Dr. Ruth Seidl: „Das Land Nordrhein-Westfalen gibt so viel Geld für seine Hochschulen aus wie noch nie“

Landeshaushalt 2016 - Wissenschaft und Forschung

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Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Freimuth, Herr Dr. Berger, ich bin jetzt Ihren Ausführungen zum Haushalt sehr geduldig gefolgt. Ich habe aufmerksam zugehört. Aber ich muss sagen: Es ist mir nicht ganz leicht gefallen, dabei die Contenance zu bewahren. Denn leider sind Ihre verbalen Einlassungen, die Sie heute in die Debatte einbringen, mehr als erbärmlich.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
Die Aneinanderreihung dieser Platitüden, die sich seit vielen Jahren wiederholen – die QVM, die Grundfinanzierung, die Hochschulfreiheit –; das ist schlichtweg kalter Kaffee, den Sie uns hier servieren wollen.
Sie prangern an, dass zu wenig Geld im System sei, sagen dabei aber gar nicht erst, wo es herkommen soll, geschweige denn, dass Sie es bis jetzt überhaupt geschafft hätten, uns einen entsprechenden Antrag vorzulegen. Selbst wenn man Ihnen Ihre Oppositionsrolle im Landtag zugutehalten muss, so erwartet man doch bei dieser wichtigsten Aufgabe des Parlamentes – nämlich der Beratung über den Haushalt –, dass Sie hier zumindest qualitative Mindeststandards einhalten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist aber wie in den vorangegangenen Jahren auch heute nicht der Fall.
Ich will auf einige Ihrer Behauptungen eingehen. Wenn Sie sagen, die Grundfinanzierung der Hochschulen sei nicht ausreichend, möchte ich Ihnen gerne folgende Fakten entgegenhalten:
Erstens. Der Wissenschaftsetat steigt in diesem Jahr um 431 Millionen € auf mehr als 8,2 Milliarden € an. Das sind sage und schreibe 41 % mehr Mittel als zu Ihrer Regierungszeit.
Zweitens. Während der Landeshaushalt um 3,7 % ansteigt, liegt die Steigerung des Wissenschaftshaushaltes bei über 5,5 %. 5 Milliarden € gehen an die Hochschulen; 1,1 Milliarde € fließt in die Hochschulmedizin; 705 Millionen € verausgaben wir für die Forschungsförderung und 640 Millionen € für die Förderung der Studierenden. Das Land Nordrhein-Westfalen gibt so viel Geld für seine Hochschulen aus wie noch nie. Das ist die schlichte Wahrheit.
Wer jetzt meint, hieraus erwachse auch keine größere Verantwortung sowohl für das Land als auch für die Hochschulen, der nimmt auch seine politische Aufgabe in diesem Parlament nicht ernst. Denn Ihr Vorwurf einer vermeintlichen Rücknahme von Hochschulautonomie durch das Hochschulzukunftsgesetz ist in diesem Zusammenhang angesichts der Verdopplung der Mittel vollkommen absurd.
Deshalb ist es auch noch einmal wichtig, festzuhalten, dass das Hochschulzukunftsgesetz die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Land deutlich gestärkt hat. Ich nenne hier den Rahmenkodex; ich nenne auch den Landeshochschulentwicklungsplan. Diese erfreuliche Entwicklung – der Kollege Bell hat das ja eben zitiert – hat uns kürzlich auch Professor Prenzel, der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, in Bielefeld nachdrücklich bestätigt.
Ihre Rechenbeispiele, was die Qualitätsverbesserungsmittel und die Ausgabenfinanzierung pro Studierenden angeht, sind immer selektiv auf einzelne Töpfe bezogen. Das ist ja Ihre Strategie. Sie lassen die Gesamtfinanzierung für Lehre und Studium außen vor. Dabei sind im Vergleich zu 2010 in Nordrhein-Westfalen besonders hohe absolute Steigerungen allein an Landesmitteln beim Hochschulpakt zu verzeichnen. Da sind plus 289 Millionen € für die Globalbudgets, 378 Millionen € beim Hochschulpakt und plus 249 Millionen € an Qualitätsverbesserungsmitteln zu verzeichnen.

Alle diese Mittel kommen natürlich auch den Studierenden zugute und gehören damit zur statistischen Wahrheit dazu. Auf dieser Grundlage würde sich dann eben auch im bundesweiten Vergleich ein ganz anderes Bild ergeben. Ich kann nur sagen: Wer sich angesichts dieser Dimensionen über rund 50 Millionen € an Kompensationsmitteln – das haben Sie ja errechnet – echauffiert, der betreibt Erbsenzählerei.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber wenn Sie ehrlich sind, verfolgen Sie ja ein ganz anderes Ziel. Tatsache ist doch, dass Sie mit Ihrem Vorwurf einer nicht ausreichenden Studienfinanzierung klammheimlich die Debatte über die Wiedereinführung der Studiengebühren anheizen wollen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ich erinnere daran: Zu Ihrer Regierungszeit haben Sie doch überhaupt kein Landesgeld für die Qualität der Lehre in die Hand genommen. Da gab es doch gar keine Qualitätsverbesserungsmittel. Da wurde vielmehr den Studierenden und ihren Eltern in die Tasche gegriffen. Das war doch eine rein private Finanzierung.
(Karl Schultheis [SPD]: Zur Finanzierung der Hochschulen!)
Aber wenn Sie dieses Ziel für die Zukunft weiter propagieren wollen, dann sollten Sie das den Menschen draußen auch deutlich vermitteln und nicht versuchen, durch die Hintertür die Studiengebühren wieder einzuführen.
Auch den Forschungsbereich in Nordrhein-Westfalen, den Sie eben erwähnt haben, lassen wir uns von Ihnen keineswegs schlechtreden. 2011 bis 2013 erhielt NRW gut ein Fünftel der Fördergelder der DFG. Das sind 1,24 Millionen €, und damit liegt NRW an der Spitze der Bundesländer.
Von den nordrhein-westfälischen Hochschulen ist die RWTH Aachen mit 272 Millionen € noch immer die erfolgreichste Hochschule; bundesweit liegt Aachen damit auf Platz drei. In der Einwerbung von Mitteln für die Natur- und Ingenieurwissenschaften liegen die Universität Bonn und die RWTH Aachen bundesweit jeweils auf dem ersten Platz. Das sind doch die Qualitätsstandards, über die wir heute reden.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Nicht zuletzt ist uns auch die Förderung von Innovation – Herr Berger – aus den Hochschulen heraus ein wichtiges Anliegen. Insbesondere die kooperative Forschung zwischen Fachhochschulen und kleinen und mittleren Unternehmen zur Erreichung von Innovationen und neuen Produkten kann eben durch maßgeschneiderte Förderprogramme des Landes
(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])
schneller und zielgerichteter gefördert und der Transfer in die Wirtschaft effizienter gestaltet werden. Daran haben wir in den vergangenen Wochen intensiv gearbeitet. Wir haben verschiedene Anhörungen mit Expertenrunden gehabt. Das wissen Sie ganz genau.
(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])
Deshalb muss ich feststellen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Ihre Einlassungen zum Haushalt 2016 sind weder ein seriöser Beitrag zur Einhaltung der Schuldenbremse, noch tragen sie auch nur ansatzweise dazu bei, die Hochschulen bei der Bewältigung ihrer gesellschaftlichen Aufgaben zu stärken – unabhängig davon, dass heute nicht mal ein einziger Antrag von Ihnen vorliegt, der irgendwie eine konzeptionelle Idee auf den Tisch legen würde.
Wir haben es geschafft, zusammen mit den Hochschulen den gewaltigen Kraftakt „doppelter Abiturjahrgang“ reibungslos über die Bühne zu bringen. In der mittelfristigen Finanzplanung haben wir sichergestellt, dass für die weiterhin hohe Zahl von Studienanfängerinnen und -anfängern bis zum Jahr 2023 ausreichend Studienplätze zur Verfügung stehen.
Ich würde mir aber auch wünschen, dass die bislang befristeten Zusatzfinanzierungen durch die verschiedenen Bund-Länder-Pakte künftig auf eine andere solide Grundlage gestellt würden und der Bund sich an einer dauerhaften Finanzierung unserer Hochschulen beteiligte. Deshalb begrüßen wir sehr, dass sich kürzlich auch die LRK der Universitäten unserer Forderung nach der Verstetigung des Hochschulpakts angeschlossen hat.
Vor diesem Hintergrund wäre es sicher lohnenswert, wenn Hochschulen, Regierungskoalition, Opposition und wir gemeinsam an einer konstruktiven Lösung im Sinne des Wissenschaftsstandorts NRW arbeiten würden. Hierzu möchte ich Sie herzlich einladen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)