Interkommunale Zusammenarbeit wird erleichtert

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
interkommunale Zusammenarbeit ist in vielen Fällen sinnvoll und effizienzsteigernd. Sie hat darüber hinaus eine lange Tradition in unterschiedlichsten Aufgabenbereichen der Kommunen. Gerade in Zeiten von demografisch bedingt abnehmenden Gemeindegrößen sollte sie ausgebaut werden. Dies gilt insbesondere für ländliche und kleinere Kommunen.
Mit der Änderung des Gesetzes zur kommunalen Gemeinschaftsarbeit (GkG) haben wir im Februar 2015 weitere Hürden beseitigt, um die interkommunale Zusammenarbeit zu erleichtern – beispielsweise durch die Möglichkeit zur Teilübertragung von kommunalen Aufgaben, die Zulässigkeit zur Bildung von Verwaltungsgemeinschaften durch eine Experimentierklausel oder aber die Möglichkeit zur Zusammenarbeit über die Kreisgrenzen hinweg.

Rot-Grün öffnet GFG für die interkommunale Zusammenarbeit

Im Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) gibt es einen Haushaltstitel mit einem Volumen von gut 6,5 Millionen Euro, der zur Abmilderung von außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Belastungssituationen vorgesehen ist (vgl. § 19, Absatz 3, GFG). Hierüber wurden unter anderem die Schäden durch Sturm „Ela“ im Jahr 2014 finanziert. Die Kommunen und Kreise können diese Gelder aber auch zur Finanzierung von interkommunalen Kooperationsprojekten einsetzen. Jetzt haben wir eine Öffnungsklausel für die kommunalen Spitzenverbänden geschaffen, um auch ihnen die Gelegenheit zur Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit zu geben. Konkret wollen wir damit ihr Vorhaben zum Aufbau einer Datenbank über beispielhafte interkommunale Projekte unterstützen.

Keine Umsatzsteuerpflicht mehr für Beistandsleistungen

Blockiert wurde die interkommunale Zusammenarbeit allerdings durch die Auffassung des Bundesfinanzhofes, wonach kommunale Kooperationen nur im beschränkten Umfang von der Umsatzsteuer befreit sind.
Traditionell ging man bisher in Deutschland davon aus, dass zwischen Kommunen erbrachte Leistungen, die sogenannten Beistandsleistungen, nicht umsatzsteuerpflichtig sind, wenn diese der Ausübung hoheitlicher Aufgaben dienen. Beistandsleistungen sind Leistungen, die eine Kommune für eine andere Kommune oder ein Bundesland für ein anderes Bundesland übernimmt, welche nur von der öffentlichen Hand erbracht werden können. Dieser Wertung lag die Meinung zugrunde, dass derartige Beistandsleistungen als Amtshilfe erbracht werden und somit weder ertragssteuerpflichtig noch umsatzsteuerbar sind.
Zuletzt hatte diese Verfahrensweise die Oberfinanzdirektion Niedersachsen mit Schreiben vom 12. Januar 2012 bestätigt. Hierbei ging es konkret um die Überlassung eines Bades zum Schwimmunterricht durch eine Kommune an einen anderen Schulträger gegen Kostenerstattung.
Mit dem sogenannten Turnhallen-Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH), veröffentlicht am 15. Januar 2012, änderte sich diese Auffassung drastisch. Im konkreten Fall hatte eine Gemeinde die Nutzung einer Turnhalle für den schulischen Sportunterricht einer Grundschule der Nachbargemeinde gegen Kostenerstattung ermöglicht. Diese Leistungen sind nach Auffassung des BFH umsatzsteuerpflichtig. Private Anbieter hätte diese auch anbieten können. Mit der Umsatzbefreiung werde die öffentliche Hand einseitig gegenüber privaten Anbieter bevorzugt. Dies ist mit dem EU-Wettbewerbsrecht nicht vereinbar, so der BFH. Damit wurde die Praxis der interkommunalen Zusammenarbeit und deren bisherige Bewertung durch die Finanzverwaltung komplett infrage gestellt.
Die Fraktionen von SPD und GRÜNEN haben mit Entschließungsanträgen im Juli 2012 und Mai 2013 die Bundesregierung aufgefordert, diese kommunalfeindliche Rechtsauffassung durch eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes schnellstens zu beseitigen.
Ende Oktober dieses Jahres ist nach jahrelangen Verhandlungen in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine Gesetzesänderung von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden, die diese Beistandsleistungen von der Umsatzsteuerpflicht explizit ausnimmt.

Was wurde erreicht? Die Regelungen im Einzelnen:

Die Einordnung, ob Umsatzsteuerpflicht besteht oder nicht, ist nun davon abhängig, ob es sich um Tätigkeiten auf privatrechtlicher Grundlage handelt oder Aufgaben im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt.
Umsatzsteuerpflichtig sind Leistungen in der interkommunalen Zusammenarbeit nur noch dann, wenn ihre Nichtversteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Keine Wettbewerbsverzerrung liegt insbesondere bei Beistandsleistungen vor. Beispiele hierfür sind gemeinsame Standes- oder Ordnungsamtsbezirke mehrerer Kommunen oder wenn Kommunen die Tätigkeiten der Einwohnermeldeämter zentralisieren.
Außerdem sind die Leistungen auch dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn alle folgenden vier Kriterien erfüllt sind:
·         Die Leistungen beruhen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen.
·         Die Leistungen dienen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur.
·         Die Leistungen erfolgen ausschließlich gegen Kostenerstattung.
·         Die Leistungen erfolgen an eine andere Kommune bzw. kommunalen Eigenbetrieb.
Diese Leistungen können auch grundsätzlich im Rahmen eines umsatzsteuerbefreiten kommunalen Zweckverbands wahrgenommen werden.
Leistungen, die nur indirekt der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dienen und somit den Charakter verwaltungsunterstützender Hilfstätigkeiten haben, sind hingegen künftig umsatzsteuerpflichtig. Hierunter sind unter anderem Gebäudereinigungsleistungen, Grünpflegearbeiten sowie Sanierungsmaßnahmen an Straßen und Gebäuden zu verstehen.
Und selbstverständlich sind interkommunale Leistungen, die auf privatrechtlicher Grundlage, zum Beispiel durch eine gemeinsame GmbH erbracht werden, weiterhin umsatzsteuerpflichtig.
Wenn im Zuge der Subsidiarität Leistungen an Dritte vergeben werden, dann ist die Stellung des Zuwendungsempfängers maßgebend. Umsatzsteuerbefreit sind beispielsweise Mitglieder von anerkannten Wohlfahrtsverbänden oder im Einzelfall gemeinnützige Organisationen. Anderes gilt beispielsweise bei der Übertragung von Sportanlagen oder Schwimmbädern an Vereine. Entsprechende Kostenerstattungen sind umsatzsteuerpflichtig, da der Verein eine Leistung erbringt und hierfür ein Entgelt erhält (ein sogenannter unechter Zuschuss nach Umsatzsteuergesetz).
Aufklärung zum neuen § 2b UStG soll eine entsprechende Anwendungsbeschreibung des Bundesfinanzministeriums geben, welche allerdings bisher noch nicht vorliegt.

Übergangsregelungen des neuen Umsatzsteuergesetzes

Um den betroffenen Kommunen und Eigenbetrieben Planungssicherheit gewährleisten zu können, ist die neue Regelung erstmals auf alle ab dem 1. Januar 2017 ausgeführte Umsätze anzuwenden. Optional haben die Kommunen die Möglichkeit, die alte Regelung noch bis zum 31. Dezember 2020 anzuwenden. Hierzu bedarf es eines Antrages gegenüber den Finanzbehörden.
Ich empfehlen daher, die bisherige geübte Praxis der interkommunalen Zusammenarbeit unter Einbeziehung der neuen Regelungen einer kritischen Würdigung zu unterziehen, um spätere Umsatzsteuerforderungen der Finanzverwaltungen auszuschließen.
Bei Rückfragen steht Euch Simon Rock, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Kommunalpolitik zur Verfügung (Telefon 0211-8842591, simon.rock@landtag.nrw.de).
Mit Grünen Grüßen

Mario Krüger

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