Hans Christian Markert: „Wir müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher aufklären, aber wir müssen ihnen keine bestimmte Lebensweise vorschreiben“

Antrag von SPD und GRÜNEN zum Verbot von Bisphenol A

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Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Präsident, ich bin ein bisschen irritiert, hier laufen noch zwei Minuten. – Okay.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Zuschauerrängen! Immer wenn es um die Frage der Beurteilung von Ausgangschemikalien insbesondere für Bedarfsgegenstände geht, ist dem Gesundheitsschutz aus unserer grünen Sicht eine sehr hohe Priorität zuzuweisen.
Frau Brand, wir haben monatelang zusammengehockt und versucht, das Problem gemeinsam in einen Antrag zu gießen. Ich glaube auch, dass wir am Ende nicht so weit auseinander sind. Mir hat sich nicht erschlossen, warum Sie beispielsweise in der letzten Sitzung des zuständigen Umweltausschusses Ihren Antrag, den Sie eben hier noch mal vorgestellt haben, einfach zurückgezogen haben.
(Zuruf von Simone Brand [PIRATEN])
Das war für uns etwas irritierend. Das zur Genese. Da Sie uns kurz vor Weihnachten eine längere Geschichte erzählt haben, sollten Sie vielleicht diesen Teil der Geschichte miterzählen.
Zur Sache:
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Brand?
Hans Christian Markert (GRÜNE): Ich würde gerne im Zusammenhang vortragen und Kollegin Brand selbstverständlich am Ende der Rede die Möglichkeit geben, …
Vizepräsident Oliver Keymis: Dann ist aber Ihre Redezeit zu Ende. Gut, also jedenfalls jetzt nicht.
Hans Christian Markert (GRÜNE): Ich werde ihr gleich noch Zeit einräumen, wie sich das gehört. – Immer dann, wenn es um scheinbar gefährliche Ausgangsstoffe für Bedarfsgegenstände ist allerhöchste Vorsicht geboten, insbesondere dann, wenn es sich um Produkte des täglichen Lebens handelt, um Bedarfsgegenstände, die auch in die Hände oder Münder von Kindern kommen können.
Bei Bisphenol‑A handelt es sich um einen Weichmacher, der sich in vielen Kunststoffen, Plastikkunststoffverpackungen für Lebensmittel, aber auch in Plastikgeschirr findet, unter anderem in Butterbrotdosen für Kinder. Es ist also ein Bedarfsgegenstand in der Beobachtung, eine Ausgangschemikalie, bei der Vorsicht geboten ist.
Was ist das der Weichmacher Bisphenol‑A für ein Stoff? Die Wissenschaft streitet darüber, wie gefährlich er tatsächlich ist. Ihm werden jedenfalls – das ist unstreitig – in bestimmten Dosen hormonähnliche Wirkungen zugewiesen. Diese hormonähnlichen Wirkungen können Unfruchtbarkeit, Erektionsstörungen, Diabetes, Brustkrebs oder Schädigungen des zentralen Nervensystems hervorrufen. So weit, so gut. Es kommt auf die Menge an und darauf, ob dieser Weichmacher in gebundener Form vorhanden ist oder tatsächlich freigesetzt wird.
Frau Brand, in Frankreich hat man sich in diesem Jahr tatsächlich darauf verständigt, Bisphenol‑A für Lebensmittelverpackungen – allerdings nicht in anderen Bereichen – zu verbieten.
Das hängt damit zusammen, dass es in einem Nationalstaat rechtlich nicht ohne Weiteres möglich ist, einen einzelnen Grundstoff zu verbieten. Dieses Problem muss man vielmehr auf europäischer Ebene lösen, und dafür muss man auch die zuständigen Behörden davon überzeugen, dass eine generelle Gefährdung besteht.
Ich will daran erinnern, dass Bispehnol A bereits im Jahre 2011 in Nuckelflaschen bzw. Babytrinkflaschen verboten worden ist. Das heißt, in Teilen haben wir auch in Deutschland eine ähnliche Regelung.
So erklärt sich auch, dass wir bei der Beurteilung dieses Stoffes gern weiter forschen wollen. Wir sind sehr zufrieden damit, dass auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit die Besorgnis hinsichtlich dieser Problematik von Bisphenol A teilt. Sie hat die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge, den sogenannten TDI-Wert des Stoffes, in diesem Jahr von 0,05 auf 0,004 µg/kg Körpergewicht heruntergesetzt. Das heißt, in dieser Hinsicht findet tatsächlich weiter Forschung statt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass unterschiedliche Behörden in Deutschland teilweise auch zu unterschiedlichen Bewertungen gekommen sind. Das UBA beispielsweise empfiehlt, Produkte, die Bisphenol A enthalten, zu meiden, während das Bundesamt für Risikoeinschätzung zu dem Ergebnis kommt, dass man diese Produkte bei geringen Dosen weiterverwenden kann.
So erklärt sich, dass wir nicht generell ausschließen würden – so steht es übrigens auch in der Überschrift, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, lieber Henning Höne –, dass es europaweit irgendwann – jedenfalls in Teilen – zu einem Verbot kommen würde, wenn es um Lebensmittel und Bedarfsgegenstände geht. Im Moment möchten wir die Forschung weiter mit dem Ziel unterstützen, Alternativen zu Bisphenol A anzustreben. Dann müssten wir nämlich nicht den juristischen Weg eines Verbotes gehen, sondern könnten einen bestimmten, für gefährlich eingestuften Stoff nach und nach aussourcen. Außerdem empfehlen wir, weiterhin auf europäischer Ebene nach Alternativen zu suchen, ohne sich letztendlich einem Verbot generell zu verschließen.
Im Übrigen soll der Verbraucherschutz die Mündigkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher fördern und nicht die Bevormundung. Wir müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher aufklären, aber wir müssen ihnen keine bestimmte Lebensweise vorschreiben.
(Christof Rasche [FDP]: Das ist ja ganz was Neues! Völlig neue Töne!)
Jetzt, liebe Kollegin Brand, können Sie Ihre Frage stellen.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.
Simone Brand (PIRATEN): Soll ich nur meine Frage stellen, oder sollen wir es direkt als Kurzintervention machen?
(Hans Christian Markert [GRÜNE]: Ich kann das nicht verstehen!)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Ich habe gerade erst die Sitzungsleitung übernommen. Sie hatten wohl eine Frage stellen wollen, was der Abgeordnete Markert abgelehnt hat. Gleichzeitig ist aber noch eine Kurzintervention angekündigt worden. Wie würden Sie es denn gern machen?
Simone Brand (PIRATEN): Ich würde es jetzt gern als Kurzintervention machen.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Eine Kurzintervention?
Simone Brand (PIRATEN): Ja.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, dann gibt es jetzt eine Kurzintervention der Frau Abgeordneten Brand. – Bitte schön.
Simone Brand (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Markert, ich habe den Antrag zur Kennzeichnung zunächst ins umgekehrte Verfahren gegeben, weil ich die Zusage der regierungstragenden Fraktionen hatte, einen gemeinsamen Antrag zum Verbot von Bisphenol A zu stellen. Als das wieder zurückgezogen wurde, habe ich natürlich den stärkeren Antrag mit der Prüfung eines Verbotes gestellt und dementsprechend den Antrag zur Kennzeichnung zurückgezogen. Unser ursprünglicher Antrag hat betont, was Sie gerade zum Schluss gesagt haben, nämlich dass der Verbraucher aufgeklärt werden und selbst die für sich richtigen Entscheidungen treffen solle. Das war der ursprüngliche Ansatz. Da gehe ich eigentlich mit Ihnen d’accord.
Ich finde es nicht gut, wenn Dinge nicht richtig gelesen oder Aussagen in den Raum gestellt werden, die es nicht genau treffen. Wir haben nie – weder im Antrag noch ich gerade – davon gesprochen, Bisphenol A generell zu verbieten. Sowohl in Frankreich als auch in unserem Antrag geht es um Bisphenol A in Verbindung mit Lebensmitteln und anderen Produkten und nicht um ein generelles Verbot. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. – Vielen Dank.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Markert.
Hans Christian Markert (GRÜNE) TC „Hans Christian Markert (GRÜNE)“ f C l „5“ : Liebe Kollegin Brand, ich sage es noch einmal: Die Exegese war letztendlich von Ihnen angesprochen worden, und zwar mit dem Ziel, ein Verbot contra eine Kennzeichnung, wie die Piraten es ursprünglich genannt hatten, einzubringen. Jetzt liegt hier sozusagen das Ergebnis einer Genese vor; denn zu dem Zeitpunkt, als wir uns darüber verständigt haben, ein Verbot zu prüfen, gab es die rechtliche Einschätzung in Frankreich, dass ein generelles, auch nationalstaatliches Verbot möglich sei. Es gibt inzwischen in Frankreich ein Urteil bzw. eine Rechtsprechung, die besagt, dass ein generelles Verbot dieses Stoffes nationalstaatlich nicht möglich sei. Das ist jedenfalls noch ein offener Prozess. Insofern kann man ein nationales Verbot hier nicht fordern.
Deswegen haben wir gesagt, wir verschließen uns einem solchen Verbot nicht, wenn der rechtliche Weg frei ist – insofern steht es auch noch in der Überschrift –, aber wir schreiben hier hinein – und das geht in der Tat weiter als eine Kennzeichnung –, auf europäischer Ebene Alternativen zu Bisphenol A anzustreben.
Das heißt, es ist ein Forschungsauftrag, und es ist letztendlich auch ein politisches Signal, dass wir diesen Stoff insgesamt für gefährlich und beobachtungswürdig halten, dass wir ihn in Teilen sogar jetzt schon verboten haben und dass wir für die Zukunft davon ausgehen, dass man ihn aussourcen muss, dass es aber im Moment für ein Verbot auf nationaler Ebene nicht ausreicht und dass auf europäischer Ebene erst noch geprüft werden muss. Das ist auch der Grund für diesen Antrag mit dem Verbot in der Überschrift und der Formulierung im Text, Alternativen zu Bisphenol A auf europäischer Ebene anzustreben. Übrigens geht das weiter als Ihr ursprünglicher Antrag, und ich denke, wir liegen nicht so weit auseinander. Vielleicht kann man das gleich auch in der Abstimmung deutlich machen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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