Reiner Priggen: „Eine ländliche Kommune ohne Einzelhandel verarmt genauso wie eine entsprechende Kommune in den Ballungszentren“

Antrag von GRÜNEN und SPD zu digitalem und lokalem Handel

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir beobachten im Einzelhandel permanente Veränderungsprozesse. Die Namen Woolworth, Karstadt, Horten haben unsere Innenstädte geprägt und sind in Teilen auf dem Rückzug. In der Peripherie finden sich Lebensmittelsupermärkte. Auch das hat den Einzelhandel in den Städten stark verändert.
Aber jetzt kommt die größte technologische Revolution unserer Zeit, die Digitalisierung. Das bedeutet eine erneute, sehr große Herausforderung für den Handel und den Einzelhandel. Namen wie Amazon und Zalando, die neue leichte Verfügbarkeit für die Käufer, bequem von zu Hause aus übers Internet bestellen und gegebenenfalls bei Nichtgefallen ohne Kosten zurückschicken – das ist das neue Modell. Das macht dem Handel in den Städten schwer zu schaffen, weil er Marktanteile verliert.
Ich gestehe, dass ich eine klammheimliche Freude hatte, als neulich bekannt wurde, dass Zalando schlechte Quartalszahlen schreibt. Die Rücksendungen und die schlechte Zahlungsmoral machen Zalando zu schaffen. Da habe ich gedacht: So einfach ist das vielleicht doch nicht.
(Zuruf von der CDU)
Auf der anderen Seite ist für uns in den Städten der unternehmergeführte Einzelhandel sehr wertvoll. Unser Buchhändler ist kein namenloser Handelskonzern, der mit schnellem Paketservice arbeitet und sein Personal schlecht behandelt. Er ist Teil des kulturellen und sozialen Mikrokosmos in den Städten und kümmert sich um wesentlich mehr als darum, innerhalb von 24 Stunden etwas zu besorgen, obwohl er das auch kann. Das gilt auch für alle anderen; der Buchhandel ist nur ein Beispiel. Auf viele Fachgeschäfte in den Innenstädten – nicht nur in Ballungszentren, sondern auch in ländlichen Räumen – wollen wir auf keinen Fall verzichten.
In einer Reihe von Städten auch in Nordrhein-Westfalen – ich nenne Mönchengladbach und Wuppertal – gibt es jetzt Initiativen im üblichen Einzelhandel, die Digitalisierungsmöglichkeiten zu nutzen und den Kunden klarzumachen, dass auch der Einzelhändler in der Stadt das kann, was die großen Versandhändler können. Er hat ein sehr gutes Sortiment, ein sehr gutes Angebot, und im Zweifel hat er in den Städten noch ganz andere Funktionen für die Quartiere, für die Kommunen. Denn eine ländliche Kommune ohne Einzelhandel verarmt genauso wie eine entsprechende Kommune in den Ballungszentren.
Diese Initiativen der Kommunen, die in Wuppertal, in Mönchengladbach anlaufen, wollen wir als Regierungsfraktionen unterstützen. Wir haben uns verständigt, dass wir gerne in jedem Regierungsbezirk eine solche Musterkommune hätten – nicht nur in den großen Städten, sondern auch im ländlichen Raum, in Städten mit kleinerer Einwohnerzahl –, um Initiativen, vor Ort ins Leben gerufen, zu unterstützen.
Damit das gleich klar ist: Wir werden nicht den Geldkübel ausschütten. Es muss eine Initiative vor Ort sein, wie das auch in den anderen Beispielen der Fall ist. Es muss der Einzel-handel vor Ort sein; es muss die Lokalpolitik sein, die das nach diesem Beispiel ausprobieren will. Dann wollen wir das Ganze unterstützen und wissenschaftlich begleiten. Wir wollen auch, dass das, was in diesen Kommunen ausprobiert wird, auf alle anderen übertragbar ist. Es handelt sich also nicht um einen Closed Shop, sondern alle anderen sollen das mitkriegen.
Wer die Gelegenheit hatte, zu verfolgen, was gestern in Wuppertal geschehen ist – viele haben sich getroffen, in dem Bereich ist etwas los –, weiß: Es gibt keine Garantie dafür, dass das klappt. Wir unterstützen vielmehr einen Versuch über drei Jahre – das ist der an-gedachte Zeitraum –, und dann muss sich zeigen, inwieweit er erfolgreich ist. Das ist ja ein neuer Tätigkeitsbereich. In Wuppertal sind die Anfänge gemacht worden; auch dort muss es sich zu einem tragfähigen Modell entwickeln. Aber es ist jedenfalls eine Initiative, die vor Ort entstanden ist, um selber etwas anzupacken, ohne sich einfach den Prozessen der großen Onlinehändler auszuliefern – ein guter Vorstoß aus den Kommunen.
Das greifen wir als Regierungsfraktionen auf. Wir wollen das weiter ausrollen. Der Wirtschaftsminister, der für den Handelsbereich zuständig ist, soll ein Wettbewerbsmodell ausschreiben, für das sich Kommunen bewerben können. Wir wollen eine qualifizierte Auswahl treffen und den Versuch über drei Jahre begleiten. Ich halte das für gut.
Ich gehe davon aus, dass die Regierungsfraktionen dazu eine Anhörung beantragen werden, um zusammen mit den Handelsverbänden und anderen zu diskutieren, wie die Modellprojekte unterstützt werden und wie weitere Kommunen davon profitieren können. Das ist aus meiner Sicht ein sehr guter Vorschlag.
Wir bitten um Überweisung, aber im weiteren Verfahren auch um Unterstützung und Zustimmung. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen.