Arndt Klocke: „Wir wissen längst, dass wir priorisieren müssen“

Aktuelle Stunde auf Antrag der CDU zu Sanierung von Straßenbrücken

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Arndt Klocke (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es muss eine große Ratlosigkeit bei der CDU herrschen, wenn Anlass für die Beantragung einer Aktuellen Stunde ein Artikel im „Pressespiegel“ über Brücken ist. Schon denkt sie: Dazu könnten wir doch eine Aktuelle Stunde machen. Das wäre vielleicht eine Idee.
(Der Redner hält ein Dokument hoch.)
Wir haben im Ausschuss sowohl Ende März dieses Jahres als auch Ende Januar dieses Jahres – ich zitiere jetzt nicht, sondern ich zeige es einfach nur – ausführliche Listen vom Ministerium über den Zustand der Straßenbrücken in Nordrhein-Westfalen vorgelegt bekommen – und zwar nicht auf Nachfrage der CDU, sondern als Bericht der Landesregierung. Meine Betonung liegt dabei auf „ausführlichst“, nämlich einmal 87 Seiten und einmal 25 Seiten.
Und jetzt, zwei Monate später, kommen Sie auf die Idee, zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde zu beantragen? Da muss man sich doch fragen: Was soll das?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Norwich Rüße [GRÜNE]: Klamauk ist das!)
Wenn man Ihre Rede gehört hat, Herr Rasche, weiß man: Das ist die alte FDP-Linie. Im Himmel ist Jahrmarkt. Wir finanzieren alles. Wir sind zwar gegen jegliche Steuererhöhungen, wir wollen auch möglichst viel privatisieren, aber wir finanzieren alles, jeden Straßenbau, jede Umgehungsstraße, jede Planung. Alles ist finanzierbar. – Das ist die alte FDP-Linie, die Sie mit Ihrer Rede gerade erneut zum Ausdruck gebracht haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir wissen doch längst, dass wir priorisieren müssen, und das hat diese rot-grüne Landesregierung gemacht. Wir haben klar gesagt, was geht und was nicht geht. Wir haben den Etat für Straßensanierung heraufgesetzt – das wurde vorletzte Woche bekannt gegeben–, und zwar auf 100 Millionen € für die Landesstraßensanierung in diesem Jahr.
Herr Kuper, Sie sind jetzt dran, genau Sie habe ich im Blick;
(Zuruf von Christof Rasche [FDP])
denn Ihr Zitat in der „Neuen Westfälischen“ habe ich mir genau angeschaut. Die CDU, die nicht einmal 50 Millionen € im Jahr für Straßensanierung ausgegeben hat – eine Ausnahme war das Jahr 2009, wo es einmal etwas mehr war –, geht jetzt an die Presse und sagt zu den 100 Millionen €, die von Rot-Grün jetzt in die Sanierung an Landesstraßen gehen, das sei ein Tropfen auf den heißen Stein und völlig unzureichend!
(Beifall von der SPD – Armin Laschet [CDU]: Stimmt doch auch!)
Der Verkehrsexperte Kuper – ich bin jetzt fünf Jahre im Ausschuss und habe Sie da kein einziges Mal gesehen – geht an die Presse – die Presse schreibt das auch noch, ohne zu recherchieren –, 100 Millionen € seien ein Tropfen auf den heißen Stein. Wäre die CDU in Regierungsverantwortung … Wo ist eigentlich Ihr früherer Verkehrsminister Lienenkämper, der das politisch zu verantworten hatte? Heute ist er Parlamentarischer Geschäftsführer. Wir haben jetzt eine Aktuelle Stunde. Wo ist er jetzt?
Sie haben in Regierungszeiten nie mehr als 60 Millionen € für die Sanierung ausgegeben und werfen uns vor, wo wir den Etat verdoppelt haben, das sei ein Tropfen auf den heißen Stein! Das ist schon ein ziemlich starkes Stück.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
In die gleiche Melodie steigt die IHK jetzt ein. Die IHK NRW veranstaltet Anfang Juni einen großen Verkehrskongress.
(Unruhe von der CDU)
Der IHK-Vorsitzende fordert jetzt eine Verdoppelung. Das ist die gleiche IHK, die im Bundestagswahlkampf vor zwei Jahren, als die Grünen vorgeschlagen haben, Steuererhöhungen bei Gutverdienenden vorzusehen und die Einnahmen eins zu eins in die Infrastruktur zu stecken, dagegen Sturm gelaufen ist. Das sei ein Anschlag auf den Wirtschaftsstandort. Die gleiche IHK fordert jetzt eine Verdoppelung bei den Sanierungsausgaben. Da muss man doch fragen, woher das Geld kommen soll. Diese Frage, woher das Geld kommen soll, wird von der CDU – von der FDP sowieso – nie beantwortet. Sie machen reine Polemik!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist Wohlfühlopposition: auf der einen Seite immer mehr zu fordern und auf der anderen Seite immer zu kritisieren, dass die Landesregierung zu viel Geld ausgibt. Das geschieht immer nach dem Motto: Wasch uns den Pelz, aber mach uns bloß nicht nass! Das sieht man in der heutigen Debatte mal wieder an den Beiträgen von Herrn Voussem und Herrn Rasche.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Landesregierung hat im Ausschuss klar informiert. Wir hatten transparente Informationen – ich habe das eben gesagt –, allein zweimal in diesem Jahr mit ausführlichen Listen. Es gibt die zentrale Baustellenkoordination. Wir sind DEGES beigetreten. Warum muss eine rot-grüne Koalition DEGES – ein Projekt, was in der schwarz-gelben Regierungszeit im Bund entstanden ist – beitreten? Wir haben das gemacht. Wir haben uns auf Bundesebene für die Fortschreibung der Entflechtungsmittel eingesetzt.
Es ist doch völlig unklar, wie nach 2019 im Bereich des Verkehrs die Finanzierung aussieht. Die CDU regiert in Berlin. Gerade war ein großer Verkehrskongress in Berlin. Der Staatssekretär aus dem Verkehrsministerium sagte dort, 2019 sei noch lange hin. Warum sollen wir uns jetzt damit beschäftigen? – Es ist völlig unklar, wie es mit den Entflechtungsmitteln ausgeht. Wir haben das hier seitens der Landesregierung für Ersatzinvestitionen geöffnet. Die CDU bleibt da jede Antwort schuldig.
Wenn man sich die Straßenschäden ansieht, ist zu fragen, wer die Fraktion ist, die sich massiv dafür einsetzt, dass wir in Nordrhein-Westfalen die Gigaliner erlauben, dass wir diesem Feldversuch beitreten, also noch schwerere Lkws auf den Straßen zuzulassen, die noch mehr Straßenschäden verursachen. Das will doch gerade die CDU freigeben!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Auf der anderen Seite kritisieren Sie hier die massive Zunahme an Straßenschäden. – Von daher ist das ein rein populistischer Popanz, der hier aufgebaut werden soll. Diese Aktuelle Stunde hat überhaupt keinen realen Hintergrund.
An der Kritik ist aber Folgendes richtig: Natürlich haben wir in den 70-er- und 80er-Jahren an diesem Punkt geschlafen. Das rächt sich in dieser Zeit. Das können sich alle Parteien auf die Fahnen schreiben. Da ist keiner ohne jede Schuld. Aber jetzt handelt diese Landesregierung. Wir haben die entsprechenden Maßnahmen ergriffen. Die Bestandsaufnahme läuft, die Sanierungsmaßnahmen laufen.
Ich darf noch eine Bitte an den Minister äußern: Wenn es in den nächsten Wochen und Monaten mal wieder eine Brückenkonferenz gibt, wo darüber diskutiert wird, wie die Rheinbrücken saniert werden, würde ich mich freuen, wenn nicht nur die Regierungspräsidenten und -präsidentinnen eingeladen werden, sondern auch die Abgeordneten oder Fachsprecher aus dem Landtag – gerne aus allen Fraktionen –, sodass wir an den Beratungen teilhaben können. Diesen Wunsch gebe ich dem Minister gerne mit auf den Weg. – Ansonsten bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)


2. Runde:

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Bergmann, Sie haben eben hier den wirtschaftlichen Aspekt hervorgehoben. Ich war vor zwei Wochen in Dortmund bei der IHK beim Verkehrsausschuss Westfalen, und in der Analyse, was zu tun ist, in der Bestandsaufnahme, gibt es interessanterweise zwischen Grünen und IHK überhaupt keinen Unterschied.
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
– Herr Laschet, das ist nicht gut für den Blutdruck. Wirklich. Sie sind die ganze Zeit schon so aufgeregt.
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
– Sie können mir eine Zwischenfrage stellen; das ist möglich.
(Christof Rasche [FDP]: Geht nicht!)
– Ach ja, das geht bei der Aktuellen Stunde nicht. Na, egal. Machen wir am Rande.
Ich bin sehr in der Lage, sachlich zu sprechen, Herr Rasche. Sie verwechseln nur emotional und unsachlich miteinander.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Das Bemerkenswerte ist doch, dass die Bestandsaufnahme – das hat Christof Rasche bei allem, was er eben an unrichtigen Sachen gesagt hat, schon richtig dargestellt – über die Daehre- und Bodewig-Kommission gelaufen ist, woran 16 Landesverkehrsminister aus allen Parteien – selbst die FDP hatte damals noch einen Verkehrsminister gestellt, nämlich in Hessen – beteiligt waren und danach nichts, aber auch gar nichts passiert ist.
Also: Bei der Bestandsaufnahme kommt heraus, dass uns allein für Substanzerhalt 7,5 Milliarden € jedes Jahr im Haushalt fehlen. Die Große Koalition aber hat gerade einmal 1 Milliarde € zusätzlich zur Verfügung gestellt.
(Beifall von Christof Rasche [FDP])
Wenn Sie, Herr Bergmann, Ihren Landesvorsitzenden loben, der gleichzeitig stellvertretender Bundesvorsitzender in Berlin ist, er würde sich immer so groß für NRW einsetzen, dann muss man schon Fragen stellen. Bei einer parteiübergreifenden Bestandsaufnahme aller Landesverkehrsminister, was im Verkehrsbereich und im Sanierungsbereich zu tun ist, ist letztlich sozusagen eine Maus geboren worden: 7,5 Milliarden € fehlen im Jahr, und und 1 Milliarde € kommt raus. Das liegt nur an Ihrer „Schwarzen-Null-Ideologie“, weil Sie meinen, den Haushalt jetzt schon unter die Schuldengrenze absenken zu müssen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
In diesem Bereich müsste dringend investiert werden. Denn jeder Euro, der in dem Bereich in die Hand genommen wird, ist eine Zukunftsinvestition. Wenn man meint, man müsste schon 2014 statt 2019, wenn es notwendig ist, einen schuldenfreien Haushalt vorlegen
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
dann macht man einen großen Fehler und versündigt sich an der Zukunft. Wenn Sie hier so groß den Einsatz von Herrn Laschet loben: Wo war denn Herr Laschet bei dieser Frage?
(Jochen Ott [SPD]: Nirgendwo! In Amerika!)
Und wo war er bei der Pkw-Maut?
Letztlich muss man sagen: Wir Grüne waren immer gegen die Pkw-Maut, und zwar grundsätzlich. Man muss Herrn Dobrindt allerdings zugestehen, dass er das, was er letztlich wollte, 1:1 umgesetzt hat. Aber von dem, was Sie hier formuliert haben, haben Sie in Berlin gar nichts umgesetzt. Gar nichts haben Sie in der entscheidenden Abstimmung umgesetzt!
Immerhin hat unser Landesverkehrsminister im Bundesrat dafür geworben, dass der Vermittlungsausschuss angerufen wird. Da sind andere Bundesländer abgesprungen. Hamburg ist abgesprungen, und Bremen ist abgesprungen – auf Druck von Herrn Gabriel.
(Zuruf von der CDU: Alle Rot-Grünen!)
– Ja, das ist scharf zu kritisieren, aber die CDU-geführten Bundesländer waren in dieser Frage grundsätzlich dagegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir werden hier morgen noch die ÖPP-Debatte führen. Sie gehört letztlich zu dieser Debatte dazu, weil im politischen Raum letztlich offen ist,
(Christof Rasche [FDP]: Die Gabriel-Kommission ist das!)
wie die Verkehrsinfrastruktur in den nächsten Jahren finanziert werden soll.
Bei der ganzen „Schwarze-Null-Debatte“ vonseiten von Schäuble und der CDU steht die private Finanzierung im Raum. Es gibt sehr gute Gründe dafür, sehr genau hinzugucken, ob man diesen Türöffner nutzen oder ob man die Verkehrsinfrastruktur in den nächsten Jahren nicht doch weiter öffentlich finanzieren will. Diese Debatte werden wir morgen führen.
Ich meine, es gibt sehr, sehr gute Argumente dafür, an einer öffentlichen Finanzierung festzuhalten und nicht die Tür aufzumachen für Finanzinvestoren, die letztlich nur Renditemodelle suchen, um dort Geld zu investieren. Darüber werden wir morgen diskutieren. Aber diese Debatten gehören zusammen. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)

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