Sigrid Beer: „Auf einem Schulhof eines Gymnasiums, fünfte Klasse: ‚Förderschule war gestern, heute sind wir normal'“

Antrag der FDP zur Inklusion an Schulen

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Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Birkhahn! Wir können uns hier natürlich einzelne Geschichten erzählen – das kann ich auch gern tun –: von den Eltern, die froh waren, dass sie für ihr Kind jetzt endlich einen Platz im gemeinsam Unterricht bekommen, von zwei Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf „geistige Entwicklung“, die an der Tischtennisplatte sagen – übrigens eine Begebenheit auf einem Schulhof eines Gymnasiums, fünfte Klasse: Förderschule war gestern, heute sind wir normal. Uns geht es gut.
Wollen wir uns jetzt diese Geschichten hin und her erzählen? Das ist, glaube ich, nicht der Punkt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich will auf Ihren Antrag eingehen, Frau Gebauer. Ich finde: So geht es nicht.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])
Wir können hier fachlich diskutieren, aber wer mit dieser Aggressivität …
(Widerspruch von Yvonne Gebauer [FDP])
– Sie reden von „Zerschlagung“.
(Yvonne Gebauer [FDP]: Ja!)
Sie reden davon, dass Kinder in den Klassen verwahrt werden. Das ist eine Unverschämtheit gegenüber den Schulen in Nordrhein-Westfalen, die mit Engagement und mit Sachkunde genau diesen Inklusionsprozess vorantreiben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])
Lesen Sie doch mal Ihren Antrag. Der ist martialisch von Anfang bis Ende.
(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von Yvonne Gebauer [FDP] – Weitere Zurufe)
Er ist nicht dem Thema angemessen; das will ich sehr deutlich sagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sollten vielleicht auch einmal die Information zur Kenntnis nehmen, die zum Beispiel die Ministerin in ihrer Jahresauftaktpressekonferenz …
(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
– Herr Hafke, Sie verstehen mich doch gut.
(Marcel Hafke [FDP]: Ja! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Man hört Sie, verstehen tut man Sie nicht!)
Das muss deutlicher werden, was wir zu sagen haben.
Herr Stein, auch für Sie zum Nachlesen – dann muss ich gar nicht so viel reden –: Unterlagen aus der Jahresauftaktpressekonferenz. Da sehen Sie, dass es derzeit im Land 47 auslaufende Förderschulen gibt. Das sind die Förderschulen „Lernen“ von – noch einmal – 494 Förderschulen, die bestehen. So viel zum Thema „Zerschlagung des Förderschulsystems in Nordrhein-Westfalen“.
(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben das organisiert!)
Sie haben hier doch ganz bewusst ein falsches Bild gezeichnet.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sehr geehrter Herr Kollege Hovenjürgen, da machen Sie auch gerade wieder mal mit – offensichtlich auch ohne Sachkunde.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ja, genau! – Weitere Zurufe)
Denn auch das ist Fakt: Es hat doch vorher niemanden gestört, dass die Eltern von Kindern in Förderschulen ihre Kinder sehr wohl sehr weit haben transportieren lassen müssen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wo liegen denn die Förderschulen im Gebiet? Ob das KmE ist, ob das GE ist – die sind doch nicht wohnortnah. Da sind die Kinder immer schon gefahren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Was wir im Augenblick im Land erleben, Frau Gebauer, ist, dass Trägerschaften wechseln, dass die Landkreise Trägerschaft übernehmen und dass es ein geordnetes Konzept gibt, auch die Angebote der Förderschulen auch in der Fläche vorzuhalten.
Wer das nicht wahrnehmen will, der kommt dann zu solchen Anträgen. Sachlich finde ich es unglaublich, dass ein solches Bild gezeichnet wird und dass Sie versuchen, mit solchen Vokabeln das Ganze schlechtzureden.
Sie nehmen auch nicht wahr – Herr Kollege Kaiser, ich dachte, Sie würden intensiv lesen, was die stellvertretende Ministerpräsidentin zum Schuljahresauftakt erzählt –, dass 22.000 Lehrer allein im letzten Jahr an der Fortbildung „Auf dem Weg zur inklusiven Schule“ teilgenommen haben, davor über 17.000. Dies zum Thema „Vorbereitung“. Das haben Sie offensichtlich auch völlig ausgeblendet.
Wie uneinig Sie sind, das haben wir gerade eben erlebt. Die FDP sagt, wir müssten endlich einmal Schwerpunktschulen machen. Das ist aber essenzieller Bestandteil des Konzeptes.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Kollegin Birkhahn sagt, Schwerpunktschulen sollte man nicht einrichten, sondern man sollte sich einmal anschauen, was in der Fläche ist. Sie widersprechen sich also in der Darbietung. Diesen Widerspruch finde ich schon ganz enorm.
Wenn es Ihnen um Qualität geht, frage ich Sie, was denn mit der Mindestgrößenverordnung passiert ist.
(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])
Gerade in der Qualität den Blick darauf zu legen, dass wir durch das Elternwahlverhalten Förderschulen im Bereich Lernen mit unter 20 Schülerinnen und Schüler im Land hatten, was hat das mit der Qualität zu tun, die wir gerade auch den Kindern angedeihen lassen wollen, und mit dem Einsatz von Lehrerressourcen und sonderpädagogischer Kompetenz im Land? – Nein, so geht es wahrhaftig nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist wirklich in der Zusammenstellung ein unsäglicher Antrag, weil Sie in der Tat versuchen – das ist der leicht durchschaubare Hintergrund –, ein bestimmtes Bild zu malen. Die Schulaufsichtsbeamten bedanken sich. Die sagen, wir haben jetzt die Inklusionsfachberater vor Ort, wir haben die Inklusionskoordinatorinnen. Mehr als 1 Milliarde € ist in diesen Prozess hineingebracht worden. Dieser Prozess wird nicht übers Knie gebrochen, sondern schrittweise entwickelt. Sie können aus den Zahlen auch nicht ablesen, dass es jetzt Riesensprünge bei den Inklusionsanteilen gibt. Noch nicht einmal das ist der Fall. Herr Hafke, Lesen bildet also – auch in diesem Fall.
Die Jahresauftaktpressekonferenz der Ministerin bietet Fakten. Dieser Antrag hingegen ist relativ faktenfrei.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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