Hans Christian Markert: „Wir brauchen ein neues Wertstoffgesetz mit einem integrativen Ansatz“

Antrag von SPD und GRÜNEN zum Wertstoffgesetz

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Hans Christian Markert (GRÜNE): Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht ganz einfach, so kurz vor dem Grande Finale, kurz vor Weihnachten, bei einem etwas drögen Thema wie dem Wertstoffgesetz Begeisterungsstürme hervorzurufen.
(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das wird Ihnen gelingen! – Heiterkeit bei Jochen Ott [SPD])
Ich will zumindest versuchen, Ihnen die schwierige Materie ein bisschen nahezubringen. Zu Weihnachten ist es bei uns ein guter Brauch, Geschenke auszutauschen. Diese sind meistens aufwendig verpackt. Bei uns macht das meistens meine Frau, weil ich das nicht so gut kann.
(Jochen Ott [SPD]: Du gibst dir nur keine Mühe! – Minister Johannes Remmel: Du willst es bloß nicht! – Lukas Lamla [PIRATEN]: Schatz, machst du das mal? Ich kann das nicht!)
Wenn man diese schönen Geschenke ausgepackt hat, sind sie in der Regel auch noch umverpackt, und Umverpackung ist meist ein schönes Wort für Kunststoffverpackung. Diese Kunststoffverpackungen fliegen dann in den Gelben Sack oder in die Gelbe Tonne.
Seit vielen Jahren sortieren wir nun schon in Deutschland unseren Müll, waschen unsere Joghurtbecher und werfen sie dann in den gelben Sack oder in die gelbe Tonne.
Anders aber als viele Bürgerinnen und Bürger und vielleicht auch einige von Ihnen denken, wandert der Großteil von dort aus nicht in die stoffliche Aufbereitung und Wiederverwendung, sondern zu einem überwiegenden Teil in die Öfen der Müllverbrennungsanlagen; thermische Verwertung heißt das dann im Fachjargon. Dabei sehen die europäischen Abfallrechtsvorgaben doch eine Stärkung der stofflichen Verwertung, also der Kreislaufidee, vor. Längst sind unsere Abfälle – gerade auch die Abfälle mit dem berühmten grünen Punkt – als Wertstoffe wertvolle Rohstoffe der Zukunft.
Umso gespannter – nicht nur vor Weihnachten – durfte nun das Ergebnis des langen Beratungsprozesses um ein neues Wertstoffgesetz des Bundes erwartet werden. Schon die im Sommer vorgelegten Eckpunkte der Großen Koalition in Berlin bestärkten jedoch diejenigen, die den Lobbyisten des dualen Systems großen Einfluss zumindest auf Teile der Bundesregierung bescheinigten. Und das Schlimme an diesem dualen System ist, dass es eigentlich gar nicht so wundervoll dual ist. Vielmehr ist es, was die Verteilung der Mittel und vor allem die Einnahmeseite angeht, ziemlich einseitig.
Was uns nun aber der Entwurf eines neuen Wertstoffgesetzes im Oktober offenbarte, bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
(Norwich Rüße [GRÜNE]: So ist das!)
Er ist als politisches Weihnachtsgeschenk völlig durchgefallen und eher ein Entwurf für die Altpapiersammlung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der Arbeitsentwurf der Bundesregierung treibt die einseitige Privatisierung der Wertstoffentsorgung voran. Gemäß dem Entwurf sollen Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen vollständig den Systembetreibern übertragen werden.
Den Kommunen, die gemeinsam mit ihren öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern von den Bürgerinnen und Bürgern bei allen Fragen der Abfallentsorgung als zentrale Ansprechpartner gesehen werden, verbleiben nach dem Entwurf der Bundesregierung lediglich schwache und rechtlich kaum durchsetzbare Handlungsmöglichkeiten, und das Risiko steigender Müllgebühren liegt weiterhin bei den Bürgerinnen und Bürgern.
Übrigens – Kolleginnen und Kollegen von der FDP sind auch noch da – lehnen auch viele private Entsorgungsunternehmen die Fortschreibung des bisherigen Systems der Verpackungsverordnung ab. Sie fordern eine einfache und effiziente Weiterentwicklung der Wertstofferfassung und setzen auf die Kooperation mit den Kommunen. Gemeinsam ließe sich auch die verpflichtende Einführung einer Wertstofftonne zur Sammlung aller wichtigen Wertstoffe unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten bewerkstelligen. – So die privaten Entsorger.
Die Regelungen zur Stärkung der Produktverantwortung in diesem Gesetzentwurf sind bei Weitem nicht ausreichend und haben nur appellativen Charakter. Durch die weitgehende Unbestimmtheit der Definition der stoffgleichen Nichtverpackung werden Fehlanreize gesetzt, und das Setzen von Rechtsfolgen wird erschwert. Das Festhalten am dualen System bzw. sogar dessen Stärkung macht eine zukunftsfähige und damit nachhaltige Wertstoffbehandlung unmöglich. Dieses System ist nicht reparaturfähig.
Eine stoffliche Verwertung von Verpackungsmaterialien in Verantwortung der Systembetreiber findet de facto nicht statt. Noch immer werden über 90 % der Verpackungsmaterialien thermisch behandelt. Insofern ist der Gesetzentwurf schon jetzt ökologisch gescheitert.
(Beifall von den GRÜNEN)
Fazit, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir brauchen ein neues Wertstoffgesetz mit einem integrativen Ansatz, der Ressourceneffizienz und eine umfassende Ressourcenwirtschaft zum politischen Leitgedanken bei Siedlungs- und Gewerbeabfällen macht, mit der Einführung einer Wertstofftonne, um hohe Erfassungsmengen und qualitativ anspruchsvolles Recycling sicherzustellen, mit einer Erfassung und Sammlung von Wertstoffen, mit einer Organisationshoheit, die bei den Kommunen liegt, mit der Einrichtung einer zentralen öffentlich-rechtlichen Stelle auf Bundesebene zum Vollzug und zur Kontrolle der Wertstoffsammlung unter Beteiligung der Bundesländer, mit der Abschaffung des dualen Systems und einer damit einhergehenden Entbürokratisierung sowie die Erweiterung der Produktverantwortung der Hersteller und Vertreiber mit dem Ziel, dass Lizenzentgelte gestaffelt nach ökologischen Kriterien unter dem Gesichtspunkt der Recyclingfähigkeit und Nachrangigkeit der thermischen Verwertung erhoben werden.
So lauten unsere Ziele in unserem Antrag. Damit werden wir in die Fachausschussberatung gehen. Ich freue mich, im neuen Jahr mit Ihnen über diese Themen diskutieren zu können.
Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und uns allen ein friedlicheres Jahr 2016. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Jochen Ott [SPD]: Und deiner Frau, dass du dir ein bisschen mehr Mühe gibst dieses Jahr!)

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