Monika Düker: „Genau die Zahl, die wir ausbilden können, wird jetzt von Rot-Grün eingestellt“

Antrag der FDP zu neuen Polizeianwärterstellen

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Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Witzel, ich nehme an – schließlich ist Herr Lürbke heute nicht da –, dass Sie für Ihren Fachpolitiker den Antrag eingebracht haben. Ihrem Kollegen Herrn Lürbke glaube ich tatsächlich seinen durchaus ehrenhaften Anspruch, sich hier im Landtag für mehr Sicherheit einsetzen zu wollen. Aber bei Ihnen, Herr Witzel, wirkt das – freundlich formuliert – doch etwas unglaubwürdig. Denn Sie waren 2005 bis 2010 Mitglied des Landtags, als die FDP den Innenminister gestellt hat.
(Ralf Witzel [FDP]: Unverschämt!)
Ich zitiere hierzu – es handelt sich um keinen Grünen; er ist ganz unverdächtig – den damaligen Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft NRW, Rainer Wendt. Er gehört bekanntermaßen nicht zur grünen Kernklientel und sagte während der Regierungszeit Ihres Innenministers, die Polizei in NRW funktioniere nicht wegen, sondern trotz dieses Innenministers gut. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Witzel, in Ihrer Regierungszeit wurden unter Ihrem Innenminister – Herr Lohn, das gehört zur Wahrheit dazu; Sie vergessen immer mindestens die Hälfte der Wahrheit – in 2006 500 – in Worten: fünfhundert – Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter eingestellt. Versprochen wurden damals im Wahlkampf 1.000. 2007 wurde dieses Wahlversprechen erneut gebrochen. Das ist noch keine zehn Jahre her, Herr Lohn, und die demografische Entwicklung war auch damals schon bekannt. Das wissen Sie ganz genau.
(Ralf Witzel [FDP]: Abbauplan!)
2007 waren es noch einmal 500 Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter. Diese Zahl lag aber deutlich unterhalb des erforderlichen Nachersatzes, damit die Polizeistärke überhaupt hätte erhalten werden können.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Ich möchte gar nicht davon sprechen, dass Sie eigentlich damals schon über Bedarf hätten einstellen müssen. Denn, wie gesagt, schon damals war die demografische Entwicklung bekannt, auch wenn Herr Wolf sie immer in den Schubladen gelassen hat.
(Beifall von Matthi Bolte [GRÜNE])
Also lautet das Fazit: Am Ende Ihrer Regierungszeit steht bei der Polizei ein Minus.
Ich sagte es bereits: 2006 haben Sie 500 Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter eingestellt. Das ist knapp zehn Jahre her.
Wo stehen wir jetzt? – Im Jahr 2015 stellt die rot-grüne Landesregierung nachweislich der Ergänzungsvorlage zum Haushalt 2015 1.892 Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter ein. Ganz grob betrachtet ist das fast eine Vervierfachung der Einstellungszahl in Ihrer Regierungszeit, Herr Lohn und Herr Witzel.
Insofern ist Ihr Antrag, Herr Witzel – freundlich formuliert –, unglaubwürdig. Ich könnte auch sagen, es ist ziemlich dreist,
(Beifall von den GRÜNEN)
dass Sie meinen, Ihnen würde hier jemand abnehmen, dass Sie sich ehrlich und ernsthaft dafür einsetzen, dass das Personal bei der Polizei aufgestockt wird. Nein, das glaubt Ihnen hier niemand. Herrn Lürbke, wie gesagt, nehme ich das ab.
(Ralf Witzel [FDP]: Das ist eine bodenlose Unverschämtheit, was Sie hier vortragen!)
Denn er hat die Gnade der späten Geburt und kann nicht genau wissen, was hier damals tatsächlich passiert ist. – So weit die Zahlen.
Ich will es mir aber nicht zu einfach machen, will Ihnen nicht nur die Zahlen um die Ohren hauen und sagen: Das reicht jetzt. Jetzt brauchen wir nichts mehr zu machen. – Das gehört nämlich auch zur Klarheit und Wahrheit dazu, Herr Lohn: Selbst die Einstellungszahlen, die wir jetzt beschlossen haben, werden nicht reichen.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lohn?
Monika Düker (GRÜNE): Ich tue das immer gerne. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Lohn, ist mir das nicht lästig. Bitte schön.
Werner Lohn (CDU): Frau Düker, herzlichen Dank. Es ist mir unerklärlich, wie ich eben vergessen konnte, noch auf Ihre Zwischenfrage einzugehen.
Monika Düker (GRÜNE): Tja, so ist das.
Werner Lohn (CDU): Aber dafür haben wir jetzt die Gelegenheit.
Können Sie mir bitte erklären, wie Sie zu dem Ergebnis kommen, zu Zeiten von CDU und FDP sei in der Polizeiausbildung reduziert worden, obwohl – ich hatte es eben bereits gesagt – in 2004 die Einstellungszahlen von Ihnen auf 480 reduziert wurden und wir diese in 2008 auf 1.100 heraufgesetzt und damit mehr als verdoppelt haben? Wie kommen Sie zu dem Ergebnis, dass die von Ihnen vorgenommene Reduzierung um mehr als die Hälfte – wir haben die Zahl anschließend mehr als verdoppelt – eine Reduzierung durch CDU und FDP wäre? Das kann nur grüne Logik sein, die mit Wahrheit nichts zu tun hat.
(Beifall von der CDU und der FDP)
Monika Düker (GRÜNE): Herr Lohn, Sie sollten Ihre Reden, die Sie hier schon vor Jahren gehalten haben, nicht einfach abschreiben. Genau die gleiche Debatte – ich kann sie Ihnen heraussuchen – haben wir vor ein paar Jahren schon einmal geführt.
Ihre Rechnung, dass damals zu rot-grünen Regierungszeiten Stellenabbau betrieben wurde, hat einen ganz einfachen Hintergrund: Erstens hatten wir – es war streitig – hier die 41-Stunden-Woche für Beamtinnen und Beamte eingeführt. Das war ziemlich hart, aber das war schon damals ein Konsolidierungsbeitrag. Diese 41-Stunden-Woche auch bei den Polizistinnen und Polizisten brachte ein Stellenäquivalent von 2.000 Stellen. Einen Teil davon – nicht die kompletten 2.000 Stellen – haben wir befristet für zwei Jahre mit verrechnet.
(Werner Lohn [CDU]: Weil Sie abgewählt wurden!)
Insofern war es kein Stellenabbau, wie Sie es darstellen.
Zweitens vergessen Sie bei dieser Zahl immer, dass wir in diesen Zeiten den Regierungsumzug von Bonn nach Berlin verrechnet haben. Dabei sind Aufgaben für die Stadt Bonn, verbunden mit einem hohen Stellenäquivalent, weggefallen.
(Dirk Schatz [PIRATEN]: Und das jedes Jahr? Interessant!)
Der Abbau, den Sie hier so proklamieren, hat schlicht und einfach etwas mit Aufgabenverlagerung und damit zu tun, dass wir das kompensiert haben. Ja, es waren harte Einschnitte durch eine 41-Stunden-Woche und durch eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit.
Den Teil der Wahrheit lassen Sie immer wieder weg, aber wahrscheinlich werden wir diese Auseinandersetzung nicht das letzte Mal geführt haben. Daher ist es gut, dass Sie mir Gelegenheit gegeben haben, diese immerwährenden Falschdarstellungen hier zu korrigieren. Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Nach Ihrer Logik ist die Polizei überbesetzt, oder was?)
Zurück zur Frage, was eigentlich mehr nötig ist, als einfach mehr Personal einzustellen. Herr Witzel, da gibt es einen ganz keinen Nebensatz in Ihrem Antrag, und das ist schade. Denn da bleiben Sie jede Antwort auf die spannende Frage schuldig. Sie schreiben, dass wir mehr Polizei brauchen – das ist immer einfach und schön –, aber da steht auch drin: Neben mehr Polizei brauchen wir auch einen notwendigen Prozess der Aufgabenkritik und der Überprüfung von Synergieeffekten.
Was sagen Sie denn dazu? Dieser Frage müssen wir uns doch alle stellen, wenn wir uns nicht vor der Verantwortung drücken wollen.
Es gab mal Zeiten, da hatte Ihr innenpolitischer Sprecher – Horst Engel hieß er – mutige Vorschläge. Er sich nämlich dazu bekannt und gesagt, wir müssen unter Umständen die Polizeistrukturen anpacken, unter Umständen Behörden zusammenlegen – das konnten Sie damals in Ihrer Regierungszeit auch nicht umsetzen – und schauen, wie wir auch bei der Aufgabenkritik weiterkommen.
(Ralf Witzel [FDP]: Wir haben doch Polizeipräsidien zusammengelegt!)
So, jetzt liegt ein Kommissionsbericht auf dem Tisch, zu dem es Vorschläge gibt. Ich habe von Ihnen noch kein Wort dazu gehört – auch nicht von Ihnen, Herr Lohn –, wie man sich dieser viel schwierigeren, aber aus meiner Sicht unabdingbar notwendigen Herausforderung stellen will, wie man denn innerhalb der Strukturen Effizienzgewinne schafft, wie man durch Aufgabenkritik unter Umständen auch bei den Kernaufgaben der Polizei schaut, welche Aufgaben übertragen werden können oder schlicht und einfach wegfallen; Stichwort: Bagatellverkehrsunfälle und Objektschutz.
Ich glaube, wir brauchen mal eine ehrliche Debatte, ob wir es uns wirklich noch leisten können – ich sage es mal ungeschützt, aber diese ehrliche Debatte würde mich interessieren –, überall bei der Bestreifung im niedrigschwelligen Bereich, bei der Bestreifung so vieler Objekte Beamte des gehobenen Dienstes im Streifenwagen einzusetzen. Ich möchte diese Debatte mal führen, anstatt ständig über das Thema „Mehr Polizei“ zu reden, das überhaupt nicht weiterführt. Denn genau die Zahl, die wir ausbilden können, wird jetzt von Rot-Grün eingestellt.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Ende.
Monika Düker (GRÜNE):Vielmehr müssten wir – davor drücken Sie, Herr Lohn, und Sie, Herr Witzel, sich – die sehr viel schwierigere Debatte führen, wie wir innerhalb der Strukturen der Polizei eine bessere Ablauforganisation hinkriegen und eine ehrliche Aufgabenkritik führen. Darauf würde ich mich freuen. Leider hat das heute nicht geklappt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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