Monika Düker: „Hier geht es darum, dass wir, wenn schon die Abschiebehaft durch einen Richter angeordnet wird, den Vollzug so anständig wie möglich gestalten“

Gesetzentwurf zur Abschiebehaft und Asylbewerberleistungsgesetz

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Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Lohn, so revolutionär ist das hier alles gar nicht. Der Innenminister sitzt da auch noch ganz relaxed. Insofern denke ich, dass dieses Gesetz nichts mit Revolution zu tun hat. Es hat vielmehr mit unserem Ziel zu tun, dass wir, wenn wir hier auf Landesebene schon die Abschiebehaft – ein rechtsstaatlich äußerst umstrittenes Instrument – vollziehen müssen, dann auch den Anspruch haben, den Vollzug menschenwürdig, anständig und so humanitär wie möglich auszugestalten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es ist müßig, hier im Landtag darüber zu streiten. Aus grüner Sicht ist Abschiebehaft eigentlich ein unwürdiges Instrument für einen Rechtsstaat; denn hier werden Menschen, die nichts angestellt haben bis zu 18 Monaten inhaftiert. Ich glaube – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Lohn –, dass das durchaus verzichtbar ist. Aber darum geht es hier im Landtag gar nicht. Hier geht es darum, dass wir, wenn schon die Abschiebehaft durch einen Richter angeordnet wird, den Vollzug so anständig wie möglich gestalten.
Mit diesem Gesetz vollziehen wir einen Paradigmenwechsel; denn wir wollen, dass gerade diese Standards, die im Strafvollzugsgesetz zu Recht humanitär ausgestaltet sind – im Hinblick auf die Sicherheitsbelange sich jedoch unterscheiden –, in der Abschiebehaft noch anders ausgestaltet werden. Dazu gehören Einschlusszeiten, die so, wie sie im Strafvollzug gelten, nicht nötig sind. Dazu gehört für die Inhaftierten die Möglichkeit, zu telefonieren. Dazu gehören auch Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Ebenfalls dazu gehört die Möglichkeit, eine anständige Beratung zu bekommen; denn wir wissen, dass sehr viele Haftanordnungen wieder zurückgenommen werden, weil sie letztlich nicht in Ordnung waren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Lieber Herr Kollege Lohn, das alles hat nichts mit Abschiebehaftromantik zu tun. Ich finde es zynisch, das so zu beschreiben, wenn wir uns hier bemühen, einen menschenwürdigen, einen humanitären Umgang mit der Abschiebehaft herbeizuführen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigung, Frau Kollegin …
Monika Düker (GRÜNE): Nein, ich möchte erst noch einen Satz sagen. Herr Lohn, vielleicht sollten Sie sich die Rede Ihrer Kanzlerin noch einmal anhören. Darin hat Sie sehr eindrücklich an das „C“ in Ihrem Parteinamen erinnert. Davon habe ich in Ihrer Rede heute nichts mehr gemerkt. Das sage ich Ihnen auch.
(Beifall von den GRÜNEN)
Eine Zwischenfrage? – Bitte jetzt. – Herr Lohn, was meint denn das „C“? Vielleicht können Sie mir das auch noch einmal beantworten.
Werner Lohn (CDU): Frau Düker, ich bedanke mich bei Ihnen, dass ich die Zwischenfrage stellen darf. Bisher habe ich das immer so verstanden, dass der Fragesteller die Fragen stellen darf und nicht umgekehrt.
Habe ich es richtig verstanden, dass die Grünen grundsätzlich gegen jede Art von Abschiebehaft sind, Sie heute aber dem Abschiebehaftgesetz in der vorliegenden Form zustimmen werden? Das ist der erste Teil.
Der zweite Teil: Nennen Sie mir jetzt einmal ein Beispiel für einen Gegenstand, von dem die Gefahr der Beleidigung ausgeht. Sie wollen diese Gegenstände verbieten; sie sollen den Leuten weggenommen werden. Bisher waren Sie nie in der Lage oder willens, beispielhaft einen Gegenstand zu benennen. Es täte einmal gut, dies dem Volk um der Klarheit willen mitzuteilen. Sagen Sie, was sind beleidigende Gegenstände?
Monika Düker (GRÜNE): Zunächst: Entschuldigen Sie jetzt die Belehrung, aber Sie bringen da etwas durcheinander, Herr Lohn. Wir stimmen heute nicht über die Abschiebehaft ab. Ja, wir sind dagegen. Das ist aber ein Bundesgesetz.
Wir stimmen heute vielmehr über die Gestaltung des Abschiebehaftvollzugs ab. Wenn Sie mir ein bisschen zugehört hätten, wüssten Sie auch, worin der Unterschied liegt. Es gibt ein Bundesgesetz, das die Abschiebehaft regelt. Danach kann ein Richter diese anordnen. Darauf haben wir als Land selbstverständlich keinen Einfluss.
Wir stellen uns in der Regierung der Verantwortung; deswegen stimmen wir dem ja auch zu. Das heißt, wenn die Abschiebehaft dann angeordnet wird, stehen wir als Grüne in diesem Land dafür, dass dieser Vollzug menschenwürdig und humanitär ausgestaltet wird. Sich dieser Verantwortung zu stellen, darum geht es.
Die Abschiebehaft selber wird auf Bundesebene geregelt und ist so zu handhaben, wie es im Gesetz formuliert ist. Deswegen: Werfen Sie bitte nicht alles durcheinander. Vielleicht hören Sie auch einfach einmal zu. Dann wären wir auch schon einmal weiter. Oder lesen Sie vielleicht einmal das Gesetz.
Dann hatten Sie die Sache mit den „beleidigenden Gegenständen“ angesprochen. In der Tat ist hier eine Formulierung gewählt worden, die etwas umfasst, das dem Frieden in der Anstalt dienen soll. Selbstverständlich nenne ich Ihnen gerne ein konkretes Beispiel.
Das ist jetzt ein fiktives, konstruiertes Beispiel, das aber tatsächlich morgen genau so passieren könnte: Eine Mohammed-Karikatur wird in dieser Anstalt herumgezeigt, um Unfrieden zu stiften. Man hält Muslimen diese Mohammed-Karikatur unter die Nase, um sie zu provozieren. – Wir brauchen eine Rechtsgrundlage dafür, dass man eine solche Karikatur jemandem wegnehmen kann, weil sie letztlich als Gegenstand dazu dient, einen anderen zu beleidigen und Unruhe in der Anstalt zu stiften. Das wäre ein konkretes Beispiel, was sich hinter diesen Formulierungen verbirgt.
Selbstverständlich will hier niemand – das ist aber auch absurd und böswillig von Ihnen konstruiert – einem Christen eine Bibel wegnehmen. Also, so ein dummes Zeug müssen Sie hier nicht von sich geben!
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich hoffe, dass wir den Punkt jetzt abschließend geklärt haben.
Ich fasse zusammen: Ich glaube, dass wir uns mit diesem Gesetz der Verantwortung stellen, eine gesetzliche Grundlage für einen humanitären und menschenwürdigen Vollzug zu schaffen. Wir nutzen die vorhandenen Spielräume aus, um Menschen, die inhaftiert werden, damit sie nicht unterzutauchen – das ist ja Grund für solch eine Inhaftierung –, bis zu ihrer Abschiebung eine möglichst anständige Unterbringung, einen Zugang zu Beratung und Gesundheitsversorgung sowie so viel – in Anführungszeichen – „Freiheit“ zu gewährleisten, wie es eben unter diesen Bedingungen möglich ist.
Da bringen wir etwas auf den Weg, was die Situation der Menschen in der Abschiebehaftanstalt in unserem Land deutlich verbessert. – Schönen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)