Dagmar Hanses: „Die Jugend in Nordrhein-Westfalen ist besser als ihr Ruf“

Antrag der CDU zum Freiwilligendienst

Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident, gucken wir einmal, ob es mit der Übereinstimmung so bleibt. – In Teilen ja, liebe CDU.
Freiwilligendienste, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind für unsere Gesellschaft ein Geschenk. Im FSJ, im FÖJ sowie in allen anderen Einsatzbereichen – auch im politischen Leben und in der Kultur – schenken junge Menschen der Solidargemeinschaft ihre Zeit, ihr Engagement und ihre Fähigkeiten. Das ist unbestritten ein Gewinn für alle. Es ist ein Gewinn für die Persönlichkeitsentwicklung der Freiwilligen, die dies als Bildungs- und Orientierungsjahr nutzen, sowie für die Menschen in den Einsatzstellen, die unmittelbar davon profitieren. Dabei sind die Prinzipien einer aktiven Bürgerinnen- und Bürgergesellschaft auch die Prinzipien des FSJ und des FÖJ. Das sind die Freiwilligkeit, die Selbstorganisation, die Eigeninitiative und die Verantwortungsübernahme für sich und andere.
Wir in Nordrhein-Westfalen haben da noch einmal eine besondere Akzentuierung. Wir legen besonderen Wert auf die Qualifizierung und Bildung, deren Förderung im Kinder- und Jugendförderplan verankert ist. Wir legen – durch eine verbindliche Quote für Jugendliche und junge Erwachsene auch ohne Abitur – Wert auf eine breite Aufstellung. Die Anzahl der Plätze – das wurde schon beschrieben – hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verzehnfacht. Aktuell sind es 11.700. Die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber übersteigt diese Zahlen noch einmal. Je nach Einsatzgebiet gibt es in den unterschiedlichen Einsatzstellen eine sehr hohe Anzahl von Bewerberinnen und Bewerbern.
Dadurch wird für uns deutlich: Die Jugend in Nordrhein-Westfalen ist besser als ihr Ruf. Junge Menschen wollen sich engagieren. Junge Menschen sind bereit, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Walter Kern [CDU])
Auch die Träger der Freiwilligendienste haben ihre Hausaufgaben gemacht. Sie haben die Plätze massiv ausgebaut, und sie haben massiv in die Bildung und Qualifizierung investiert.
Noch einen Einwurf zum Bundesfreiwilligendienst, denn wir Grüne hatten bei der Einführung 2011 massive Kritik: Sie bezog sich auf zwei unterschiedlich ausgestattete Säulen nebeneinander mit unterschiedlicher Struktur, unterschiedlicher Bürokratie und unterschiedlicher Förderung. Daran hatten wir viel Kritik. Doch trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen, lieber Kollege Kern, hat sich der Bundesfreiwilligendienst etabliert. Er wird gut angenommen.
(Beifall von den GRÜNEN und Walter Kern [CDU])
Dieser Realität stellen wir Grüne uns. Wir möchten mit Ihnen gerne gemeinsam auf die unterschiedlichen Freiwilligendienste schauen und überlegen, wie wir dort zu einer Anerkennungskultur kommen können.
Wir geht die Bundesregierung mit diesem Geschenk des Engagements um? Zu Recht schreiben Sie, dass die Instrumente der Anerkennungskultur gestärkt werden müssen. Gerne möchten wir das. Doch wir möchten Sie gleichzeitig auf das hinweisen, was uns – Herr Kollege Rahe hat es angesprochen – in Ihrem Antrag noch fehlt: Die Inklusion ist in Ihrem Antrag nur einmal im Beschlusspunkt genannt. In der Begründung aber kam sie überhaupt nicht vor.
Ich kann aus der Praxis über großartige Beispiele berichten, welche Effekte es hat, wenn junge Menschen mit einem Handicap in eine Einrichtung kommen, da helfen können und mit ihren Fähigkeiten auch gebraucht werden. Das ist ein ganz wertvoller Beitrag in der Gesellschaft.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Grundlage, die wir in der Jugendhilfe kennen – die Subsidiarität, die klare Einhaltung des Trägerprinzips bei den Freiwilligendiensten –, ist in Ihrem Antrag deutlich zu kurz gekommen. Es ist für uns ein Grundprinzip der Freiwilligendienste, dass wir die Subsidiarität der Träger erhalten und stärken wollen.
Wir möchten mit Ihnen gerne neben den genannten auch noch über andere Formen der Anerkennung nachdenken. Wie steht es beispielsweise auf Bundesebene mit einem eigenen Wohngeldanspruch für junge Freiwillige mit eigener Wohnung? Wie sieht es mit der Entlastung der Einsatzstellen aus? Wie können wir dort zu einem Bürokratieabbau kommen? Da wollen wir gerne mit Ihnen gemeinsam genauer hinschauen. Wir finden, 50 Jahre nach Einführung des FSJ und vier Jahre nach Einführung des BFD haben es die jungen Menschen verdient, dass wir im Ausschuss mehr als einmal genauer hinsehen. – Vielen Dank und gute Beratungen!
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Walter Kern [CDU])

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