Mehrdad Mostofizadeh: „Wer die Klimaschutzziele der Bundesregierung ernst nimmt, muss auch bei der Braunkohle ansetzen“

Antrag der CDU zur Braunkohle

Mehrdad Mostofizadeh

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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Laschet, ich muss ehrlich sagen: Das Beste an Ihrem Auftritt ist die wunderschöne grüne Krawatte, die Sie umhaben.
(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, zu Herrn Lindner gar nichts zu sagen. Aber die eine Bemerkung muss noch drin sein: Mit welcher Leichtigkeit Sie Beschlüsse, an denen Sie selbst mitgewirkt haben, wieder als „Messias mit beschränkter Haftung“ vom Tisch wischen, ist schon abenteuerlich, Herr Kollege Lindner.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte nun möglichst schnell zu den Fakten der Auseinandersetzung des heutigen Tages kommen. Reden wir über die wirklichen Probleme beim Klimaschutz und bei der Energiepolitik!
Fakt 1 ist: Die Bundesregierung mit Frau Merkel an der Spitze hat Klimaschutzziele beschlossen. Sie hat beschlossen: 40 % weniger Treibhausgasemissionen bis 2020.
Fakt 2 ist: Bis 2014 wurden gerade einmal 24 % von diesen Emissionen eingespart. Der wesentliche Anteil kommt noch durch den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft zustande.
Fakt 3 ist: Die CO2-Emissionen bei der Braunkohle – leider auch im Revier – sind in den letzten 20 Jahren nahezu konstant geblieben. Bei Steinkohle und bei Gaskraftwerken sind sie massiv zurückgegangen.
Weil die Faktenlage so ist, wie ich sie jetzt beschrieben habe, handelt der Bundeswirtschaftsminister richtig, wenn er auch – ich sage ausdrücklich: auch! – bei der Braunkohleverstromung ansetzt. Er steht mit diesem Konzept ausdrücklich an der Seite der Kanzlerin – im Gegensatz zum Bundesvize der CDU Armin Laschet.
Die Klimaschutzabgabe, die der Bundeswirtschaftsminister vorschlägt – das ist sozusagen die erste Nebelkerze, die Herr Laschet hier heute geworfen hat –, ist alles andere als eine Strafsteuer. Wir sind beim Emissionshandel ursprünglich mal von 30 € je Tonne ausgegangen. Er schlägt jetzt vor, sozusagen auf das Niveau von damals zurückzukommen.
Die jetzige Politik führt dazu, dass 50 Jahre alte Blöcke in der Braunkohle weiterlaufen und dass Gaskraftwerke vom Markt gedrängt werden. Wer die Klimaschutzziele der Bundesregierung ernst nimmt, der muss – der muss! – also auch bei der Braunkohle ansetzen, oder er nimmt diese Ziele, Herr Kollege Laschet, schlichtweg nicht ernst.
Gabriels Vorschlag entspricht gerade einmal 18 € pro Tonne beim Emissionshandel, was ein Fünftel Cent pro Kilowattstunde ist – bei historisch niedrigen Industriepreisen. Wer hier von Deindustrialisierung schwätzt, Herr Kollege, der hat schlicht einen … Entschuldigung, Herr Präsident.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP] – Armin Laschet [CDU]: Herr Groschek und Herr Duin sagen das auch!)
– Zu Herrn Bsirske komme ich noch.
Die Abgabe könnte bei der CO2-Senkung 22 Millionen t einsparen. Tatsächlich brauchen wir aber, um die Klimaschutzziele bis 2020 erreichen zu können, eine CO2-Einsparung von 70 Millionen t.
Kommen wir zu den Gegenargumenten, die auf den Tisch gelegt worden sind. Teilweise sind sie eins zu eins in den Anträgen der Oppositionsfraktionen abgedruckt. Darin wird von 100.000 gefährdeten Arbeitsplätzen in der Braunkohle von Herrn Laschet und auch von Herrn Bsirske schwadroniert. Tatsächlich hat der gesamte RWE-Konzern nicht einmal mehr 10.000 Beschäftigte.
(Armin Laschet [CDU]: Duin! Groschek! Vassiliadis!)
– Herr Laschet, Sie verbreiten Panik. Sie spielen mit den Gefühlen der Menschen im Revier und machen damit billigen Populismus auf dem Rücken der Menschen in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christof Rasche [FDP]: Unglaublich!)
Ich will Ihnen eindeutig sagen, welche Strukturwandelprozesse Nordrhein-Westfalen hinter sich hat. Wir haben zwischen den 50er- und 90er-Jahren Hunderttausende von Arbeitsplätzen in der Steinkohle abbauen müssen. Noch 1990 waren 130.000 Menschen in der Steinkohle beschäftigt. 2005, nach all diesen Anpassungsprozesse, waren es noch 38.500. Jetzt, 2014, sind es noch knapp 14.000. Das waren über 115.000 Arbeitsplätze in 15 Jahren. Wir sprechen bei der Braunkohle über einen Umfang in 25 bis 30 Jahren von einigen Tausend. Wer hierbei von „Strukturbrüchen“ spricht, schürt Angst und Panik zulasten der Menschen im Revier.
Der Strukturwandel in der Braunkohle ist eine sozial gestaltbare Aufgabe. Natürlich werden wir ihn gestalten. Niemand wird ins Bergfreie fallen. Niemand wird ohne soziale Absicherung rausgehen. Wenn Sie das suggerieren, machen Sie wieder Polemik und Panik.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ich sage Ihnen: Ich komme aus Essen und habe auch in meiner Zeit als Kommunalpolitiker eher kritisiert, dass wir den Wandel zu langsam gestalten und nicht genug tun. Da hatte ich oft genug die CDU im Revier an der Seite der Grünen. Beide haben sich beschwert, es gehe nicht schnell genug. – Wir müssen diesen Wandel gestalten. Wir brauchen keine illusionären Durchhalteparolen, die auf alte Politik und alte Wirtschaftszweige setzen.
Heute, Herr Kollege Laschet, ist nicht die Zeit, Dinos zu füttern. Wir müssen die Zeit des wirtschaftlichen und Arbeitsmarktausbaus nutzen. Es ist doch irrsinnig, dass in Frimmersdorf fast alle Blöcke, elf von 13, abgeschaltet sind und man sich gegen die wirtschaftliche Entwicklung wehrt. Wir müssen doch die Gewerbegebiete der Zukunft an dieser Stelle schaffen. Machen Sie doch keine Schranke davor. Gestalten Sie den Wandel für neue Arbeitsplätze mit!
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ich sage Ihnen noch etwas: Bei den Erneuerbaren sind über 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland entstanden. 50.000 sind aber durch die schwarz-gelbe Politik wieder verloren gegangen. Wo war Herr Laschet? Wann hat er sich beschwert, dass die Arbeitsplätze nach China verlagert wurden? Warum beschimpfen Sie die FDP nicht für die Blockade in diesen Arbeitsbereichen? Da habe ich weder Wehklagen noch Gestaltungswünsche von Ihnen gehört.
(Beifall von Marc Herter [SPD])
Ich höre auch nichts von Ihnen, wenn es darum geht, für Planungssicherheit für die Menschen im Braunkohlerevier zu sorgen, wenn der Braunkohlebagger kommt. Auch sie brauchen Planungssicherheit für ihre Häuser und für ihre Orte. Deswegen war es richtig, die Leitentscheidung der Landesregierung vorzubereiten und hier für klare Ausgangspunkte zu sorgen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich könnte Ihnen noch einiges zum Zuspruch bei der Frage der Klimapolitik vortragen. Ich sage Ihnen: Eine Emnid-Umfrage hat zuletzt noch deutlich gemacht: Der Frage, ob die Bundesregierung mehr als bisher für den Klimaschutz tun solle, haben 76 % der Befragten zugestimmt.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Übrigens: 73 % davon waren Anhänger der CDU. Da lagen Sie noch knapp vor der SPD und nur hinter uns. Wollen Sie weiterhin eine Politik gegen die Mehrheit der Menschen in Deutschland machen? Ich kann Ihnen nur raten: Kommen Sie von diesem Kurs ab und setzen Sie sich für einen Wandel in Nordrhein-Westfalen ein.
Anschlagsrhetorik der Marke Laschet und populistische Spielchen helfen nämlich nicht weiter. Wir zeigen mit unserem Entschließungsantrag – da bin ich dem Kollegen Römer und der SPD-Fraktion ausdrücklich dankbar – ausdrücklich auf: Wir müssen Klimaschutz, Energiewende und Strukturwandel in einem durchdeklinieren. Denn das ist die Zukunft Nordrhein-Westfalens.
Dieses Land ist viel zu schade, um sich mit den Spielchen aufzuhalten, die Sie machen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)