Mehrdad Mostofizadeh: Die ersten 100 Tage als Fraktionsvorsitzender

Interview

Mehrdad Mostofizadeh

In deinem neuen Amt leitest du nicht nur die Fraktions- und Vorstandssitzungen der GRÜNEN im Landtag NRW, du bist auch bei den Kabinettsbesprechungen dabei, sitzt im Ältestenrat des Landtags und im Koalitionsausschuss. Wie gefällt dir die Arbeit in den zusätzlichen Gremien? 
Mein neues Amt verlangt zwar mehr Zeit von mir, ist dafür aber auch abwechslungsreicher, da ich in allen Themen gefragt bin und nicht mehr vor allem einen Spezialbereich bearbeite, wie zu meiner Zeit als Sprecher für Haushalt- und Finanzen. Nicht nur an den Wochenenden habe ich deswegen weniger Zeit für mich und meine Familie als früher. Als Fraktionsvorsitzender trage ich dafür auch mehr Verantwortung und kann stärker auf Entscheidungen einwirken.  Lange und häufige Sitzungen kenne ich ja auch schon aus den Fachausschüssen vor meiner Zeit als Vorsitzender.

Welche drei Themen haben Dich in den letzten 100 Tagen am meisten beschäftigt?
Das neue ökologische Jagdgesetz
Das Ökologische Jagdgesetz war sicher im Bereich Tier- und Naturschutz das wichtigste Thema meiner bisherigen Amtszeit. Nach mehreren Monaten Vorarbeit und der Beteiligung vieler Akteurinnen und Akteure stand am Ende ein guter Kompromiss. Mit dem Gesetz sind wir sehr zufrieden. Wir glauben, das gilt auch für die Bürgerinnen und Bürger, von denen wir viel positives Feedback bekommen. Aus der Jägerschaft gab es dagegen leider einige Angriffe, die sehr unter die Gürtellinie gingen. Insbesondere unser naturschutzpolitischer Sprecher Norwich Rüße und Landwirtschaftsminister Johannes Remmel mussten viel einstecken.

Digitalisierung
Ein zweites wichtiges Thema war und ist die Digitalisierung. Mit einigen Kolleginnen und Kollegen war ich in der Pfingstwoche in Finnland und Estland unterwegs. Beide Länder sind Vorreiter in Fragen der digitalisierten Gesellschaft und darum auch für NRW interessant. Wir haben auf unserer Reise viele spannende Gespräche geführt und eine Menge über Themen wie Breitbandausbau und e-Government gelernt. Jetzt freue ich mich auf die Diskussion in der Fraktion, wie wir die Ergebnisse in konkrete Politik umsetzen können.

Bund-Länder-Finanzen
Die Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen steht weiter ganz oben auf der Agenda. Unser Ziel ist es, dass NRW nicht weiter benachteiligt, sondern im Gesamtgefüge gerecht behandelt wird. Trotz aller parteipolitischen Auseinandersetzungen haben GRÜNE und SPD auch die CDU davon überzeugt und einen gemeinsamen Antrag für den Haushaltsausschuss formuliert. Darin bekennen wir uns zu einem solidarischen Länderfinanzausgleich, der die Lebensverhältnisse bundesweit angleicht sowie für mehr Transparenz und für die Abschaffung des Umsatzsteuervorwegabzuges. Konsens ist dabei auch, dass bei der Neuordnung die Kommunen nicht zu kurz kommen dürfen. Der Bund muss seiner Verantwortung gerecht werden und die kommunale Finanzausstattung erheblich mehr als bisher angekündigt aufbessern. Ein solch starkes, überparteiliches Signal nach Berlin zu senden, war ein großer Erfolg.

Welche Themen möchtest du bis zur Landtagswahl besonders vorantreiben?
Mir liegt das Thema soziale Gerechtigkeit besonders am Herzen. Das ist und bleibt für mich eine Daueraufgabe. Wir wollen bei der schulischen Inklusion die nächsten Schritte gehen und Bildungsgerechtigkeit sowie soziale Teilhabe für alle Kinder gleichermaßen vorantreiben. Zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen arbeiten wir außerdem weiter hart am Landesentwicklungsplan (LEP). In der aktuellen Debatte um die Klimaziele der Bundesregierung und die Zukunft des Rheinischen Braunkohlereviers werden wir weiter Druck auf Berlin machen. Es wird daher höchste Zeit, den nötigen Strukturwandel voranzutreiben, statt Untergangsszenarien für die Region zu beschwören. Wir GRÜNE wollen den Strukturwandel mit einer nach vorne gerichteten Wirtschaftspolitik gleichzeitig sozial, ökologisch und zukunftsfest gestalten.