Norwich Rüße: „Nordrhein-Westfalen beschreitet keinen Sonderweg“

Gesetzentwurf zum Ökologischen Jagdgesetz

Portrait Norwich Rüße

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Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann als Allererstes sagen: Ich freue mich, dass wir heute hier im Landtag dieses neue Jagdrecht für Nordrhein-Westfalen verabschieden werden.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wir verabschieden damit ein Jagdrecht, das unser Bundesland auf die Höhe der Zeit bringt.
(Zuruf von der SPD: Oh!)
Eines steht für meine Fraktion fest: Mit dem Gesetz tragen wir den geänderten fachlichen, gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen Rechnung.
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)
An der Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte ich eigentlich fast den Beifall der CDU-Fraktion erwartet, denn der letzte Satz war ein Zitat von Frank Kupfer. Das ist der zuständige sächsische CDU-Staatsminister, der in Sachsen 2012 ein Jagdrecht gemacht hat.
Damit wird eines klar: Nordrhein-Westfalen beschreitet keinen Sonderweg, wie Sie uns seit Monaten erzählen wollen, sondern wir befinden uns in guter Gesellschaft mit Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, dem Saarland und eben auch Sachsen.
Meine Damen und Herren, im Kern geht es jetzt darum, dass wir mit diesem Gesetz die Interessen der Jagd mit denen des Waldbaus, des Tierschutzes und des Naturschutzes in Einklang bringen. SPD und Grüne haben in den letzten Wochen noch einmal intensiv darüber beraten, ob und an welchen Stellen wir Anregungen aufnehmen und Punkte verändern. Wir sind – das kann ich sagen – den Jägerinnen und Jägern bei ihrem Hauptkritikpunkt, der Jagdsteuer, ganz weit entgegengekommen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir haben bestimmte Konkretisierungen bei der Baujagd vorgenommen. Wir haben – auch das ist ein Vertrauensvorschuss, den wir geben – das Verbreitungsgebiet Sikawild im Arnsberger Wald jetzt doch wieder ausgewiesen. Das ist ein erheblicher Vertrauensvorschuss, den wir geben.
Wir haben aber auch zwei Konkretisierungen gemacht, die zeigen, dass wir nicht in eine Richtung allein gegangen sind. Wir haben die verpflichtenden Hegeschauen – auch gern Trophäenschauen genannt – abgeschafft – sie sind aus dem Gesetz gestrichen worden –, und wir haben die Aufbewahrungspflicht bei Rotwild nicht nur auf das männliche, sondern auch auf das weibliche Stück ausgedehnt.
Damit haben wir alles in allem noch einmal Änderungen vorgenommen – Sie sehen es in unserem Änderungsantrag –, die gut begründet sind und die das Gesetz präzisieren und nach vorn verbessern.
Die Änderungen – es wird ja gerne vergessen, dass auch der Minister schon Änderungen, Verbesserungen an seiner damaligen Kabinettsvorlage vorgenommen hat –, die wir heute veranlassen, sind ein klarer Nachweis dafür, dass gute Argumente von uns aufgenommen worden sind, dass sie gehört worden sind und in das Gesetz Eingang gefunden haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ihre Position als CDU- und als FDP-Fraktion – und das sage ich Ihnen ganz deutlich – war – das habe ich auf jeder Regionalkonferenz, in allen Diskussionen erfahren dürfen – von Anfang an in Stein gemeißelt. Sie haben überhaupt kein Interesse gehabt, mit uns fachlich über dieses Gesetz zu diskutieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich finde es im Fall der FDP auch akzeptabel, weil Sie in den meisten Bundesländern sowieso schon APO sind. Sie haben doch nichts zu verantworten. Im Falle der CDU verstehe ich das, ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Ich finde, dass Sie, was Jagdpolitik angeht – wenn ich das aus Sicht der Jäger beurteilen würde –, eigentlich mit uns in einem Glashaus sitzen. Wie diskutieren Sie als CDU insgesamt in einer Bundesarbeitsgemeinschaft noch Jagdpolitik, wenn Sie als CDU in Sachsen in der Lage sind, Dinge zu machen, die ich auch sofort unterschreiben kann? Sie haben dort beim Pachtrecht Einschränkungen vorgenommen. Sie haben als CDU das Vegetationsgutachten, das wir auch vorsehen, dort in ähnlicher Form auch im Jagdrecht verankert. Zu den Totschlagfallen, die Sie hier immer heiß diskutiert haben, für die niemand in der Bevölkerung Verständnis hat, haben Sie gesagt, dass Sie das nicht wollen. Sie haben in Sachsen – hört, hört – ein quasi Abschussverbot für Hunde verabschiedet. Da frage ich mich: Wenn Sie das in Sachsen alles richtig und gut fanden, warum machen Sie dann hier in Nordrhein-Westfalen bei unseren Änderungen, die ähnlicher Natur sind, eigentlich so einen Max und sagen, das sei alles Teufelszeug?
Meiner Meinung nach ist das am Ende nur der Beweis dafür, dass Sie – und da haben wir die Verknüpfung zur Energiedebatte von heute Morgen – politisch überhaupt keinen Kompass mehr haben. Es geht Ihnen nur darum, dass Sie am Ende populistisch Punkte sammeln wollen. Darum geht es Ihnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie haben sich einer wirklichen fachlichen Auseinandersetzung verweigert.
(Karlheinz Busen [FDP]: Dazu kommen wir gleich noch!)
Sie haben sich insgesamt zum Sprachrohr des Landesjagdverbandes machen lassen, Sie haben alle Punkte übernommen. Das finde ich enttäuschend.
(Beifall von den GRÜNEN und von Norbert Meesters [SPD])
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Ende.
Norwich Rüße (GRÜNE): Sie haben das gemacht, um im ländlichen Raum zu punkten. Ich sage Ihnen, ganz so einfach ist das auch da nicht. Auch im ländlichen Raum leben Tier- und Naturschützer.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Auch Jäger sind Tierschützer!)
Sie haben mit Ihrer starren Haltung viele Minuspunkte gesammelt. Ich hätte bei der Heftigkeit der Debatten, die es zum Teil gab – Worte wie Ermächtigungsgesetz, Ökofaschisten und Ähnliches sind da gefallen –, von Ihnen erwartet, dass Sie mäßigend auf die Jäger einwirken und
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der Regierungsbank)
sagen: So geht es nicht. Wir haben eine politische Debattenkultur in diesem Bundesland, und da gibt es eine Grenze, die nicht zu überschreiten ist. – Sie hätte da eine Menge tun können.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Schluss!
Norwich Rüße (GRÜNE): Ich komme zum Schluss.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Jetzt bitte!
Norwich Rüße (GRÜNE): Wir hatten einen langen Prozess. Ich bin froh, dass wir heute endlich dieses Gesetz verabschieden können.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, ich darf Sie letztmalig bitten, zum Schluss zu kommen.
Norwich Rüße (GRÜNE): Wir haben dann ein Gesetz, durch das Nordrhein-Westfalen an die Spitze der Bundesländer jagdpolitisch kommen wird. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. Bleiben Sie bitte vorne. Wir haben eine Kurzintervention aus der CDU-Fraktion, und zwar von Herrn Kollegen Ortgies. Er bekommt jetzt für 90 Sekunden das Wort.
Friedhelm Ortgies (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Rüße, zu Beginn möchte ich Ihnen meine Anerkennung aussprechen, wie Sie es geschafft haben, fast alle Forderungen der Grünen gegen Ihren Koalitionspartner, gegen die SPD, durchzusetzen.
(Beifall von der CDU und der FDP)
Ich habe mich schon im Ausschuss bisweilen gewundert, wie Sie so ganz nach Gutdünken Ausschusstermine, Anhörungen verschoben, verkürzt haben. Immer gerade so, wie es Ihnen passte, wurden wir da vorgeführt. Sie haben auch Ihren Koalitionspartner am Nasenring durch den Landtag gezogen.
(Beifall von der CDU und der FDP)
Das alles hat mit Billigung der Fraktionsspitze, mit Billigung der Ministerpräsidentin, die ja sogar ein Gespräch mit den Jägern abgelehnt hat, stattgefunden. Manchmal, Herr Meesters, taten Sie mir sogar schon fast leid. Man darf eben keine Versprechungen machen, die man nicht halten kann.
Schon zu Anfang der Debatte um das Jagdgesetz habe ich allen Beteiligten vorausgesagt: Passt auf, die Sozialdemokraten haben im Hause Remmel überhaupt keinen Zutritt. – Und so ist es auch gekommen. Herr Rüße, Sie haben Zugeständnisse verkündet wie die Nichtwiedereinführung der Jagdsteuer, die Beibehaltung des Reviersystems. Und der Höhepunkt des Ganzen ist: Die Waldschnepfe kommt wieder auf die Liste der jagdbaren Arten – und gleichzeitig stellen Sie sie natürlich ganzjährig unter Schutz!
(Lachen von der CDU)
Sie haben das alles hineingeschrieben, damit Sie etwas zum Streichen haben. Ich sage Ihnen: Der Berg kreißte, Herr Rüße, und gebar keine Maus, sondern eine Waldschnepfe.
(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP)
Das ist keine Realsatire mehr, sondern das ist eine Verhöhnung der Jäger und der Menschen im ländlichen Raum. Sie haben monate- und jahrelang so getan…
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Schluss.
Friedhelm Ortgies (CDU): An einigen Regionalversammlungen habe ich teilgenommen und gehört, was Sie dort alles versprochen haben. Die Menschen im ländlichen Raum werden Ihnen das auch in den nächsten zwei Jahren nicht vergessen. – Danke schön.
(Beifall von der CDU und der FDP)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Jetzt hat der Kollege Rüße das Wort. Bitte schön.
Norwich Rüße (GRÜNE): Lieber Herr Ortgies. Ich fange hinten an. Es fällt mir immer schwer, von den Menschen zu sprechen, so wie Sie es tun. Es gibt ganz unterschiedliche Menschen. Es gibt Menschen in ländlichen Räumen, in städtischen Räumen. Ich sage Ihnen nur eins. Ich habe viele Zuschriften von Menschen bekommen, die sehr erleichtert waren, dass wir gerade mit Blick auf den Tierschutz im Jagdrecht einiges verändern.
(Beifall von den GRÜNEN)
Da bin ich an einer Stelle, da will ich auch nicht, dass Sie ständig versuchen, irgendeinen Keil zwischen Stadt und Land zu treiben. Das ist großer Blödsinn. Da können Sie meines Erachtens diese Trennlinie nicht ziehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dann sage ich Ihnen etwas zum Binnenverhältnis zwischen Herrn Meesters und mir. Ich denke, dass es von sehr großer Kollegialität geprägt war, dass wir viele Dinge gemeinsam diskutiert haben. Ich kann nur sagen, was Sie jagdpolitisch in den Veranstaltungen vorgetragen haben, war der Stand des Jahres 1980. Wir haben uns bemüht, das Jagdrecht nach vorne in das Jahr 2015 weiterzuentwickeln. Dann tut es mir für Sie leid, dass da der Konflikt zwischen SPD und Grünen an der Stelle nicht da ist, so wie Sie es gerne hätten.
(Beifall von den GRÜNEN und Norbert Meesters [SPD])
Wir haben gemeinsam ein modernes Jagdrecht entwickelt. Und darauf sind wir auch gemeinsam stolz. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)