Monika Düker: „Wir stehen für einen ehrlichen und pragmatischen Umgang mit diesem Instrument“

Antrag der Piraten gegen Videoüberwachung

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Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die gesetzliche Grundlage in Nordrhein-Westfalen, auf der die Polizei Videoüberwachung im öffentlichen Raum durchführen darf, gibt in ihrer jetzigen Form – mit kleinen Änderungen – seit 2003.
Seinerzeit habe auch ich an diesem Gesetz mitgewirkt. Uns war damals wichtig, mit der Videoüberwachung im öffentlichen Raum nicht eine Scheinsicherheit zu schaffen. Wir wollten aber auch nicht eine gesetzliche Grundlage für eine flächendeckende Videoüberwachung in Nordrhein-Westfalen schaffen.
In unserem Polizeigesetz ist geregelt, dass Videobeobachtung nur an Kriminalitätsbrennpunkten, die tatsächlich nachgewiesen sind, eingesetzt werden darf; dass die Straftaten, die dort begangen werden, auch an den Ort gebunden sind und dass es nicht zu Verdrängungseffekten kommt. Zudem muss eine Prognose über weitere Straftaten vorliegen. Nur dann – und nur dann! – darf Videoüberwachung in Nordrhein-Westfalen durch die Polizei in öffentlichen Räumen durchgeführt werden.
Die Polizeipräsidenten in unserem Land sind sehr sparsam damit umgegangen. Ich glaube, Polizeipräsidenten – Praktiker – sind oftmals weiter als die Politik. Es gibt derzeit nur in Mönchengladbach und in Düsseldorf eine polizeiliche Videoüberwachung, eine Videobeobachtung im öffentlichen Raum.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, entschuldigen Sie, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Herrmann zulassen?
Monika Düker (GRÜNE): Ja.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte.
Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben gerade die Voraussetzungen erwähnt, unter denen ein Ausbau bzw. ein Einsatz der Videoüberwachung laut Polizeigesetz möglich ist. Wollen Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir mit dem Antrag die Vorlage eines Berichts erwirken wollen, und zwar auf der Grundlage des Beschlusses, wie er jetzt für die Kölner Ringe gefasst wurde? Diese Berichte möchten wir gerne vorliegen haben. – Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das der einzige Inhalt dieses Antrags ist?
Monika Düker (GRÜNE): Das nehme ich gerne zur Kenntnis. Aber dann hätten Sie hier einen solchen Antrag nicht zu stellen brauchen, wenn das so ist. In § 15a Abs. 5 PolG NRW – ich zitiere – steht nämlich:
„§ 15a tritt am 31. Juli 2018 außer Kraft. Die Auswirkungen dieser Vorschrift und die praktische Anwendung werden durch die Landesregierung unter Mitwirkung einer oder eines unabhängigen wissenschaftlichen Sachverständigen geprüft. Die Landesregierung berichtet dem Landtag über das Ergebnis der Evaluierung.“
Ich gehe mal davon aus, dass sich die Landesregierung auch an dieses Gesetz hält. Dafür brauchen wir jetzt hier Ihren Antrag nicht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Von daher nehme ich das – das ist klar – gerne zur Kenntnis.
Ich würde aber gerne noch einmal darauf abstellen – weil das jetzt oftmals in den Medien so dargestellt wird, warum wir die Videoüberwachung ausbauen wollen –, was sie nicht kann und was sie auch nicht darf. Das ist wichtig, das noch einmal zu erwähnen.
Die Polizei darf sie gar nicht präventiv zur möglichen Beweissicherung einsetzen. Vielfach heißt es ja – ich habe es heute Morgen erst wieder in einem Kommentar, ich glaube, in der „Rheinischen Post“ gelesen –: Warum macht ihr das nicht? Man kann damit nachher doch die Täter fassen!
Dem entgegne ich: Nein, das dürfen wir nicht. Das Bundesverfassungsgericht nimmt hier sehr klar – das ist in der Tat schwer vermittelbar – die Abgrenzung vor, was wir überhaupt dürfen und was wir nicht dürfen. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen darf präventiv mit der Begründung der Beweissicherung – falls dort irgendetwas passieren sollte – keine Plätze überwachen. Diese Begründung steht dem Verfassungsrecht entgegen. Das will ich noch einmal ausdrücklich sagen, weil auch GdP-Vorsitzende in diesem Land dies immer wieder als Begründung anführen. Da sollte man jedoch redlich sein. Diesem Landtag sollte das Selbstverständnis innewohnen, dass sich die Legislative selbstverständlich an Verfassungsvorgaben hält.
Zweiter Punkt. Was kann Videoüberwachung das denn überhaupt leisten? Wenn etwas passiert – das ist, wie ich finde, die wesentliche Voraussetzung für den Einsatz dieser Kameras –, muss die Polizei schnell vor Ort sein und helfen. Denn ansonsten ist das eine Scheinsicherheit für die Opfer, die sich sicher fühlen; wenn dann aber etwas passiert, ist die Polizei nicht da, um ihnen zu helfen.
Das ist eine wichtige Voraussetzung. Denn dies erfordert dann wiederum nicht nur das Personal, das die Bildschirme überwacht, sondern auch frei verfügbare Kräfte, die sehr schnell vor Ort sein können.
(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD] TC „Hans-Willi Körfges (SPD)“ f C l „5“ )
Deswegen ist es so wichtig, dass wir die Videoüberwachung – das haben aber bis jetzt auch alle gesagt – nicht als Allheilmittel betrachten und sie nicht überall zur Sicherheit einsetzen können oder sollten, weil ansonsten Scheinsicherheit suggeriert wird.
Dieses Problem ist in Düsseldorf gut gelöst. Dort sind diese Voraussetzungen erfüllt. Der Kriminalitätsbrennpunkt ist tatsächlich an die Örtlichkeit gebunden. Da trifft man sich am Wochenende, auch nachts, um Straftaten zu begehen. So ist das einfach.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage; diesmal von Herrn Olejak. Lassen Sie sie zu?
Monika Düker (GRÜNE): Ja, immer gerne.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte.
Marc Olejak (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Düker, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen. Sie erwähnten gerade, dass ein ausschlaggebendes Argument die Erreichbarkeit des möglichen Tatortes für die Polizei ist. Da stellt sich mir eine andere Frage. In Düsseldorf ist ja die Polizeiwache – ich als Düsseldorfer weiß das – …
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, stellen Sie bitte Ihre Frage!
Marc Olejak (PIRATEN): … in der Altstadt direkt 50 m in Reichweite. Wie weit ist denn die nächste Polizeiwache von den Kölner Ringen überhaupt entfernt? Kann man das da überhaupt rechtfertigen?
Monika Düker (GRÜNE): Ich gehe umgekehrt heran, Herr Kollege. Wenn Videoüberwachung eingesetzt wird, müssen – damit es nicht zu einer Scheinsicherheit führt – diese Voraussetzungen gegeben sein oder eben geschaffen werden.
In Düsseldorf – das ist richtig – sind sie gegeben. Die Polizeiwache ist um die Ecke;
(Marc Olejak [PIRATEN]: Also wollt ihr eine neue Wache bauen?)
sie ist innerhalb von einer Minute zu erreichen. Das ist hier der Gewinn dieser Kameras. Die sind ja auch nicht ständig im Einsatz, sondern dann, wenn dort – ich sage mal – die Post abgeht, nämlich nachts an Wochenenden. Dann schafft es die Polizei, in weniger als einer Minute vor Ort zu sein und größeren Schaden zu verhindern. Wenn eine Schlägerei anfängt, kann die Polizei sofort da sein, bevor es in eine Massenschlägerei ausartet.
Das Düsseldorfer Konzept können wir vor Ort – auch ich als Grüne – und für das Land absolut mittragen, weil hiermit tatsächlich ein Sicherheitsgewinn verbunden ist.
Das ist für mich – ganz nüchtern betrachtet – die wesentliche Voraussetzung. Das Gesetz haben wir. Wir entscheiden nicht parteipolitisch, wo jetzt Videokameras aufgebaut werden, weil das gerade gut in meinen Wahlkreis passt, sondern wir halten uns an die gesetzliche Grundlage: Es muss geeignet sein. Es muss erforderlich sein. Es muss ein Brennpunkt nachgewiesen werden. Die Polizei muss vor Ort sein können, wenn etwas passiert, und sie muss die Bildschirme beobachten können. Dann – und nur dann – trägt das Ganze zu mehr Sicherheit bei.
Herr Schittges, Sie haben vorhin mal eben aus dem Ärmel geschüttelt: Wenn wir das alles hätten, dann wäre die Sache in Köln nicht passiert. – Das ist leider falsch.
(Winfried Schittges [CDU] schüttelt den Kopf.)
Das kann Videoüberwachung nicht leisten. So ehrlich sollten wir sein. Die Abschreckungswirkung im Bahnhof von Köln war offenbar nicht gegeben; denn dort hängen überall Kameras. Der ganze Bahnhof wird massenhaft von Kameras überwacht. Trotzdem haben diese Taten dort leider stattgefunden.
Das heißt: Wenn wir den Menschen mit dem Installieren der Videokameras tatsächlich mehr Sicherheit bieten können – ich bin dafür, wenn genau das funktioniert –, dann müssen wir dies entlang dieser Kriterien tun. Denn ansonsten – da bin ich wieder bei dieser Symbol- und Aktionismuspolitik – erreichen wir am Ende nichts.
Wir dürfen als Antwort auf diese schrecklichen Vorfälle von Köln keine Scheinlösungen anbieten, um politische Geländegewinne zu erzielen. Wenn die Opfer am Ende nicht merken, dass mehr Sicherheit vorhanden ist und dass sie besser geschützt werden, dann verlieren wir Vertrauen.
Wir Grüne stehen für einen ehrlichen und pragmatischen Umgang mit diesem Instrument, und genauso werden wir zukünftige mögliche Standorte für Videoüberwachung bewerten. Dann wird auch mehr für die Sicherheit in diesem Land dabei herauskommen. – Schönen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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