Matthi Bolte: „Wir wollen eine Polizei, die den Bürgerinnen und Bürgern offen gegenübertritt und rechtsstaatlich und professionell handelt“

Antrag der CDU zu Bodycams bei der Polizei

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Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der „Rheinischen Post“ wurde gestern behauptet, dass diejenigen, die den Einsatz von Body-Cams kritisch sehen – ich zitiere –, „vor dem Datenschutz in die Knie“ gingen.
Nun ist Datenschutz ein gutes Argument, den Einsatz der Körperkameras kritisch zu sehen. Man kann immer sagen, dass es aus Sicht des Datenschutzes gut ist, wenn Daten nicht erhoben werden. Unsere Kritik, liebe Kolleginnen und Kollegen, bezog sich beim letzten Anlauf der CDU – Herr Kollege Golland hat ihn angesprochen – allerdings auf einen anderen Aspekt. Aus diesen Gründen, die ich jetzt vortragen werde, haben wir Ihren Antrag im letzten Jahr abgelehnt:
Wir fürchten einen Vertrauensverlust in die Polizei, wenn Bürgerinnen und Bürger 
(Gregor Golland [CDU]: In die Polizei? – Das ist das Problem!)
– ach, Herr Golland – sich den Polizistinnen und Polizisten in Nordrhein-Westfalen unbefangen nähern sollen, ist dem eine Kamera auf der Schulter möglicherweise abträglich. Wir wollen eine Polizei, die den Bürgerinnen und Bürgern offen gegenübertritt, rechtsstaatlich und professionell handelt. Und in dieser Hinsicht – Kollege Bialas hat es zitiert – gab es durchaus auch einige kritische Stellungnahmen seitens der Polizeigewerkschaften.
Herr Kollege Bialas hat gerade auch schon angesprochen, dass es dann um die Eigensicherung geht. Da lohnt sich ein Blick in die kriminologische Forschung. Die meisten Widerstandshandlungen, die meisten Gewalttaten geschehen immer noch im Affekt, ohne dass sich der Täter über die strafrechtlichen Folgen seiner Tat oder über eine Kamera auf der Schulter nachdenkt. Darum ist auch ihr ewig untoter Antrag zu Strafrechtsverschärfungen kein wirksames Mittel, um Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte vorzubeugen. Wir sagen ganz klar: Jede Polizistin, jeder Polizist, der im Einsatz verletzt wird, ist einer zu viel. Aber wir sollten darauf doch nicht mit einer Scheinsicherheit reagieren, sondern mit wirksamen Konzepten.
Den Abschreckungseffekt, den Sie in dieser Debatte immer wieder sehen wollen, belegen auch die Zahlen aus dem Frankfurter Modellversuch nicht. Die Fallzahlen von weniger als 40 Widerstandsfällen sind für eine generelle Aussage zu niedrig. All das wurde uns in der Anhörung präsentiert. Im gesamten Jahr vor dem Feldversuch gab es im ersten Versuchsjahr 25, parallel gab es aber auch ein komplett überarbeitetes Einsatzkonzept, sodass man einfach keine validen Schlüsse aus diesem Versuch ziehen konnte, ob denn dieser Rückgang an den Body-Cams liegt oder nicht .
Nun spricht nichts dagegen, sich die Modellversuche weiter anzuschauen und weiter auszuwerten, denn wir haben durchaus mitbekommen, dass es Beamtinnen und Beamte gibt, die für sich eine Steigerung der Sicherheit wahrgenommen haben, die die Kamera als Sicherheitsgewinn wahrnehmen. Aber an dieser Stelle muss man über Widersprüche nachdenken und die Debatte meines Erachtens versachlichen.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Bolte, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Golland zu?
Matthi Bolte (GRÜNE): Ja, sehr gerne.
Gregor Golland (CDU): Es gibt keine Tests in Nordrhein-Westfalen. Das ist nicht richtig. Es gibt aber natürlich die Tests in Hessen.
(Matthi Bolte [GRÜNE]: Das habe ich Ihnen doch gerade erklärt!)
Die werden von der regierungstragenden Fraktion der Grünen in Hessen mitgetragen. Daher nochmal meine Frage: Tragen Sie die Ankündigung von Frau Kraft zur Einführung von Body-Cams als Grüne in der Regierungskoalition mit?
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege Bolte.
Matthi Bolte (GRÜNE): Also, Herr Kollege Golland, ich habe Ihnen jetzt gerade ausführlich dargelegt, warum dieser Modellversuch in Hessen keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Wirksamkeit von Body-Cams zulässt. Und dann fragen Sie, was denn meine Meinung zu den Modellversuchen in Hessen ist. Ich habe es Ihnen gerade erklärt. Die Passage kann ich Ihnen gerne noch einmal vorlesen, wenn die Wiederholung zum Verständnis beiträgt.
Außerdem haben wir aus den Anhörungen diverse Erkenntnisse gewonnen, was auch einen möglichen Modellversuch angeht. Wir haben nämlich die Erkenntnis gewonnen, dass selbst ein Modellversuch, Herr Kollege Golland, nach sich ziehen würde, dass das Polizeigesetz geändert werden müsste. Ihnen ist ganz klar erklärt worden – ich erkläre Ihnen das an dieser Stelle sehr gern noch einmal –, dass es bisher nur nach § 15 b Polizeigesetz eine rechtliche Grundlage für die Videografie von Einsätzen gibt. Ein solcher Einsatz kann danach erstens aus einem Fahrzeug heraus und zweitens zum Zwecke der Beweissicherung erfolgen. Das sind Schranken, die Sie nur mit der Änderung des Polizeigesetzes überwinden können. Selbst für einen Modellversuch müssten wir also das Polizeigesetz ändern. Und man müsste dann eben schauen: Welche Güter müssen in einer solchen Situation gegeneinander abgewogen werden? Da muss man dann eben auch sehr genau auf die verfassungsrechtliche Abwägung von Grundrechten schauen.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie nach diesem ganz langen Satz eine Zwischenfrage des Kollegen Rehbaum zulassen?
Matthi Bolte (GRÜNE): Ja!
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.
Henning Rehbaum (CDU): Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Nachdem Sie jetzt mit einem langen Satz eine Frage beantwortet haben, die nicht gestellt worden ist, möchte ich diese Frage noch einmal wiederholen: Unterstützen Sie die Ministerpräsidentin bei der Einführung von Schulterkameras?
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, bitte.
Matthi Bolte (GRÜNE): Wir haben jetzt gerade schon eine sehr klare Haltung artikuliert.
(Lachen von Abgeordneten der CDU)
– Es ist schön, wenn in der letzten Bank der CDU darüber gelacht wird. – Wir haben ganz klar gesagt: Es spricht nichts dagegen, die Modellversuche aus anderen Ländern auszuwerten. Ich habe Ihnen aber auch sehr deutlich gesagt, lieber Kollege Rehbaum, warum wir den Modellversuchen in den anderen Ländern durchaus kritisch gegenüberstehen und weshalb diese Modellversuche eben nur in Teilen wirklich instruktiv sein können.
Darüber hinaus habe ich Ihnen – das ist sehr wohl in einem sehr engen Zusammenhang mit Ihrer Frage zu sehen –, dargelegt, was wir tun müssten, wenn wir solche Modellversuche in Nordrhein-Westfalen durchführen wollten. Wir müssten das Polizeigesetz ändern, und wir müssten eine grundrechtliche Güterabwägung vornehmen. Man müsste da sehr genau – das hat der Kollege Bialas eben ausführlich dargelegt – auf die Möglichkeiten schauen, die wir haben. Von den verfassungsrechtlichen Schranken her gesehen, besteht die einzige Möglichkeit in einer Änderung des Polizeigesetzes in dem Sinne, dass eine Eigensicherung von Beamtinnen und Beamten durchgeführt wird. Alles andere, was darüber hinausgeht – insbesondere das, was Sie in Ihrem Antrag ja gefordert haben –, ist nicht möglich. Sie haben in Ihrem Antrag ja nicht Body-Cams zur Eigensicherung gefordert, sondern Sie haben darin Body-Cams zur Beweissicherung für die Strafverfolgung gefordert. Da sind wir im Bereich der sogenannten Strafverfolgungsvorsorge. Diese befindet sich aber ausschließlich in Bundeskompetenz. Herr Golland, Sie mögen das Gesicht verziehen, aber so ist die Welt nun einmal. Es tut mir leid, dass das Grundgesetz so gestrickt ist, wie es ist, auch wenn Ihnen das nicht passt.
Es gibt eine Bundeskompetenz und eine Landeskompetenz. Und ich kann es nicht ändern, wenn Sie das stört. Sie müssen aber zumindest zur Kenntnis nehmen, dass das, was Sie in Ihrem Antrag gefordert haben, schlicht und ergreifend verfassungswidrig ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich komme konkret zum dritten Aspekt. Sie sprechen von Body-Cams als Reaktion auf Köln. Wir haben gestern gemeinsam – vier Fraktionen – in diesem Haus einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Diesem Untersuchungsausschuss dürfen wir nicht vorgreifen. Wir wissen aber aus den Diskussionen, dass es in der konkreten Situation Schwierigkeiten unter anderem deshalb gab, weil Einsatzkräfte fehlten.
Polizistinnen und Polizisten – das muss man an dieser Stelle allerdings sagen –, die nicht auf der Straße waren, hätten auch bei ihrer Anwesenheit auf der Straße keine Schulterkamera getragen. Insofern ist dieser Punkt, lieber Kollege Golland, eben auch nicht instruktiv im Hinblick auf eine mögliche Debatte über die Einführung von Body-Cams. Denn in Köln fehlte es nicht an Körperkameras, sondern an einer fundierten Lageeinschätzung. Dazu wären allenfalls Überblicksaufnahmen geeignet gewesen, aber nicht Aufnahmen aus einer Body-Cam.
Ich habe Ihnen gerade schon die verfassungsrechtliche Lage im Hinblick auf Strafverfolgung erklärt. Ihre Begründung bzw. Herleitung für den Antrag geht klar über das hinaus, was das Land an zulässigen Kompetenzen hätte.
Jetzt habe ich – insbesondere auch wegen Ihrer Zwischenfragen, die ich sehr gerne beantwortet habe – sehr lange Ausführungen gemacht. Ich habe auch jenseits des Datenschutzes, glaube ich, eine ganze Reihe von Argumenten gebracht, die möglicherweise zur Versachlichung der Debatte beitragen können. Sie als CDU-Fraktion haben sich diesen Argumenten bisher sehr erfolgreich verschlossen. Das hilft niemandem auf der Straße. Es hilft uns auch nicht in der innenpolitischen Debatte. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Kollege, würden Sie noch einen Moment hierbleiben? Es liegt eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Hegemann vor. – Herr Kollege Hegemann, Sie sitzen auf dem Platz von Herrn Laschet und haben jetzt das Wort.
Lothar Hegemann (CDU): Danke, Herr Präsident. Ich werde meistens übersehen; darunter leide ich.
(Heiterkeit)
Kollege, würden sie zur Kenntnis nehmen, dass die Ausschreitungen in Köln auch mit einer Schulterkamera nicht verhindert worden wären, dass aber eine Aufklärung durch die 60, die sie gehabt hätten, wesentlich besser gewesen wäre als das, was wir jetzt an verschwommenen Bildern haben?
Sie können aber nicht sagen, die anderen hätten die ja nicht gehabt, und es wäre alles so gelaufen wie bisher, was sein mag, aber wir wären einen gehörigen Schritt weiter.
Nun zur als Beweissicherung! Ihnen ist bekannt, dass Dash Cameras in Deutschland verboten sind. Sie wissen aber auch, dass viele Gerichte und viele Polizisten sehr dankbar für solche Filmaufnahmen sind, wenn es darum geht, Verkehrsdelikte zu ahnden. Sie wissen also, dass die Aufnahme mit einer Dashcam trotz des Verbots vor Gericht oft als Beweis zugelassen wird.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege Bolte.
Matthi Bolte (GRÜNE): Lieber Kollege Hegemann, Sie haben Ihren Beitrag mit einer Frage eingeleitet, ob ich bereit bin, das zur Kenntnis zu nehmen. Ja, ich bin bereit, das zur Kenntnis zu nehmen.
Nichtsdestotrotz habe ich Ihnen gerade erläutert, dass wir, um das zu erreichen, was Sie wollen, das Polizeigesetz ändern müssten. Es aus der Motivation, die Sie, Herr Kollege Hegemann, gerade vorgetragen haben, zu ändern, wäre verfassungsrechtlich nicht zulässig, um eine entsprechende Änderung des Polizeigesetzes herbeizuführen. Wenn Sie möchten, sage ich Ihnen diesen Satz noch dreimal. Vielleicht haben auch Sie ihn dann verstanden.
(Beifall von den GRÜNEN)

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