Martin-Sebastian Abel: „Noch nie wurde in diesem Land so viel Geld für Bildung – von der Kita bis zur Hochschule – ausgegeben“

Grundsatzdebatte über den Landeshaushalt 2016

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Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es sind in der Tat Haushaltsberatungen in bewegten Zeiten. Die Herausforderungen durch die Unterbringung von Geflüchteten, immer neue Stände der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zur Übernahme der Kosten sowie die geänderte Sicherheitslage haben in diesem Jahr bereits vier Nachtragshaushalte notwendig gemacht. Das hat es in noch keinem Bundesland gegeben.
Herr Witzel, Sie sagen, dass sei alles voraussehbar gewesen. Ich kann Ihnen dazu nur den Tipp geben: Nehmen Sie sich eine Glaskugel und mieten Sie sich bei der nächsten Kirmes eine Bude. Das ist vielleicht ein zu Ihnen passendes Geschäftsmodell – aber nicht Haushaltspolitik.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Meine Damen und Herren, wir mussten diese Nachträge einbringen, um die Ausstattung der einzelnen Fachbereiche schnell an die veränderten Aufgaben anzupassen.
Uns ist es gelungen, den Dreiklang aus Konsolidierung, besserer Ausstattung der Kommunen und wichtiger Investitionen in zentrale Zukunftsfelder beizubehalten.
Meine Damen und Herren, Sie verbreiten hier in Ihrer Rede zum Haushalt und im Internet, seit 2010 gebe es Mehreinnahmen von 17 Milliarden €, und fragen, wo diese geblieben seien, Ich will Ihnen das, weil es notwendig zu sein scheint, noch einmal im Einzelnen sagen:
(Unruhe)
Noch nie wurde in diesem Land so viel Geld für Bildung – von der Kita bis zur Hochschule – ausgegeben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Lachen von der FDP)
Jeder dritte Euro des Landeshaushaltes geht in diese wichtigen Zukunftsaufgaben. Im aktuellen Kitajahr stehen 161.510 Plätze für unter Dreijährige zur Verfügung. Im Vergleich zu 2010 sind das nahezu 100.000 zusätzliche Plätze.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Seit der Regierungsübernahme haben wir eine beispiellose Aufholjagd gestartet – eine Aufholjagd wie kein anderes Bundesland. Wir haben die Bildungsausgaben im Vergleich zu den Ausgaben zu Zeiten des Familienministers Laschet mehr als verdoppelt. Wir liegen dabei im Vergleich der Bundesländer an der Spitze. Kein anderes Bundesland ist hier auch nur annährend an uns dran. Wir sind da ganz weit vorne.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Armin Laschet [CDU])
Kein anderes Bundesland gibt bezogen auf den Gesamthaushalt mehr für Wissenschaft, Innovation und Forschung aus.
Die Zahlen der Hochschulabsolventen steigen. Wir bilden 25 % der deutschen Absolventen aus. Das ist eine herausragende Zahl, ein gutes Signal für die Bildungslandschaft und auch für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Alles, was Sie in den Haushaltsberatungen zu diesem wichtigen Bereich zu bieten haben, meine Damen und Herren von der Opposition, ist eine reanimierte Wasserleiche, die Sie jedes Jahr wieder nennen: die Studienbeiträge.
Ich habe es Ihnen bereits im Ausschuss gesagt: Sie nennen in Ihren Haushaltskonzepten Studienbeiträge als mögliche Konsolidierungsmaßnahme. Sie behaupten aber gegenüber den Hochschulen, Sie würden diese noch besser ausstatten, weil Sie die Studienbeiträge wieder einführten.
Meine Damen und Herren, Sie müssen sich schon entscheiden: Wenn Sie Einnahmen aus Studienbeiträgen zur Haushaltskonsolidierung heranziehen, dann bedeutet das, Sie belasten die Studierenden, Sie belasten die Eltern. Das ist sozial ungerecht. Sie nehmen den Hochschulen diese Mehreinnahmen wieder weg, denn sonst wäre das keine haushalterische Einsparung.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dann sagen Sie doch mal den über 700.000 Studierenden und ihren Eltern, wie Ihre konkrete Haltung zu diesem Thema aussieht.
(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])
Das macht für eine Familie mit zwei Kindern, die in der Ausbildung sind, mal eben eine Erhöhung von 2.000 € netto im Jahr aus. Sagen Sie denen doch mal, wie Sie jetzt dazu stehen, und dann bekennen Sie sich. Ich möchte Ihren Antrag sehen, mit dem Sie genau das beantragen und nicht nur immer davon reden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Noch ein weiterer Punkt: Noch nie haben wir so viel Geld an die Kommunen gegeben. 33 % aus dem Landeshaushalt fließen in die Kommunen. Bei Ihrer geliebten Schwesterpartei in Bayern, der CSU, Herr Laschet, mit dem Gentleman Horst Seehofer und dem sachlich-nüchternen Finanzminister Markus Söder …
(Heiterkeit von den GRÜNEN – Minister Johannes Remmel: Das war Ironie!)
– Ja, aber ich glaube, ich brauche nicht wie Herr Optdendrenk ein Schild, auf dem „Ironie“ steht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Bayern beteiligt die Kommunen mit 425 € pro Kopf an den Steuereinnahmen des Landes, Nordrhein-Westfalen mit 568 €. Damit liegt Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Baden-Württemberg an der Spitze der Bundesländer. Würde Nordrhein-Westfalen seine Kommunen so behandeln wie die Kolleginnen und Kollegen Ihrer geliebten Schwesterpartei, dann müssten wir den Kommunen dieses Jahr 2,5 Milliarden € weniger überweisen, meine Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Henning Höne [FDP]: Warum haben dann die nordrhein-westfälischen Kommunen die ganzen Schulden?)
Verstehe ich Sie richtig, dass Sie das jetzt herausnehmen wollen? Ist das jetzt ein Konsolidierungsvorschlag? Dann sagen Sie das doch, aber hören Sie auf, irgendwelche Vergleiche zu ziehen. Das Zerrbild, das Sie hier in diesem Bereich zeichnen, hat mit der Realität dieses Haushalts so viel zu tun wie der „Tatort Münster“ mit dem Polizeialltag.
(Klaus Kaiser [CDU]: Das ist aber diskriminierend! – Henning Höne [FDP]: Beim „Tatort Münster“ hört der Spaß aber auf! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Der „Tatort Münster“ ist aber unterhaltsamer, Herr Kollege!)
– Wollen Sie jetzt Rollen verteilen, wer hier wer ist, oder was? Ich bin ja gespannt, wer Ihrer Meinung nach die Staatsanwältin spielen könnte. Das wäre interessant.
Aber bleiben wir bei der Polizei. Sie gerieren sich gerne als Partei der inneren Sicherheit und sagen, wir würden nicht genug machen. 2006 500, 2007 wieder 500, 2008 1.000, 2009 1.000, 2010 1.100 – das ist die Entwicklung der Zahl der Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter in Nordrhein-Westfalen während Ihrer Regierungszeit.
Wer hat also etwas für die Polizei in Nordrhein-Westfalen getan? – Das war Rot-Grün, meine Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Lachen von der CDU)
Wir haben 2011 und 2012 jeweils 1.400 Anwärterinnen und Anwärter eingestellt; 2013 waren es 1.477. Wir sind jetzt bei fast 1.900 Anwärterinnen und Anwärter. Das ist die höchste Anwärterinnen- und Anwärterzahl in der Geschichte dieses Bundeslandes.
(Ralf Witzel [FDP]: Wie sehen denn die Abgängerzahlen aus?)
Das sind Zahlen, die für uns sprechen, nicht für Sie.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Damit sind wir fast bei dem Delta. Dann müssen wir noch darüber reden – wir haben gestern über die Besoldungs- und Dienstrechtsanpassung debattiert –, wo dieses Geld ist. Diese Bereiche zeigen, dass wir trotz unseres Konsolidierungspfads in wichtigen, in zentralen Zukunftsbereichen aufgestockt haben.
Nun sind wir aufgrund der gestiegenen Zahl der Geflüchteten besonders gefordert. Mehr als 4 Milliarden € plant die Landesregierung 2016 laut des nun vorgelegten Etatentwurfs für die Versorgung von Asylbewerbern und Geflüchteten ein.
Zum Vergleich: Auf dem ersten Flüchtlingsgipfel hatte die Bundesregierung bundesweit 3 Milliarden € als Paket für Länder und Kommunen vorgeschlagen; ich sage nachher noch etwas zu dem Anteil des Bundes. Wir in Nordrhein-Westfalen werden 2016 den Kommunen 1,95 Milliarden € für die Aufgaben aus dem Flüchtlingsaufnahmegesetz zuweisen. Meine Damen und Herren, gegenüber 2014 mit rund 91 Millionen € und 2015 mit rund 810 Millionen € ist dies eine deutliche Steigerung. Damit legen wir auch die Grundlage für die Integration der Geflüchteten.
Wir haben in diesem Haushalt zusätzliche 12.500 Stellen in der offenen Ganztagsbetreuung mit 15,3 Millionen € eingeplant. Für Projekte zur Kinderbetreuung und Integration sind es insgesamt 35 Millionen €. 2.390 neue Stellen für die Flüchtlingsaufgaben richtet das Land im kommenden Jahr ein. Im Schulbereich werden 2.356 neue Stellen geschaffen. Das war 2015. Und schon 2015 gab es hier einen Aufwuchs um 3.600 Stellen. Wir sind jetzt bei über 5.700 Lehrerinnen- und Lehrerstellen.
Meine Damen und Herren, da können Sie ruhig applaudieren. Denn das sind gute Nachrichten für Nordrhein-Westfalen. Das sind gute Nachrichten für den Bildungsstandort.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
In diesem Jahr gibt das Land fast 2 Milliarden € für die Unterbringung, Versorgung und Integration aus. So hat Nordrhein-Westfalen 162 Millionen € der 2 Milliarden € des Bundes für die Flüchtlingsunterbringung direkt an die Kommunen weitergegeben.
Im Flüchtlingsaufnahmegesetz haben wir den Stichtag, nach dem sich die Zuweisungen an die Kommunen richten, vom 1. Januar des Vorjahres auf den 1. Januar des laufenden Jahres verschoben. Wenn mehr Geflüchtete zu versorgen sind, dann erhalten die Kommunen von uns auch zeitnah das Geld.
Insgesamt sehen wir mehr als 4 Milliarden € für Ausgaben an die Kommunen vor. In diesem Zusammenhang möchte ich an den Anteil erinnern, den der Bund an diesen Ausgaben hat. Es sind 796 Millionen €. Sie tun immer so, als ob alles, was wir machen würden, mehr oder weniger vom Bund finanziert würde. Das ist mitnichten der Fall. Herr Kollege Zimkeit hat völlig zu Recht darauf hinweisen, dass der Anteil im Vergleich zum Vorjahr sogar gesunken ist. Meine Damen und Herren, das zeigt ganz deutlich: Wir stehen in der Verantwortung. Wir werden unserer Verantwortung gerecht. Auf der Bundesebene sind wir unter Ihrer Regierungsbeteiligung da noch lange nicht so weit. Insofern müssen wir stärker darüber reden, wie Länder und Kommunen entlastet werden können. Wir werden aber unserer Verantwortung mit über 4 Milliarden € gerecht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir waren in den letzten Jahren auf einem Konsolidierungspfad und haben trotzdem – das habe ich eben dargestellt – auf die wichtigsten Zukunftsinvestitionen des Landes draufgesattelt. Wir sind jetzt besonders gefordert. Wir wollen stärker für die Zukunftsaufgaben, die für die Integration derer, die zu uns kommen und hier bei uns Schutz suchen, vor uns liegen, einstehen.
Wir wollen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Daher finde ich es wichtig, meine Damen und Herren – vielleicht begegnet das auch Ihnen draußen –, dass wir nicht so tun, als würden wir gerade jetzt aufgrund der steigenden Zahl an Geflüchteten Geld in die Hand nehmen. Diese Ausgabensteigerungen, die ich Ihnen eben nähergebracht habe, kommen allen zugute. Von besserer Bildung, von besserer Infrastruktur, von mehr sozialem Wohnungsbau profitieren alle. Insofern ist es nicht so, dass es ein exklusiver Kreis wäre. Vielmehr bringen diese Ausgaben das Land insgesamt weiter.
(Beifall von den GRÜNEN)
Trotz dieser Herausforderungen wird Rot-Grün die geplante Neuverschuldung im kommenden Jahr leicht senken können. Das zeigt, dass wir nicht nur beim Abbau der Nettoneuverschuldung an die zukünftigen Generationen denken. Denn zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik – und das kommt bei Ihnen überhaupt nicht zum Zuge, meine Damen und Herren von der Opposition – gehört nicht nur die schwarze Null, sondern dazu gehört auch, die Zukunftsaufgaben zu bewältigen und den nachfolgenden Generationen nicht aufgrund fehlender Integrationsleistungen, aufgrund schlechter Bildung Aufgaben zu hinterlassen, die sie nicht mehr auffangen können. Das gehört auch dazu, meine Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zu dem, was Sie hier in der Debatte geäußert haben, Herr Witzel und Herr Dr. Optendrenk, muss man wirklich sagen: Im Westen nichts Neues. Das waren im Wesentlichen Äußerungen, nach dem Motto: Sozis können nicht mit Geld umgehen, und die Regierung ist derart links, dass selbst der Kontostand rot ist.
Ich habe in den Beratungen schon darauf gewartet – heute beraten wir die Einzelpläne,
(Lutz Lienenkämper [CDU]: Das stimmt aber alles! Das ist nicht neu! Das stimmt!)
und ich bitte die Kolleginnen und Kollegen von der Pressetribüne einmal, darauf zu achten –, dass Sie wieder in jedem Einzelplan Ihre fachpolitischen Sprecher von der Kette lassen, die dann zu jedem einzelnen Plan sagen: Das ist ein guter Ansatz, aber es ist noch nicht genug. – Das gilt für den Bereich Bildung, Inneres, Kultur oder bei den Einzelplänen, die wir heute beraten.
Sie haben eine Arbeitsteilung, die der Kollege Witzel in der letzten HFA-Sitzung offen zugegeben hat. Nachdem die FDP ein Dutzend Mal Ihre Kolleginnen und Kollegen aus den Fachausschüssen überstimmt hat, die sich dort enthalten hatten, und die FDP im HFA mit Nein gestimmt hat, haben wir gefragt: Herr Witzel, was machen Sie denn da eigentlich? Wie kommen Sie denn mit Ihren Fachkollegen klar, zum Beispiel mit Frau Freimuth, die mich gerade fragend anguckt, wenn sie im Fachausschuss anders abstimmt als Sie, Herr Witzel, im HFA?
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Die reden einfach nicht miteinander!)
Daraufhin sagte Herr Witzel: Aber wir haben doch die Haushaltsverantwortung.
Meine Damen und Herren, diese Arbeitsteilung können Sie auch wirklich nur in der Opposition vornehmen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])
Dass Sie dann wie bei „Asterix und Obelix“ die fachpolitischen Sprecher wie den Barden Trubadix während der Haushaltsberatung wegsperren, ist etwas, was wir nicht machen.
(Zuruf von Angela Freimuth [FDP])
Im Gegenteil: Wir werden eine Reihe von Änderungsanträgen mit unterschiedlichen Schwerpunkten einbringen, die wir schon zur zweiten Lesung in die Fachausschüsse gegeben haben. Das sind allesamt Schwerpunkte, die der Zukunft dieses Landes dienlich sind. Selbstverständlich werden wir auch außerhalb des Haushaltsverfahrens aktuelle Entwicklungen aufmerksam verfolgen. Das gilt insbesondere für den Bereich der Flüchtlingsunterbringung. Außerdem sind weitere Änderungen beim KiBiz angekündigt. Das sind die Schwerpunkte.
(Marcel Hafke [FDP]: Erklären Sie doch mal!)
Sie tragen mit diesen beschlossenen Mitteln und diesen Anträgen dazu bei, rechtzeitig und konsequent nachzusteuern und gute Schwerpunkte zu setzen, um die Aufgaben, die vor uns liegen, zu bewältigen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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