Andrea Asch: „Erziehungsarbeit betrifft Mütter und Väter, Frauen und Männer“

Antrag der FDP zur Wertschätzung von Müttern

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus diesem Antrag der FDP-Fraktion – man kann es nicht anders sagen – spricht ein durch und durch traditionelles Rollenverständnis. Hier wird die Elternrolle auf Mutterschaft reduziert. Wir haben uns in der Fraktion gefragt: Leben denn lauter Halbwaisen in Deutschland? Wo ist denn der Vater, wo ist die Vaterrolle? Davon ist in diesem Antrag kein Wort zu lesen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Erziehungsarbeit betrifft aber Mütter und Väter, betrifft Frauen und Männer. Dass in Deutschland – das ist ja richtig – Kinderziehung nach wie vor größtenteils Frauenaufgabe ist, dass nämlich meistens die Frauen teilweise zu Hause bleiben, das ist doch die politische Herausforderung, die wir anpacken müssen. Da reicht es nicht, Lob und schöne Worte den Müttern zu geben, sondern da müssen wir politische Maßnahmen ergreifen, um die Rahmenbedingungen für die Frauen, für die Mütter zu verbessern. Und davon ist in Ihrem Antrag nichts zu lesen.
Die Situation für Mütter hat sich leider auch durch das Elterngeld nicht verändert. Nur jeder dritte Vater nimmt in Deutschland überhaupt Elternzeit, und der größte Teil dieser Väter, nämlich 80 %, nimmt diese Elternzeit auch nur für die zwei Monate, die bezahlt werden. Insofern ist schon der Begriff der Zweimonatsväter geprägt worden. Und es ist leider auch nur ein Bruchteil aller Väter, nämlich 6 % – nur 6 % –, die anschließend in Teilzeit gehen, während ein Großteil der Mütter ausschließlich in Teilzeit beschäftigt ist. Nochmal: zu diesen Rahmenbedingungen in dem FDP-Antrag kein Wort!
Sie erwähnen auch mit keinem Satz, dass immer Väter wünschen, ihrer Väterrolle mehr gerecht zu werden, ihnen aber durch ihre beruflichen Rahmenbedingungen Steine in den Weg gelegt werden, dass die berufliche Aufstiegsmöglichkeit gefährdet ist, wenn sie den Wunsch äußern, länger in Erziehungszeit und im Anschluss in Teilzeit gehen zu wollen. Das ist doch die Situation von vielen Vätern, dass ihnen das von den Arbeitgebern verwehrt wird.
Ich möchte nur am Rande erwähnen: Es gibt nicht nur die Doppelbelastung der Frauen durch die Mutterrolle; es gibt sie auch dadurch, dass immer noch die Verteilung bei der Hausarbeit so ist, dass 65 % der Paare angeben, dass Kochen, Putzen, Aufräumen nach wie vor Frauensache ist. Ich möchte hier keine Umfrage bei den Mitgliedern des Landtages durchführen; aber ich könnte mir vorstellen, dass das hier auch so aussieht.
Darauf allerdings mit dem Verweis auf den Muttertag, auf diesen einen Tag im Jahr und das, was dort geschieht – Wertschätzung, das Überreichen von Blumensträußen, Lob –, zu reagieren, während über den Rest des Jahres nichts von alledem zu merken ist: Das kann doch um Himmels willen keine politische Antwort sein, Frau Schneider.
(Beifall von den GRÜNEN)
Genau dieses Symbolische – mal eben loben, Wertschätzung geben, Blumensträuße überreichen – ist doch das Trostpflaster, das dafür sorgt, dass sich im Alltag der Frauen konkret nichts ändern muss.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, es liegt eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Schneider von der FDP-Fraktion vor.
Andrea Asch (GRÜNE): Sehr gerne, Frau Kollegin Schneider.
Susanne Schneider (FDP): Ich folge ganz gespannt Ihren Ausführungen. Ich frage mich jetzt: Haben Sie den Antrag gelesen? Wenn ja, dann haben Sie ihn nicht verstanden?
Es geht in diesem Antrag in keinster Weise darum, Mütter am Muttertag wertzuschätzen, sondern die FDP wünscht sich einfach, dass alle Lebensmodelle respektiert werden, für die sich die Mütter entscheiden, dass sie nicht in ein rot-grünes Rollenbild gezwängt werden. Wir wünschen uns Respekt für unsere Mütter. Sind Sie bereit, ihnen den das ganze Jahr über entgegenzubringen? – Danke schön.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Frau Asch, bitte schön.
Andrea Asch (GRÜNE): Frau Kollegin Schneider, vielen Dank für die Frage. Ich kann Ihnen sagen, wir als Fraktion – nicht nur ich – haben diesen Antrag sehr intensiv gelesen. Ich habe ihn auch mitgebracht. Wir haben uns gewundert, weil wir in der Vergangenheit Frauenpolitik – ich habe mit Ina Albowitz in der Landschaftsversammlung zusammengearbeitet – etwas anders wahrgenommen haben.
Ich kann Ihnen einen Satz vorlesen, der genau für dieses traditionelle Rollenbild steht, das ich hier eben angeprangert habe. Er ist im zweiten Absatz zu finden: „Elternschaft hat … immer noch eine unterschiedliche Bedeutung für Mütter und für Väter.“ – Das ist rückwärtsgewandtes Rollenverständnis.
Ich frage Sie als FDP-Fraktion: Wo sind denn Ihre konkreten Vorschläge? Was wollen Sie tun, um dem Stress, um der Doppelbelastung, denen Frauen und Mütter ausgesetzt sind, tatsächlich zu begegnen? Davon findet sich nichts in Ihrem Antrag. Hier finden sich nur wohlfeile Worte und die Aufforderung zum Lob und für Blumen.
Wirkliche Wertschätzung für Mütter heißt: gerechte Aufteilung der Familienarbeit, ein starkes Netz an Betreuungseinrichtungen und gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Dann tun Sie etwas für die Frauen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Genau das sind unsere rot-grünen Antworten. Das sind die Antworten, die wir hier in Nordrhein-Westfalen seit 2010 geben. Wir haben 50 % mehr Betreuungsplätze für die Ein- und Zweijährigen geschaffen. Wir haben die Platzzahlen um 82 % erhöht. Wir fördern das Netzwerk Wiedereinstieg in das Berufsleben, das Kompetenzzentrum „Frau und Beruf“, wir investieren in NRW in die Aktionsplattform „Familie und Beruf“.
Es muss aber noch weiter gehen. Wir müssen die Unternehmen auffordern – auch in ihrem eigenen Interesse im Übrigen –, familienfreundlicher zu denken. Auch Väter müssen längere Elternzeit nehmen können. Es muss auch möglich sein, dass sie in Zukunft in Teilzeit gehen können, ohne sich berufliche Sorgen machen zu müssen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, diese Fragen sind Fragen der Zeitpolitik und Zeitpolitik ist auch eine Gerechtigkeitsfrage. Überlastung und Zeitnot finden sich bei Frauen und Männern.
Ich kann sagen: Wir als grüne Partei stellen uns diesen Fragen. Wir haben am letzten Samstag bei unserem Parteitag in Berlin einen Antrag zur Zeitpolitik gestellt. Wir wollen uns diesen Fragen stellen und Maßnahmen weiterentwickeln, damit Väter und Mütter ihrem Erziehungsauftrag gerecht werden können und Zeit für die Kinder haben können.
Wir fragen uns in der Tat: Bei welcher Wählergruppe wollen Sie eigentlich mit diesem rückwärtsgewandten Antrag punkten?
(Beifall von Birgit Rydlewski [PIRATEN])
Ganz sicher nicht bei jungen Frauen, die sich nicht auf ihre Mütterrolle reduzieren lassen wollen, und auch nicht bei der Wirtschaft, die dringend diese Fachkräfte, die Frauen, braucht. Ich habe das Gefühl, Sie wollen hier bei Ihrem schärfsten Konkurrenten, der AfD, fischen
(Lachen von Susanne Schneider [FDP])
und im konservativen Lager Wählerinnen und Wähler gewinnen.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit.
Andrea Asch (GRÜNE): Ich kann nur sagen: Dieser Antrag ist peinlich und ein politisches Armutszeugnis ersten Ranges.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin Asch, würden Sie noch einen Moment hierbleiben? Denn es liegt eine Kurzintervention von Herrn Dr. Stamp vor. Bitte schön.
Dr. Joachim Stamp (FDP): Frau Kollegin Asch, dass es immer mit Unterstellungen endet, haben wir hier schon mehrfach bei Beiträgen von Ihnen gehört. Ich weiß nicht, ob Sie den Antrag wirklich richtig gelesen haben oder ob Sie uns von vornherein Dinge unterstellen wollen.
Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass ich aufgrund einer entsprechenden Karriereentwicklung meiner Frau selber zwei Jahre Elternzeit genommen habe, dass ich heute Morgen unsere Kinder versorgt habe, weil meine Frau auf Dienstreise ist, und dass das für uns eine Selbstverständlichkeit ist.
Wir wollen aber an dieser Stelle einfach mal zum Ausdruck bringen, damit das auch in diesem Hause mal zum Ausdruck gebracht wird, dass es gesellschaftlich eine spezifische Herausforderung gibt, einen spezifischen Druck auf Mütter.
Das haben wir in diesem Antrag zum Ausdruck gebracht, indem wir eben nicht irgendein Rollenmodell präferieren, sondern indem wir insgesamt auf die besonderen Herausforderungen für Mütter hingewiesen haben. Dafür sind wir der Kollegin Schneider sehr dankbar. – Vielen Dank.
(Beifall von der FDP und Walter Kern [CDU])
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Bitte schön, Frau Kollegin.
Andrea Asch (GRÜNE): Herr Dr. Stamp, es ist aller Ehren wert, wenn Sie persönlich zwei Jahre zu Hause bei Ihren Kindern verbracht haben. Die Zahlen sind trotzdem deutlich. Es sind viel zu wenige Väter, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
Ich meine, wir müssen nicht wohlfeile Appelle der Wertschätzung in die Gesellschaft geben. Wir sind als Politik gefordert, Rahmenbedingungen zu verbessern. Das ist unsere Aufgabe.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Richtig!)
Genau daran fehlt es in Ihrem konkreten Antrag. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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