Monika Düker: „Handeln, damit es den Menschen, die hier ankommen, auch besser geht.“

Unterrichtung der Landesregierung zur Ministerpräsidenten-Konferenz

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das letzte und dieses Jahr waren geprägt von einem zähen Ringen um den Umgang mit den steigenden Zahlen von Geflüchteten. Allein im letzten Jahr gab es zwei sogenannte Asylkompromisse im Bundesrat, dieses Jahr schon zwei Flüchtlingsgipfel; der letzte hier im Juni, zu dem wir heute die Unterrichtung haben. Und es ist noch lange nicht zu Ende.
Es ging und es geht weiter um zwei große Themenkomplexe. Der erste ist: Wann und vor allen Dingen wie übernimmt der Bund Verantwortung und beteiligt sich der Bund endlich an den Kosten und vor allem an der Unterstützung der Kommunen? Der zweite Komplex behandelt die Frage: Wie gelingt für die Flüchtlinge, die zu uns kommen, eine schnellere, bessere Integration? Oder: Soll sie überhaupt gelingen?
Beim ersten Punkt geht es um Verteilungskämpfe. Die sind immer schwierig. Aber – in dieser Hinsicht ist ein entscheidender Schritt nach vorne gemacht worden; die Ministerpräsidentin hat es bereits dargestellt – zum ersten Mal begreift auch der Bund die Unterbringung und Versorgung als nationale Gemeinschaftsaufgabe.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal meinen Dank an Hannelore Kraft richten. Denn die Länder und auch ihr zähes Ringen und Kämpfen in manch nächtlicher Sitzung haben dazu beigetragen, dass wir endlich zu dieser Aussage gekommen sind und ab 2016 etwas erwarten dürfen. Herzlichen Dank auch an die Ministerpräsidentin!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Bei der zweiten Frage, nämlich „Wie gelingt Integration? Wie nehmen wir die Menschen hier auf?“, geht es in der Tat um etwas sehr viel Schwierigeres als um die Verteilung von Geld, und das will etwas heißen. Hier geht es um ideologische Barrieren in den Köpfen, die noch sehr viel schwieriger zu überwinden sind.
Dafür hat Herr Laschet – er ist jetzt nicht mehr im Raum – heute ein Paradebeispiel geliefert. Er verkündete hier vollmundig: Wir müssen überlegen, wie wir Menschen, die als Asylbewerber zu uns kommen, vielleicht auch als Arbeitsmigranten gebrauchen können, und das einmal umswitchen. Wir brauchen ein neues Denken. Wir möchten die Leute aufnehmen und sie integrieren.
Genau diesem alten Denken ist die CDU nach wie vor verhaftet, weswegen wir in dieser Hinsicht nicht vorankommen. Wenn er hier die Glocken von Herrn Woelki lobt, sollte er bzw. sollten Sie von der CDU sich vielleicht auch einmal anhören, was Herr Woelki zu der aktuellen EU- und zur deutschen Flüchtlingspolitik zu sagen hat. Denn das ist viel mehr, als nur betroffene Gesichter beim Glockenläuten zu machen, nämlich Handeln, damit es den Menschen, die hier ankommen, auch besser geht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich nenne Ihnen dazu ein ganz konkretes Beispiel, weil die Zeit nicht ausreicht, das ausführlicher zu erklären. Das Beispiel sind junge Flüchtlinge in Ausbildung. Schon jetzt kann man eine Duldung für die Dauer der Ausbildung ausstellen, und das tun viele Kommunen auch. Die rot-grünen Länder haben hier Bundesratsbeschlüsse herbeigeführt und, unterstützt von der Wirtschaft, gesagt: Nein, wir brauchen für die Ausbildung einen sicheren Aufenthaltstitel.
Wenn sie dann von den Arbeitgebern übernommen werden, dann sollten sie das auch können und darüber hinaus auch hier bleiben dürfen. Rational erschließt sich das eigentlich je-dem: Wir brauchen Auszubildende. Arbeitgeber sowie der Staat haben in die Ausbildung investiert. Warum sollen sie denn dann nicht hierbleiben können, wenn wir sie doch brauchen?
Jetzt komme ich auf das zu sprechen, was in dem Beschluss übrig bleibt, sowie auf das alte Denken, das angeblich von Herrn Laschet bzw. der CDU überwunden wurde, aber eben doch nicht überwunden wurde. In dem Beschluss findet sich dann lediglich für die Dauer der Ausbildung – und dann auch nur für diejenigen mit guter Bleibeperspektive; wir reduzieren diese Zahl also erneut – Rechtssicherheit; was immer das heißt. Sie sollen Rechtssicherheit bekommen.
Die Bayern – das kommt hinzu –, die immerhin einen christsozialen Hintergrund haben, sprechen sich sogar gegen einen Aufenthaltsstatus für die Dauer der Ausbildung aus und machen auch noch eine Protokollnotiz daraus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das ist das Gegenteil von dem, was Herr Laschet hier als Ziel ankündigt!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist Ideologie. Das ist Abwehr. Das ist inhuman. Wir brauchen diese jungen Menschen doch. Das ist zudem irrational und gegen alles, was uns vonseiten der Wirtschaft gesagt wird. Denn sie brauchen diese Leute. Das ist Ideologie statt Vernunft und Integration. Ich glaube, es braucht hoch länger, diese Sperren in den Köpfen aufzuheben.
Ein weiteres Beispiel ist die Gesundheitsversorgung. Gute Erfahrungen wurden mit dem so-genannten Bremer Modell gemacht. Die Flüchtlinge bekommen eine Gesundheitskarte. Sie brauchen nicht mehr für eine Einzelfallfallbeantragung zum Amt, wo dann abgewogen wird, sondern sie bekommen den gleichen Leistungsumfang, was wiederum eine Verwaltungs-vereinfachung ist. Somit haben alle etwas davon. Es wird auch nicht teurer für die Kommunen. Nein, alle profitieren davon: die Flüchtlinge und die Kommunen.
Das Naheliegende wäre jetzt, zu sagen: Prima, dann machen wir das für alle. Jeder Flüchtling bekommt einen GKV-Status. Der Bund gibt einen Zuschuss in die GKV. Und damit wäre allen geholfen. Das wäre für alle ein Gewinn. – Anstatt aber rational und human an die Dinge heranzugehen, auch hier Ideologie. Hier geht es noch nicht einmal um das Geld – über so viel Geld reden wir hier schließlich gar nicht –, sondern hier geht es um den sogenannten Pull-Effekt, der dann wieder von der CDU aus der Tasche geholt wird. Denn Sie meinen, dass der Flüchtling, der sich in Libyen in ein seeuntaugliches Schlauchboot setzt, darüber nachdenkt, welchen Leistungsumfang er in Deutschland bekommt, wenn er diese Karte ausgehändigt bekommt. Es ist zynisch, hier mit dem Pull-Effekt zu argumentieren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Und was ist dabei herausgekommen? Was hören wir von dem Beschluss? – Da Bayern das natürlich strikt ablehnt – die Menschen sollen hier schlechtergestellt werden als alle anderen –, ist eine optionale Regelung für die Länder herausgekommen, diese Karte einzuführen, al-so keine Aufnahme in die GKV.
Jetzt gilt es – das will ich für uns als Grüne im Land auch noch einmal sagen – für uns als Land, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine Vereinbarung mit den Kassen zu erreichen, damit wir den Kommunen – von denen in NRW übrigens viele darauf warten – ein Angebot machen können, ohne Leistungseinschränkung und mit einer sehr einfachen Verwaltung diese Gesundheitskarte einzuführen. Wir Grüne möchten nicht, dass eine Leistungseinschränkung erfolgt. Wir möchten nicht, dass die Ärzte, überlegen, wenn dort „Flüchtling“ steht: Ist diese Operation, die aus meiner Sicht als Arzt eigentlich notwendig ist, eine Notversorgung nach den §§ 2 und 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes? Und ist die-se Prothese für diesen kriegsbeschädigten Menschen notwendig oder nicht? – Nein, wir möchten nicht, dass die Ärzte das entscheiden. Wir möchten, dass es eine Karte für alle mit dem gleichen Leistungsumfang gibt.
Dafür werden wir Grüne uns auch weiterhin auf allen Ebenen einsetzen. Wir unterstützen die Gesundheitsministerin bei den Verhandlungen mit den Kassen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN – Frank Herrmann [PIRATEN]: Da wollen wir das Gleiche!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beispiele lassen sich fortsetzen. Die Sprachkurse, die einen wichtigen Teil für die Integration von Anfang an darstellen, die Herr Laschet immer einfordert, werden auch nur begrenzt geöffnet.
Ich will zum Schluss einige Sätze zum schwierigen Thema „Balkan“ sagen, weil das sehr oft angesprochen wurde. Nein, wir lösen mit dem Asylrecht nicht die Probleme auf dem Balkan. Wir lösen sie aber auch nicht mit diesen Sprüchen, die wieder von der CDU gekommen sind, dass die Einstufung als sichere Herkunftsländer tatsächlich Fluchtursachen bekämpfe und die Menschen davon abhalte, zu uns zu kommen.
Denn diese Menschen fliehen nicht aus Lust oder weil es vielleicht eine tolle Gesundheitskarte gibt. Nein, wir waren dem Innenminister im Kosovo, und diese Menschen sagten uns: Wir haben in den Ländern keine Perspektive. Wir möchten für unsere Kinder eine Zukunft haben.
Deswegen wird eine Einstufung als sichere Herkunftsländer keine Beschleunigung der Verfahren bringen. Sie wird auch nicht zu einer Abschreckung führen. Sie diskriminiert vielmehr diese Menschen und spricht ihnen ihre individuellen Fluchtgründe ab. Das lehnen wir ab. Wir lehnen ab, auf dem Rücken der Menschen eine billige Parteipolemik zu machen.
Wir möchten, dass die Fluchtursachen in den Ländern bekämpft werden und dass jeder, der zu uns kommt, ein anständiges Verfahren erhält. Wir wollen die Menschen human aufnehmen und integrieren. – Schönen Dank.
(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD)