Monika Düker: „Abschiebehaft inhaftiert Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen“

Gesetzentwurf der Landesregierung

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, dass wir hier die soundsovielte Grundsatzdebatte zur Abschiebehaft eigentlich heute nicht brauchen. Aber, Herr Sieveke, zu Ihren Äußerungen zum Thema Abschiebehaft noch eins klargestellt werden: Dass Abschiebehaft ein rechtsstaatliches Instrument ist, ist doch äußerst fragwürdig und stelle ich hier für meine Fraktion auch infrage.
(Beifall von den GRÜNEN)
Abschiebehaft inhaftiert Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Ich finde es eigentlich eines Rechtsstaates unwürdig. Aber, wie gesagt, die Grundsatzdebatte brauchen wir heute meines Erachtens nicht mehr. Sie haben sich dazu hinreißen lassen, dass die, die in Abschiebehaft landen, alles irgendwelche Illegalen sind. Das sind auch Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, der abgelehnt worden ist. Die sollten wir hier nicht diskriminieren.
Herr Sieveke, Sie haben die Flüchtlinge in Gut und Böse eingeteilt. Die Guten dürfen hierbleiben, und die Bösen nehmen den anderen den Platz weg. Ich sage Ihnen noch einmal, und das habe ich in diesem Landtag bereits sehr häufig gesagt: Niemand verlässt seine Heimat ohne Grund und begibt sich auf eine Flucht.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Ihre Einteilung in Flüchtlinge erster und zweiter Klasse finde ich unsäglich. Das heizt nämlich die Stimmung vor Ort an, und das finde ich nicht redlich.
Jetzt zum Antrag: Die Lage ist für die Grundsatzdebatte eigentlich klar. Grüne und SPD haben da unterschiedliche Meinungen, das können wir hier auch noch zehn Mal sagen. Wir haben in unseren Programmen stehen, dass wir das grundsätzlich auch ablehnen, aber wir haben einen Koalitionsvertrag. So nennt man das, wenn sich zwei Parteien zusammensetzen und darüber verhandeln, wie man gemeinsam regiert. Ich finde, wir haben in unserem Koalitionsvertrag eine gute Formulierung gefunden. Denn dort steht, dass wir Abschiebehaft als Ultima Ratio sehen und auch das Prinzip hier haben. Den Vollzug, wenn er denn angeordnet wird, können wir als Land auch nicht verhindern. Deswegen müssen auch Sie sich diesen Vollzugsfragen stellen, damit dieser Vollzug human ausgestaltet wird und da, wo es möglich ist, Abschiebehaft möglichst vermieden wird.
Ja, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz haben Landtagsbeschlüsse mit Mehrheit gefasst, dass man sich im Bundesrat dafür einsetzen wird, Abschiebehaft abzuschaffen. Das ist auch das gute Recht. Diese Mehrheit ist in diesem Landtag nicht vorhanden. Sie ist auch im Bundesrat und im Bundestag nicht vorhanden. Deswegen beenden Sie diese Phantomdebatte und lassen Sie uns darüber reden, wie wir die Menschen vor Ort konkret so unterbringen, dass wir humanitäre Gesichtspunkte berücksichtigen, wenn die Abschiebehaft von einem Richter angeordnet wird. Diese richterlichen Anordnungen können auch Sie nicht außer Kraft setzen; das geht in einem Rechtsstaat nicht.
Genau das machen wir mit unserem Gesetzentwurf. Ziel ist es, hier ein zweistufiges Verfahren – das ist mehrfach auch im Ausschuss vorgetragen worden – einzuführen. Derzeit erfolgt die Erarbeitung eines ausführlichen Gesetzentwurfes. Für die Zeit, bis dieser fertig ist und in Kraft treten kann, kann ich Ihnen zusichern, dass in Büren ein humaner Vollzug gewährleistet ist, damit die Menschen, für die wir das ja machen – wir machen das ja nicht hier aus Spaß, sondern für die Menschen – nicht mehr nach Berlin oder Eisenhüttenstadt transportiert werden müssen. Dafür steht diese Regierung, dafür stehen die Koalitionsfraktionen. Das heißt konkret, und das hat ja auch die EU-Rechtsprechung gezeigt: Abschiebehaft kann und darf nicht Strafhaft sein. Das wird sie in Büren auch weiterhin nicht sein. Das ist unser Ziel.
Jetzt kommt gleich Herr Stamp und sagt: Das geht alles nicht schnell genug. – Ja, es könnte schneller gehen. Aber wir haben uns für diesen Weg entschieden, dass wir einen Gesetzentwurf erarbeiten, der wirklich mit einem Neuanfang in Büren gute Standards setzt.
(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Nullnummer!)
Dafür haben wir ein Konsultationsverfahren verabredet, das die Regierung gerade erarbeitet. Ich bin einmal gespannt, was dabei herauskommt.
(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Nichts!)
Und dann werden wir im nächsten Jahr über ein ausführlicheres Gesetz diskutieren. Bis zum Jahresende befristet möchten wir mit diesem Gesetz eine Grundlage schaffen, dass die Menschen humanitär und anständig untergebracht werden. Wir stellen uns hier der Verantwortung, um nicht mehr die langen Transportwege in Kauf nehmen zu müssen. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)