Sigrid Beer: „Die Schule ist ein Raum religiöser wie weltanschaulicher Freiheit“

12. Schulrechtsänderungsgesetz - 2. Lesung

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte da anfangen, wo Kollege Kaiser aufgehört hat, weil ich mich gerne bei allen bedanken möchte für einen ganz intensiven Austausch und für einen ganz intensiven Arbeitsprozess, den wir miteinander hatten, und zwar besonders in der Frage: Wie setzen wir das sogenannte Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der Schulgesetzgebung in Nordrhein-Westfalen um? Das war vertrauensvoll, das war offen, das war verlässlich. Es ist genauso, wie wir es angekündigt haben.
Wir haben zwei Runden miteinander gedreht. Wir haben das miteinander, Kollege Marsching, auch mit den Kirchlichen Büros in der Rückkopplung getan. Wir haben es als grüne Fraktion auch noch einmal mit islamischen Verbänden diskutiert. Das war uns besonders wichtig. Das war ein Prozess, wie wir ihn angekündigt haben, und den haben wir auch so gemacht.
Deswegen, Frau Kollegin Gebauer, bin ich ein bisschen enttäuscht über Ihren Antrag. Denn das, was Sie dort hineingeschrieben haben, wir hätten sie provoziert, ist nicht fair. Das hat mich wirklich umgehauen. Ich will es zitieren.
„Während SPD, CDU und Grüne zunächst versucht haben, in politisch verantwortungsloser Weise lediglich den vom Verfassungsgericht für nichtig erklärten § 57 Absatz 4 Satz 3 Schulgesetz zu streichen …“
Das ist doch eine vollkommene Verzerrung der Ausgangslage, weil wir gesagt haben, wir hören uns in der Anhörung die Voten an und dann gehen wir damit in einen Prozess hinein. Dass Sie das in Ihrer Fraktion nicht geregelt bekommen – zugestanden. Das ist aber eine ganz andere Geschichte. Die Fraktion ist natürlich frei, dann darüber zu schreiben. Aber wir hatten einen engen Prozess, an dem Sie auch teilgenommen haben. Ich finde, dann kann man es nicht so aufschreiben. Das finde ich ungerechtfertigt, und das sollte so nicht sein.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Was Sie in der Anhörung offensichtlich auch nicht wahrgenommen haben, weil Sie nicht zugehört haben, ist die Warnung der Verfassungsrechtler gewesen – Kollege Kaiser und auch Kollegin Hendricks haben schon darauf hingewiesen –, jetzt keinen Katalog von Situationen zu entwickeln, die dann gegebenenfalls schulfriedensstörendreif sein sollten.
Wir haben miteinander festgestellt, wer eigentlich die Störungen im Schulfrieden auslöst. Ist es der Mensch mit dem religiösen Symbol, oder sind es diejenigen, die sich von außen daran stören? Das können Schüler und Schülerinnen, aber auch Eltern sein, die diese Frage in die Schule hineintragen.
Von daher ist es richtig, das so zu machen. Wir wollen keinen Katalog, der quasi Anleitungen dazu liefert, wie man den Schulfrieden stört. Das ist genau die andere Logik, die dahintersteckt und die wir nicht provozieren wollen. Die Schulen sind nicht alleingelassen; sie haben in der Tat ein Backoffice. Das sind die Bezirksregierungen, das ist auch das Schulministerium. Deswegen ist es hier im Gesetz gut angelegt.
Was mir noch sehr wichtig zu betonen ist, ist: Wir haben in der Bundesrepublik und auch in Nordrhein-Westfalen kein laizistisches Gesellschaftsmodell, und wir haben auch kein laizistisches Verfassungsrecht. Es ist vorbildlich, wie Staat und Religionsgemeinschaften im Verhältnis zusammenstehen. Das ist auch immer wieder in den internationalen Diskussionen beobachtbar. Es ist gut und richtig, dass wir das im Schulgesetz jetzt auch abbilden und sehr deutlich formulieren: Die Schule ist ein Raum religiöser wie weltanschaulicher Freiheit.
Natürlich gehört auch dazu, die Grundrechte zu wahren, die Menschenrechte zu wahren. Aber das ist der allgemeine Auftrag an alle Lehrerinnen und Lehrer, an das Schulpersonal, egal welcher Multiprofessionalität, so, wie sie sich in Schule vorfinden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir haben zu diesem Punkt sehr ausführlich gearbeitet, haben aber auch in den anderen Punkten unsere Hausaufgaben gemacht. Gerade die Frage der Schulleitungsbesetzung ist im Land immer wieder stark diskutiert worden, hat zu Konfliktlagen in den Schulen geführt. Es war notwendig, dass wir uns das ansehen und es anders regeln.
Mit den Transparenzpflichten, die jetzt auferlegt sind, auch der Schulaufsicht, das gegenüber dem Schulträger, gegenüber den Schulkonferenzen darzubieten, haben wir zu einem guten Modell gefunden. Bezüglich der Frage der amtsangemessenen Stellenbesetzung, die sich vorhin auch stellte, ist schon der Hinweis gekommen. Da, wo auf kommunale Entscheidungen hin Schulen auch neu überführt werden, wo Schulen auslaufen, müssen Kolleginnen und Kollegen auch eine Zukunftsperspektive haben. Das ist wichtig. Aber das soll natürlich auch in der Rücksprache mit den kommunalen Schulträgern erfolgen.
Deswegen haben wir in den Entschließungsantrag deutlich hineingeschrieben, dass wir da-rauf achten werden, dass wir dazu eine Evaluation vorlegen, aber von beiden Seiten miteinander in dieser Verantwortungsgemeinschaft zu arbeiten. Das ist im Gesetz noch einmal bestärkt. Das ist so angelegt.
Der dritte Punkt sind die individuellen Bildungsverläufe, die wir sichern wollen. Es ist in der Tat so, die Bildungskonferenz hat dazu herausgearbeitet, dass wir im Prinzip zwei verschiedene Wege in Nordrhein-Westfalen haben, die durch den Schulkonsens in der Landesverfassung so niedergelegt sind. Das ist einmal der Weg über das gegliederte System, zum anderen der Weg in das integrierte System. Eltern brauchen Beratung, in welchen Weg sie hineingehen. Dann muss auch klar sein, wie es weitergeht, falls sich dort Hindernisse auf-bauen.
Gerade in der Frage der Demografie ist es ganz wichtig, dass Schüler und Schülerinnen möglichst ohne Brüche an einer Schule ihre Bildungslaufbahn fortsetzen und im Heimatort beschult werden können, auch wenn es in diesem Fall zum Beispiel keine Hauptschule gibt, wenn es dort kein integriertes System gibt oder das integrierte System schon belegt ist.
Dann ist es auch die Aufgabe des gegliederten Systems, genau diese Fürsorge für die Schülerinnen und Schüler aufzunehmen. Das gilt im Übrigen auch für die rheinische Lösung, was die Gymnasien betrifft. Das ist ja auch immer in der Diskussion herausgearbeitet worden. Es war interessant, in der Anhörung zu hören, dass es diese rheinische Lösung gibt und dass man da auch im Sinne von Schülerinnen und Schülern entscheidet und entscheiden kann. Das sind sicherlich spannende Dinge, die uns da in Zukunft begleiten werden.
Zum Schluss: Das jahrgangsübergreifende Lernen ist auch schon angesprochen worden. Mir liegt sehr daran, dass wir davon wegkommen, es als Notlösung zu betrachten. Nein, das ist ein pädagogisches Konzept. Das hat sich bewährt – gerade an den kleinen Grundschulstandorten, an denen als Folge der Demografie diese Innovation immer stärker im Land greift, aber auch mit Überzeugung umgesetzt wird. Man sieht an den Schulen, die das schon über Jahre praktizieren: Das ist gutes Lernen. Das tut den Kindern gut.
Die Unterschiedlichkeit, die Verschiedenheit von Kindern kann im jahrgangsübergreifenden Unterricht ganz besonders berücksichtigt werden. Es ist ein guter Ansatz, der die Teilstandorte im Land stärkt, der aber auch allen Schulen neue Impulse gibt und auch Freiheiten ein-räumt, pädagogisch mit der Verschiedenheit von Kindern gelingend umzugehen.
Ich bedanke mich bei allen, die in diesem intensiven Prozess mitgewirkt haben, und freue mich, dass wir heute mehr Klarheit für Schulen, für Eltern sowie für Schülerinnen und Schüler im Land schaffen. Das ist ein guter Beschluss, den wir jetzt noch kurz vor den Sommer-ferien fassen und der dann baldmöglichst hier auch wirksam werden kann. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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