Unabhängige Patientinnen- und Patientenberatung sicherstellen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen

Ausgangssituation

Die Beratungsstellen der Unabhängigen Patientenberatung in Deutschland (UPD) sind in den letzten Jahren zu einer wichtigen Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten und deren Angehörige geworden, Sie bieten kompetente, neutrale, kostenfreie und vor allem unabhängige Beratung. Nicht selten kommt es im Versorgungsalltag zu Interessenkonflikten. Ziel der unabhängigen Beratung ist es, Patientinnen und Patienten im eigenen Interesse zu beraten und bei ihrer Orientierung zu stärken – unabhängig von möglichen Interessen der Kostenträger oder Leistungserbringer. So geht es um eine Orientierung an den Fragen und Interessen der Patientinnen und Patienten. Neutralität und Unabhängigkeit in der Beratung sind dabei die entscheidenden Faktoren. Bereits im Jahr 2005 hatte die wissenschaftliche Begleitforschung in einem Resümee der ersten Modellphase konstatiert, dass die Interessen der Patienten und Verbraucher nicht überlagert werden dürfen und die unabhängige Patientenberatung weder inhaltlich noch organisatorisch partikularen Interessen verpflichtet sein darf.  Der Unabhängigkeitsbegriff bezieht sich dabei auf die finanzielle, ideelle und organisatorische Unabhängigkeit gleichermaßen.
Seit Beginn 2000 gibt es in Deutschland eine unabhängige Patientenberatung. Dieses Projekt ist nach einer zehnjährigen Modellphase ab dem 01.01.2011 als Regelaufgabe im Sozialgesetzbuch V (SGB V) verankert worden. Bisherige Träger der UPD sind der Sozialverband VdK Deutschland, der Verbraucherzentrale Bundesverband und der Verbund unabhängige Patientenberatung (VuP e.V.). Der Spitzenverband der Krankenkassen ist verpflichtet, die UPD mit ihren bundesweit über 21 Beratungsstellen zu finanzieren. Diese werden zunehmend von den Patientinnen und Patienten in Anspruch genommen. Seit Gründung der UPD ist die Beratungsnachfrage kontinuierlich gestiegen. So wurden in den letzten beiden Jahren bereits jeweils über 80.000 Beratungen zu rechtlichen, medizinischen und psychosozialen Gesundheitsfragen mit Patientinnen, Patienten und deren Angehörigen durchgeführt. Die Evaluation der Arbeit der UPD durch das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) ergab, dass die Beratung der UPD qualitativ auf hohem Niveau erbracht wurde, wobei das Qualitätsniveau während der letzten Förderphase noch kontinuierlich gesteigert werden konnte. Nach Auffassung der Begleitforschung erfolgt die Beratung der UPD sowohl hinsichtlich subjektiver, personenbezogener als auch hinsichtlich objektiver, sachbezogener Qualitätsstandards inhaltlich informativ, weiterführend und korrekt, neutral, angemessen in ihrer Verweisfunktion, freundlich und verständlich sowie zuverlässig. (vgl. IGES Evaluationsbericht)
Der derzeitige Förderzeitraum und bestehende Vertrag läuft Ende 2015 aus. Nach Medienberichten soll ab 2016 die Duisburger Firma Sanvartis für sieben Jahre die Aufgabe übertragen bekommen. Das Unternehmen unterhält in Deutschland bereits Call-Center für Krankenkassen und Pharmafirmen und damit Geschäftsbeziehungen. Somit ist Sanvartis ein klassischer Dienstleister, der im Sinne des jeweiligen Kunden dessen Ziele verfolgt. Die Ziele der Patientinnen und Patienten sind hier nachrangig. Sanvartis ist auf Versorgungsmanagementansätze orientiert, nicht auf eine Beratung von Patienten und Patientinnen im Sinne des § 65 b SGB V. Da sich die meisten Beschwerden der Patientinnen und Patienten, die eine Beratung in Anspruch nehmen, im Kern auf die Krankenkassen beziehen, ist ein neutrales Verhalten dieses Unternehmens nicht gewährleistet.

Die Notwendigkeit einer unabhängigen Patientenberatung

Zur Förderung der Autonomie der Patientinnen und Patienten ist in § 65 b SGB V die Förderung einer Unabhängigen Patientenberatung festgeschrieben: „Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen fördert Einrichtungen, die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Patientinnen und Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen qualitätsgesichert und kostenfrei informieren und beraten, mit dem Ziel, die Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu stärken und Problemlagen im Gesundheitssystem aufzuzeigen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen darf auf den Inhalt oder den Umfang der Beratungstätigkeit keinen Einfluss nehmen. Die Förderung einer Einrichtung zur Verbraucher- und Patientenberatung setzt deren Nachweis über ihre Neutralität und Unabhängigkeit voraus.“ Somit ist gesetzlich festgelegt, dass jeder kleinste Interessenkonflikt zulasten der Patientinnen und Patienten ausgeschlossen bleiben muss. Mit dem AMNOG vom 22.12.2010 wurde der Grundgedanke der Unabhängigkeit durch Einführung eines Einflussnahmeverbots gemäß Satz 2 noch einmal modifiziert. Die Einführung dieser Regelung verfolgte den Zweck, die Unabhängigkeit als wesentliches Kernelement des Beratungsangebots im Vergleich zur vorherigen Fassung des § 65 b SGB V zu stärken.
Die neutrale Patientenberatung durch unabhängige Institutionen hat sich bundesweit als leistungsfähiges Beratungsinstrument etabliert, ganz im Sinne der hilfesuchenden Menschen. Die derzeitige Finanzierung der unabhängigen Beratung durch den GKV-Spitzenverband, an den sich gleichsam die meisten Beschwerden von Patientinnen und Patienten richten, ist ein Konstrukt, das gegenseitige Wachsamkeit garantiert.
Dieses hohe Niveau von ausbalancierter Gewichtung der Kräfteverhältnisse zwischen Patientinnen und Patienten auf der einen sowie Krankenkassen auf der anderen Seite kann nur mit einem von Krankenkassen und Leistungserbringern unabhängigen Beratungs- und Informationsangebot in Deutschland beibehalten werden. Diese Unabhängigkeit ist eine Voraussetzung, um Autonomie und Eigenverantwortung von Patientinnen und Patienten zu stärken. Privatwirtschaftliche Anbieter auf dem Gesundheitsmarkt gewährleisten diese Unabhängigkeit nicht.

Der Landtag stellt fest:

Neben dem Ausbau sind die strukturellen Rahmenbedingungen der unabhängigen Patientenberatung weiterzuentwickeln. Ziel muss es dabei sein, die unabhängige Patientenberatung in Deutschland im Sinne der Patientinnen und Patienten zu stärken. Dieses wurde auch im Beirat der Unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung angeführt. Deshalb ist es sehr kritisch zu bewerten, dass dieses Kriterium im Bewertungsverfahren zu den Bietern nur sehr gering und damit nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat.
Eine unabhängige Beratung von Patientinnen und Patienten muss regional und dezentral angesiedelt und damit auch im persönlichen Kontakt erreichbar sein. Dies ist ein Kernbereich der Beratung. Ebenso wird die bundesweite telefonische Erreichbarkeit auch ein wesentliches Angebot darstellen.
Mit dem Zuschlag an einen privatgewerblichen Bieter, der zudem in Arbeitsbeziehung zu einer Reihe von Kassen steht, wurde das für eine gute Beratung im Sinne der Patienten und Patientinnen unerlässliche Kriterium der „Unabhängigkeit“ gänzlich unterlaufen. Deshalb bedarf es eines neuen Vergabeverfahrens, das die gesetzlichen Vorgaben bezüglich Neutralität und Unabhängigkeit voll erfüllt. Die Forderung nach Unabhängigkeit und Erreichbarkeit der Beratungseinrichtung muss bei der Entscheidung für einen Bieter angemessen berücksichtigt werden.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

sich dafür einzusetzen, dass die Unabhängigkeit der Patientinnen- und Patientenberatung auch in Zukunft sichergestellt wird.