Mehrdad Mostofizadeh: „Wir sind für eine weltoffene, tolerante, aber auch wachsame Demokratie“

Gemeinsame Resolution aller Fraktionen

Mehrdad Mostofizadeh

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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich den anderen Fraktionen von SPD, CDU und FDP ausdrücklich für die Zusammenarbeit bei dieser Resolution danken. Ich danke Ihnen, dass in dem Text der Resolution zum Ausdruck kommt, für was wir stehen: für eine weltoffene Demokratie, für ein klares Zeichen der Solidarität mit unseren Freundinnen und Freunden in Frankreich. – Herzlichen Dank dafür, dass das gelungen ist!
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ich lese diese Resolution so, dass die Werte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit diese vier Fraktionen im Landtag einen, und dass dieser Landtag keinen Zweifel daran lässt, dass diese Werte Ausgangspunkt der Resolution und der Solidarität mit Frankreich sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich möchte aufrichtig meine Trauer darüber zum Ausdruck bringen, dass diese Taten in Paris geschehen konnten. Wir möchten den Hinterbliebenen unser aufrichtiges Mitleid ausdrücken. Wir hoffen auf baldige Genesung derjenigen, die verletzt wurden – und zwar nicht nur am Leib, sondern auch an der Seele. Welche tiefen Spuren diese Taten hinterlassen können – insbesondere an der Seele –, ist uns allen sicherlich bekannt. Das wird auch oft in den Flüchtlingsheimen, wie in denen hier in Deutschland, aufgearbeitet werden müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist wirklich unfassbar, mit welcher Gleichgültigkeit in Paris in den Cafés geschossen wurde. Diese Menschen sind keine glorreichen Krieger, wie die IS-Propaganda uns weismachen will. Sie sind keine Helden. Das alles sind heimtückische Mörder – sonst nichts.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es ging ihnen darum, uns mit ihren Taten eine gewisse Konfliktlogik aufzudrücken. Sie wollten unsere Art der der Freiheit, unsere Art zu leben sozusagen abbauen. Sie wollen, dass wir nicht mehr zum Fußball gehen, dass wir keine Feste mehr feiern. Aber diese Logik werden sie uns nicht aufdrücken können. Wir sollten alle daran mitarbeiten, und zwar indem wir rausgehen, indem wir uns dieser Kriegsrhetorik ganz klar entgegenstellen.
Es gibt dafür ein sehr gutes Beispiel in Europa: die fassungslos machenden Morde in Norwegen, die Anders Breivik angerichtet hat. Diese haben in Norwegen gerade nicht dazu geführt, dass der Rechtsstaat abgebaut wurde. Sie haben nicht dazu geführt, dass die Menschen zu Hause geblieben sind. Vielmehr standen sie solidarisch zusammen. Das wünsche ich mir für das weitere Zusammenleben nicht nur in Frankreich, sondern auch in ganz Europa.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Nicht die Religion des Islams zwingt die Menschen zu diesen Verbrechen. Die übergroße Mehrheit der Muslime empfindet doch Abscheu für diese Taten. Sie stehen genauso gegen diesen Terror, wie wir uns hoffentlich gegen Rassismus und rechtsextremen Terror in Deutschland stellen.
Wir sagen diesen Menschen wie Breivik und den NSU-Mitgliedern, aber auch den Rechtspopulisten, die keine Gewalttaten begehen: Ihr seid der Nährboden für Rechtsextremisten und Islamisten. Ihr Rechtsextremisten und Islamisten seid keine Werkzeuge Gottes. Ihr seid auch keine Patrioten. Ihr seid bloß verblendete Idioten. Ihr steht weder für das Morgenland noch für das Abendland. Bei euch ist nämlich überhaupt gar kein Licht. Ihr seid der Albtraum in der Nacht. Und ihr seid die Feinde der Freiheit und Toleranz.
Eines – das hat Kollege Römer eben schon angesprochen – hat mich fast schon fassungslos gemacht: Wer jetzt das Flüchtlingsthema mit dem Thema „Terror“ verbindet, wie das im Süden dieser Republik geschehen ist, macht doch Opfer, die beispielsweise aus Syrien geflohen sind, zum zweiten Mal zu Opfern, indem sie ihnen mit Ressentiments begegnen und unter Generalverdacht stellen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, lehnen wir alle in diesem Landtag, glaube ich, entschieden ab.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU)
Ich will an dieser Stelle deutlich machen: Aus meiner Sicht ist am wichtigsten, jetzt in Präventionsarbeit zu investieren. Präventionsarbeit findet oft in der Schule und vor allem in der Schule statt. Deswegen ist es wichtig, dass wir einen weltoffenen islamischen Religionsunterricht einbürgern und nicht die Tür vor den Moslems zumachen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Freiheit ist natürlich verwundbar. Deswegen werden wir uns wehren. Wir werden uns auch mit aller Macht des Rechtsstaates gegen diese Verwundbarkeit wehren.
Kollege Römer hat es angedeutet: Die Analyse von Paris zeigt zwei Dinge. Erstens: Die Islamisten und Salafisten rüsten auf. Zweitens zeigt die Bedrohungsanalyse genauso auf, dass die Rechtsextremisten – quasi die geistigen siamesischen Zwillinge dieser Logik – ebenso aufrüsten und sich durch die Taten von Paris zu Gegenschlägen provoziert fühlen.
Deswegen sind wir der Auffassung, dass wir den Verfassungsschutz logistisch in eine bessere Lage versetzen sollten. Wir sollten weitere 25 Stellen – das ist zumindest unser Vorschlag – einrichten, um gegen islamistischen, salafistischen Terror vorzugehen, aber auch gegen jene Rechtsextremisten, die eben Islamfeindlichkeit und Rassismus befördern und zu Terrorakten nutzen wollen. Deswegen werden wir, die Koalitionsfraktionen, in der nächsten Woche vorschlagen, diese weiteren Stellen bereitzustellen.
Weil es eben in der Debatte angesprochen worden ist: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen uneingeschränkt an der Seite von Frankreich. Aber meine Fraktion und auch ich sind der Auffassung: Wir müssen uns jetzt schon sehr genau überlegen, mit welchen Mitteln wir gegen die terroristischen Akte des IS vorgehen.
Uns und dem Bundestag liegt bisher keine – weder eine juristische noch eine politisch nachvollzierbare – Argumentation dafür vor, in Syrien einzugreifen. Einer der ersten sinnvollen Schritte wäre gewesen, beispielsweise das Land, was die Basis für den Terrorismus des IS darstellt, nämlich Saudi-Arabien, von Waffenlieferungen abzuschneiden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ein zweiter Schritt wäre eine sinnvolle politische Strategie, was nach militärischen Eingriffen im Nahen Osten passieren soll und für den Frieden im Nahen Osten bereitgestellt werden soll. Wir möchten der Bundesregierung zurufen: „Ja, dem IS ist nicht mit gutem Zureden beizukommen.“ Das ist uns allen bewusst. Aber wir brauchen eine klare politische Strategie, was passieren soll, wenn militärisch eingegriffen wird. Die vermissen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, bis zum heutigen Tage.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich bin – das möchte in an dieser Stelle noch sagen – etwas verwundert gewesen, wie breit die Resolution nach dem Beitrag des Kollegen Laschet interpretierfähig war. Ich möchte, dass von diesem Landtag am heutigen Tag das Signal ausgeht: Wir sind für eine weltoffene, tolerante, aber auch wachsame Demokratie. Wir stützen die Werte der französischen Revolution. Dafür stehen wir. Das sollte als Signal von diesem Landtag ausgehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen sollten alle Fraktion dieser Resolution zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU)

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