Manuela Grochowiak-Schmieding: „Inklusion bedeutet, Barrieren abzubauen, besser noch, sie möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen“

Antrag von SPD und GRÜNEN zu Frühförderung

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Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inklusion bedeutet, Barrieren abzubauen, besser noch, sie möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. Natürlich gehören dazu auch unterstützende Maßnahmen, die Teilhabe und mehr Selbstbestimmtheit ermöglichen, indem sie persönliche Potenziale identifizieren und fördern.
Nach intensiver Diagnostik erfolgt die gezielte individuelle Förderung mittels medizinischer Therapie, Physio-, Ergo-, Logotherapie und vieles mehr. Die Palette der Angebote ist hier sehr breit. Ein geeignetes Instrument hierzu ist, wie die Kollegin Dmoch-Schweren auch schon gesagt hat, die interdisziplinäre Frühförderung als Komplexleistung für Kinder mit Behinderung oder für von Behinderung bedrohte Kinder. Umfang und Inhalt der Leistung zur Früherkennung und Frühförderung sind im SGB IX geregelt. Es ist also eine bundesgesetzliche Regelung, die im Jahr 2003 geschaffen wurde. Danach muss medizinische Rehabilitation und heilpädagogische Leistung als Komplexleistung erfolgen.
Wie ebenfalls schon erwähnt, wurde bereits im Jahr 2005 in Nordrhein-Westfalen eine Landesrahmenempfehlung festgeschrieben mit dem Ziel, einerseits Vertragspartner zusammenzubringen, andererseits die Komplexleistung in einer interdisziplinären Einrichtung zu erbringen. Hier wurden Standards zur Leistungsausführung und auch beim Personaleinsatz konkretisiert.
Wir sehen allerdings auch, dass wir eine Konfliktlösung für die Familien herbeiführen müssen. Man muss sich klarmachen, dass es sich um persönliche Angelegenheiten handelt, bei der eben auch die persönliche Betroffenheit eine große Rolle spielt. Das birgt natürlich Konfliktpotenzial, weil hier verschiedene Systeme aufeinandertreffen. Insofern ist eine Schiedsstelle sicherlich der richtige Weg, um zur Lösung solcher Konflikte zu gelangen.
Vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik haben wir eine Studie erstellen lassen, die die Entwicklung der interdisziplinären Frühförderung in Nordrhein-Westfalen untersucht hat. Diese Studie belegt ganz deutlich die positive Wirkung für die Betroffenen. Vor allen Dingen ist deutlich geworden, dass es im Land keine Versorgungslücken gibt.
Gleichwohl ist aber auch klar geworden, dass die Strukturen der Leistungserbringung in den einzelnen Landesteilen sehr unterschiedlich sind. So werden Leistungen der Frühförderung nicht überall als Komplexleistung aus einer Hand angeboten, sondern auch über ärztliche Einzelverordnungen bei den jeweiligen Spezialisten. Auch fehlen landesweit gültige Standards.
Außerdem kann sich ein Förderbedarf nicht nur aus der Beeinträchtigung des Kindes ergeben, sondern unter Umständen aus der familiären Situation. In unserem Antrag haben wir extra auf Kinder gehörloser Eltern hingewiesen, die zum Beispiel eine Frühförderung bei der Sprachentwicklung benötigen können – nicht unbedingt müssen, aber oftmals ist es eben nötig. Auch die Kinder von Eltern mit kognitiver Beeinträchtigung, die in ihrer Elternschaft assistiert werden, brauchen unter Umständen eigene gezielte Förderung, um von Anfang an ihre persönlichen Potenziale uneingeschränkt entwickeln zu können.
Mit der Novellierung der Landesempfehlung hat die Landesregierung mit den Beteiligten Standards festgelegt. Es wird für mehr Transparenz bei der Fallkostenteilung gesorgt. Zu den bisherigen Kostenträgern und Verhandlungspartnern ist noch die Freie Wohlfahrtspflege als Vereinbarungspartnerin hinzugekommen.
Wir möchten, dass die Wirkung der Frühförderung alle drei Jahre überprüft wird. Wichtig ist auch, dass die Elternberatung in Zukunft mitfinanziert werden soll. Das ergibt die Chance, die Beratung der Eltern im Rahmen der Komplexleistung nicht nur rein kindbezogen, sondern auch familiensystembezogen zu gestalten. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass Frühförderung und alle Maßnahmen, die hiermit im Zusammenhang stehen, besonders nachhaltig dort wirkt, wo das familiäre und sonstige Lebensumfeld des Kindes mit einbezogen wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Im Bereich der Frühförderung ist also einiges im Fluss, und wir möchten daran anknüpfen.
Daher befürworten wir den flächendeckenden Ausbau interdisziplinärer Frühfördereinrichtungen. Denn es wird – wie auch in dieser Studie dargestellt – für die betroffenen Familien eine deutliche Erleichterung bringen, wenn medizinische und heilpädagogische Diagnostik und Therapie aus einer Hand kommen. Vertrauen, Planungssicherheit und auch Zeitmanagement sind hier wichtige Stichworte. Doppelleistungen und Therapielücken werden vermieden.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist überschritten.
Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Ich werde jetzt gleich zum Schluss kommen.
Darüber hinaus zeigt die Studie auch, dass das für die Kommunen im Grunde genommen kostengünstiger ist.
Wir wollen auch darauf achten, dass neben den interdisziplinären Frühfördereinrichtungen noch weitere Träger – nämlich Träger, die auch Solitärleistungen anbieten – von Bedeutung sein werden.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, …
Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Daher ist das auch ein Anreizsystem, so etwas flächendeckend auszubauen.
Zum präventiven Ansatz möchte ich zwei Abschlusssätze sagen. Wir denken, dass es ganz wichtig ist, …
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Sie haben Ihre Redezeit deutlich überschritten!
Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Es ist wichtig – das habe ich schon gesagt –, Kinder ohne Behinderung mit in den Fokus zu nehmen, weil auch das familiäre Umfeld eine Rolle spielt. Wir werden diesen Antrag im Ausschuss gemeinsam diskutieren, …
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Also, Frau Kollegin, …
Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): … und ich hoffe auf eine gute Beratung. – Vielen Dank.