Tierversuche lassen sich mehr und mehr vermeiden

Interview mit Martin-Sebastian Abel zum Tag des Versuchstiers

Der Internationale Tag des Versuchstiers am 24. April soll auf die Schicksale dieser Tiere aufmerksam machen. Seit 2014 müssen die Bundesländer die Zahlen der in Tierversuchen und für andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere erstmals nach den neuen und strengeren Vorgaben der EU-Tierversuchsrichtlinie melden. Was können wir uns davon erhoffen?
Erstmal ist die Vorgabe der EU im Sinne der Transparenz eine wichtige Maßnahme: endlich werden von der Statistik alle Tiere erfasst und die Öffentlichkeit kann sich ein Bild über das Ausmaß machen. Die Zahlen werden dadurch stark steigen. Das wird zu einer neuen Debatte führen und das ist auch gut so – schließlich soll die Statistik ein Abbild der Realität sein. 

Ziele von Tierversuchen sind der Erkenntnisgewinn in der Grundlagenforschung und die Entwicklung und Erprobung neuer Therapiemöglichkeiten in der Medizin. Sind Tierversuche dafür nicht mittlerweile verzichtbar? 
Tierversuche sind in vielen Bereichen noch immer gesetzlich vorgeschrieben. Ohne diese Versuche dürfen Produkte ( z.B. Chemikalien, Medizinprodukte, Pestizide) nicht auf dem Markt zugelassen werden. Meist i​st der Hersteller selbst für die Sicherheitsprüfung verantwortlich und kann durch den Nachweis gegebenenfalls eine Haftung ausschließen. In vielen Bereichen haben wir validierte Methoden, jedoch hinkt die regulatorische Ebene hinterher. Das bedeutet konkret: es werden Versuche durchgeführt, die eigentlich ersetzbar wären. Und das ist keine Meinung spinnerter TierschützerInnen. In meinen Gesprächen mit Pharmaunternehmen bekam ich immer wieder zu hören, dass man in vielen Bereichen selbst weiter sei, aber auf regulatorischer Ebene nicht weiterkomme. Bei einem Besuch im ZEBET (Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch) wurde mir das als größtes Problem geschildert. Daran müssen wir arbeiten. Aber nicht in allen Bereichen haben wir validierte und anerkannte Alternativ- und Ersatzmethoden. 

Aber es gibt zunehmend Alternativmethoden. Wie kann man in der Zukunft Tierversuche vermeiden? 
Dass Ersatz- und Alternativmethoden nicht überall konsequent zum Einsatz kommen, liegt nicht etwa an den mangelhaften Leistungen der tierversuchsfreien Methoden, sondern am massiven Ungleichgewicht bei der Verteilung von Forschungsgeldern. Tatsache ist, dass sich viel zu wenige WissenschaftlerInnen um diese Aufgabe kümmern, weil ihnen in Relation zu "konventionellen" Methoden zu wenig Forschungsgelder zur Verfügung stehen. Hier müssen wir auf allen Ebenen nacharbeiten.

Was konkret haben wir als Grüne Landtagsfraktion bereits erreicht bzw. wie sehen unsere Ziele für den Tierschutz aus? 
Tierversuche werden auch zu Aus- und Fortbildungszwecken gemacht. In den Studiengängen der Biologie, Human- und Veterinärmedizin, aber auch in der Psychologie und Ingenieurstudiengängen, werden noch immer Studierende unter Einsatz von Tieren ausgebildet. Mit der Novellierung des Hochschulgesetzes haben wir in NRW unter den Zielen von Forschung und Lehre wieder einen Tierschutzparagraphen eingeführt: Die Hochschulen sind angehalten, in der Lehre die Entwicklung von Methoden und Materialien zu fördern, die die Verwendung von lebenden oder eigens hierfür getöteten Tieren verringern oder ganz ersetzen können. Außerdem haben wir den Studierenden eine Gewissensentscheidung eingeräumt, wenn sie oder er es aus ethischen Gründen ablehnt, an diesen Sezierpraktika teilzunehmen. 

Zudem haben wir mit dem Centrum für Ersatzmethoden zum Tierversuch (CERST NRW) einen wichtigen Meilenstein gesetzt. Das Ziel dieser zunächst auf fünf Jahre angelegten Initiative ist die Reduzierung der Tierversuchszahlen in NRW durch die Entwicklung und Verbreitung alternativer Testmethoden. Das CERST-NRW wird sowohl für den Tierschutz als auch für den Wissenschaftsstandort NRW einen wichtigen Beitrag leisten.​