„Grüne Drogenpolitik ebnet Wege aus der Sucht“

Arif Ünal zur Diskussion um Cannabis:

Die GRÜNEN im Landtag NRW haben sich in der Fraktionssitzung am Dienstag mit einem Positionspapier für Modellversuche zur kontrollierten Abgabe von Cannabisprodukten ausgesprochen. Arif Ünal, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion, beantwortet hierzu fünf Fragen.

In Deutschland wird momentan viel über Entkriminalisierung von Cannabis debattiert. Dass Cannabis eine Droge ist, bestreitet niemand. Wieso sollten wir ein Suchtmittel erlauben, das bisher verboten ist?
Arif Ünal: Die Cannabis-Verbotspolitik ist gescheitert, weil sie den Cannabis-Konsum nicht verhindert, sondern die rund 2,3 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten kriminalisiert. Der Cannabis-Konsum steigt trotzdem. Gleichzeitig eröffnet sie der organisierten Drogenkriminalität einen Markt. Die Verbotspolitik wird nicht ohne Grund in Deutschland überdacht. Die Niederlande, Portugal und einige Staaten der USA haben Cannabis entkriminalisiert. Studien zeigen, dass in diesen Ländern nicht mehr Menschen Cannabisprodukte konsumieren als dort, wo der Konsum bestraft wird.
Auch heute werden Bürgerinnen und Bürger für Cannabis-Besitz kaum noch bestraft. Macht es wirklich einen Unterschied, ob der Besitz auch formal erlaubt wird?
Arif Ünal: Aber natürlich! Momentan werden Menschen für etwas gesellschaftlich weitgehend Akzeptiertes kriminalisiert. Konsumentinnen und Konsumenten müssen sich strafbar machen, um Cannabis zu erwerben. Gesetze und gesellschaftliche Wirklichkeit passen also nicht zusammen. Außerdem sind Polizei und Strafverfolgungsbehörden zunächst einmal gezwungen, sich mit allen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu beschäftigen. Die Verfahren werden dann in der Regel eingestellt. Aber bis dahin haben Polizei und Staatsanwaltschaften schon viel Arbeitszeit solche Fälle investiert. Die könnte man besser nutzen, um zum Beispiel schwere Verbrechen zu bekämpfen.
Die GRÜNE Fraktion im Landtag NRW fordert Modellversuche für eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten. Welche Vorteile bietet die kontrollierte Abgabe Konsumentinnen und Konsumenten?
Arif Ünal: Sie könnten durch die kontrollierte Abgabe sicher sein, dass erworbene Cannabisprodukte frei von gefährlichen Zusatzstoffen sind. Das ist auf dem Schwarzmarkt anders. Dort gibt es keinen Verbraucherschutz. Kriminelle mischen beispielsweise Glas und Blei unter, um eine höhere Gewinnmarge zu erzielen. Bei der kontrollierten Abgabe würde gleichzeitig ein strenger Verbraucherschutz eingeführt, Inhaltsstoffe würden transparent gemacht. So wüssten Käuferinnen und Käufer auch, wie hoch der THC-Gehalt in ihrem Cannabis ist. Sie könnten damit die Wirkung besser einschätzen. Heute ist der THC-Gehalt für sie heute kaum nachprüfbar.
Die Piratenfraktion stellt diese Woche im Landtag einen Antrag zu Entkriminalisierung von Cannabis. Was hältst du von der Initiative?
Arif Ünal: Das wichtigste Ziel Grüner Drogenpolitik ist, Sucht zu verhindern und Wege aus der Sucht zu bieten. Die Themen Suchtprävention und Jugendschutz kommen im Antrag der Piraten viel zu kurz. Wie die Piraten wollen wir Modellversuche zur kontrollierten Abgabe. Da hören die Gemeinsamkeiten aber fast schon auf. Wir wollen die Versuche intensiv wissenschaftlich begleiten und mit breiten Aufklärungs-, Präventions- und Suchthilfekampagnen flankieren. Die Entkriminalisierung kann vielen Menschen den Weg ebnen, offener mit ihrem Konsum umzugehen und Hilfe zuzulassen. Diese Menschen brauchen dann kompetente Information zur Wirkung von Cannabis und Beratung zu Wegen aus der Sucht, nicht nur Infoflyer und Fragebögen.
Die GRÜNE Landtagsfraktion hat sich nun positioniert und wird sicher alles versuchen, um die kontrollierte Abgabe zu realisieren. Aber auch im Bund gibt es Handlungsbedarf. Was muss die Bundesregierung für eine moderne Cannabispolitik tun?
Arif Ünal: Die Cannabis-Politik braucht ein neues gesetzliches Fundament. Der Bund muss endlich die derzeitige juristische Grauzone auflösen. Cannabis gilt momentan zwar als illegale Droge, aber Konsumentinnen und Konsumenten dürfen geringe Mengen Cannabis mit sich führen. Diese Menge haben wir in NRW 2011 von ursprünglich sechs auf zehn Gramm angehoben. Auch Verfahren werden in den meisten Fällen eingestellt. Sinnvoller wäre es, Cannabis aus den strafrechtlichen Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes herauszunehmen und die Voraussetzungen für einen streng kontrollierten Markt zu schaffen. Die Union muss ihre irrationale Angst vor Cannabis ablegen und sich endlich auf Sachargumente einlassen. Die momentane Situation nutzt weder Konsumentinnen und Konsumenten, noch ermöglicht sie effektiven Verbraucherschutz oder Präventionsarbeit. Allein kriminelle Drogenhändlerinnen und Drogenhändler profitieren.
Die GRÜNE Bundestagfraktion hat mit ihrem Entwurf für ein Cannabiskontrollgesetz einen guten Vorschlag gemacht. Dieser zeigt, wie eine regulierte legale Abgabe von Cannabis aussehen könnte, die endlich die schützt, die Schutz brauchen – nämlich Kinder und Jugendliche. Außerdem würden erwachsene Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr kriminalisiert und für Beratung und Hilfe erreichbar.