüssen. Aus grüner Sicht sind hier mehr Qualifizierung und Begleitung Langzeitarbeitsloser und weniger Eingliederungszuschüsse für Zeitarbeitsfirmen notwendig.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Beifall von Torsten Sommer [PIRATEN])
Im dritten Quartal 2015 lagen die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne für Leiharbeiter bei 13 €. In der Folge ist das Verarmungsrisiko von Leiharbeitern besonders groß. Ein überdurchschnittlich hoher Anteil muss aufstocken und zusätzlich zum Verdienst Grundsicherungsleistungen beantragen. Die aus Steuermitteln getragenen Aufstockungskosten bei Leiharbeitern sind beträchtlich. Sie betrugen 2014 fast 350 Millionen €.
Ich komme nun kurz zu den Werkverträgen. Klassische Werkverträge, mit denen Arbeitsaufträge mit gelegentlichem Charakter und spezialisierten Tätigkeiten extern vergeben werden, sind nicht zu kritisieren. Problematisch ist, wenn Stammbelegschaften durch Beschäftigte von Werkvertragsunternehmen ersetzt werden. Manche Unternehmen haben zweifelhafte Werkvertragskonstruktionen entwickelt. Extreme Beispiele finden sich in der Fleischbranche: Solo-Selbstständige, die ohne Anrecht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Kündigungsschutz ausschließlich mittels Werkvertrag für einen Arbeitgeber arbeiten.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Der vorliegende rot-grüne Antrag ist für uns Grüne ein erster Ansatzpunkt, den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen einzudämmen, ein erster Ansatzpunkt, weil wir Grünen hier nicht stehen bleiben wollen. Wir wollen eine weitere politische Debatte: gleiche Arbeit für gleichen Lohn ab dem ersten Tag auch für Leiharbeiter.
(Beifall von den GRÜNEN und Torsten Sommer [PIRATEN])
Wir wollen eine Prämie für Leiharbeiter als Ausgleich für höhere Risiken und Flexibilitätsanforderungen. Wenn gleicher Lohn und Prämie umgesetzt werden, kann auf eine Höchstüberlassungsdauer verzichtet werden. Leiharbeitskräfte sollten nicht in bestreikten Betrieben eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Informations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten der Betriebsräte gestärkt werden müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Beifall von Torsten Sommer [PIRATEN])

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