Monika Düker: „Sehen Sie bitte das ganze Bild“

Antrag der CDU zur Wohnsitzauflage von Asylbewerbern

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Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn der Vortrag hier bislang sehr sachlich verlaufen ist, so wird aus unserer Sicht in dem Antrag der CDU der dritte Schritt vorweggenommen, Frau Scharrenbach. Davor müsste man eigentlich zunächst zwei andere Schritte klären.
Grundsätzlich können wir Wohnsitzauflagen nach nationalem Recht erteilen. Aber es gibt ja auch noch ein europäisches Recht. Hier wird es schon etwas schwieriger. Denn wir müssen hier erst integrationspolitische Gründe erläutern und vortragen – die haben Sie in Ihrem Antrag aus meiner Sicht nicht hinlänglich dargestellt; die Hürde ist sehr hoch –, warum wir hier die nach Art. 26 der Genfer Flüchtlingskonvention garantierte Freizügigkeit für anerkannte Flüchtlinge einschränken wollen.
Es gibt schon einen Ausschluss, warum man das nicht so einfach kann, nämlich – das führen Sie allerdings als Begründung auf – ist eine Einschränkung nicht mit der Begründung „ungerechte Verteilung der Soziallasten“ möglich. Das hat das Bundesverwaltungsgericht 2008 ausdrücklich entschieden, dass dies eben nicht mit der GFK vereinbar ist.
Wenn Sie hier die Kosten der Unterkunft anführen, ist das richtig. Wir wollen deswegen in Form einer Integrationsoffensive, die es jetzt geben muss, genau an dieser Stelle weiterkommen. Wir wollen, dass der Bund die Kosten der Unterkunft übernehmen muss. Doch wir können das aber nicht – das ist so; so ist die Rechtsprechung – als Grund anführen, um hier solche Auflagen zu erteilen.
Weiterhin hat das Bundesverwaltungsgericht den Europäischen Gerichtshof zu der Frage angerufen – das Verfahren ist nach wie vor anhängig –, inwieweit eine Einschränkung auch nach Art. 33 der Asylqualifikationsrichtlinie für subsidiär Geschützte möglich ist. Denn nach unserer nationalen Rechtslage gibt es das schon für subsidiär Geschützte.
Vorgelegt wird die Fragestellung, ob eine Wohnsitzauflage eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit im Sinne von Art. 33 Anerkennungsrichtlinie darstellt, und für den Fall, dass eine solche Einschränkung vorliegt, ob diese durch das Ziel einer angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten bzw. – die Frage werfen Sie auch auf – durch migrations- oder integrationspolitische Gründe wie die Vermeidung sozialer Brennpunkte gerechtfertigt sein kann. Genau diese Fragestellung liegt derzeit beim EuGH zur Entscheidung vor, wie gesagt, für den Bereich der subsidiär Geschützten. Je nachdem, wie der EuGH diese Frage beantwortet, würde das erst recht auch für die anerkannten Flüchtlinge gelten.
Nach allem, was ich darüber gelesen habe, wie sich hier der Generalanwalt einlässt, ist nicht unbedingt ausgemacht – vielmehr ist es eher unwahrscheinlich –, dass hier mir nichts dir nichts vom EuGH für uns als Bundesrepublik Deutschland eine Möglichkeit eröffnet wird, aus diesen sehr niedrigschwellig formulierten integrationspolitischen Gründen heraus eine nationale Wohnsitzauflage zu erteilen. Das ist der erste Schritt. Ich finde, da sollte man erst einmal die Entscheidung abwarten, bevor wir hier etwas Neues in die Welt setzen, wovon auch noch keiner richtig weiß, ob das überhaupt Bestand hat.
Jetzt kommt der zweite Punkt. Diese Frage haben Sie auch nicht beantwortet. Meine nächste Frage wäre: Wer entscheidet das? Und vor allen Dingen: Wer kontrolliert das? Ob der Vollzug einer solchen Auflage – unter Umständen durch Ausländerbehörden, kommunale Behörden oder Landesbehörden – in der derzeitigen Situation im Verhältnis den gewünschten Effekt zeitigt, ist für mich eine Frage, die noch nicht entschieden ist.
Wenn diese Fragen entschieden sind, dann kann man auf dieser Grundlage klären, inwieweit wir im Rahmen des möglichen nationalen Spielraums unter integrationspolitischen Aspekten tatsächlich sinnvoll eine Verteilung vornehmen können.
(Michael Hübner [SPD]: Das kann man alles machen!)
Aber bitte – das habe ich schon mehrfach gesagt; ich habe gestern und heute hier schon öfter geredet – blenden Sie nicht immer die Hälfte der Wahrheit, die Hälfte der Wirklichkeit aus. Sie schauen nämlich nur auf die andere Hälfte, mit der Sie vielleicht einen Punkt nach vorn machen können. Sehen Sie bitte das ganze Bild.
(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])
Deswegen lassen Sie uns ganz sachlich, ganz ruhig zunächst diese beiden Punkte klären und auf der Grundlage dann eine sachliche Debatte über diese Frage führen. Die sehe ich derzeit noch nicht.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

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