„Operation Last Chance“ – Die letzten lebenden NS-Täter müssen ihrer strafrechtlichen Verfolgung zugeführt werden

Gemeinsamer Antrag aller Fraktionen

I. Ausgangslage

2013 startete das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Deutschland die Kampagne „Operation Last Chance“, mit deren Hilfe die letzten noch lebenden Kriegsverbrecher in Deutschland aufgespürt werden sollen. Zunächst wurden in Berlin, Hamburg und Köln insgesamt 2.000 Plakate mit dem Motto „Spät, aber nicht zu spät!“ aufgehängt. Auf den schwarz-roten Plakaten war das Tor zum KZ Auschwitz abgebildet.
Am 1. Oktober 2014 übergab das Simon-Wiesenthal-Zentrum dem Bundesinnenministerium eine Liste mit den Namen von achtzig möglicherweise noch lebenden Mitgliedern der sogenannten Einsatzgruppen. Diese Einsatzgruppen werden  für die Ermordung von mehr als einer Million Juden in der Sowjetunion, in Polen und in Osteuropa verantwortlich gemacht.
Der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, wies darauf hin, dass es sich bei den auf der Liste aufgeführten Personen um die jüngsten Mitglieder der mobilen Einsatzgruppen handele, die zwischen 1920 und 1924 geboren wurden. Aufgrund dessen gehe man davon aus, dass einige davon möglicherweise noch am Leben und gesund genug seien, um angeklagt zu werden.
Die Bundesregierung hat die Liste des Simon-Wiesenthal-Zentrums der zuständigen „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg übermittelt. Aufgabe der Zentralen Stelle in Ludwigsburg ist es, das gesamte erreichbare ermittlungsrelevante Material über nationalsozialistische Verbrechen weltweit zu sammeln, zu sichten und auszuwerten. Hauptziel ist es dabei, nach Ort, Zeit und Täterkreis begrenzte Tatkomplexe herauszuarbeiten, um noch lebende und verfolgbare Beschuldigte festzustellen. Ist dies so weit wie möglich gelungen, schließt die Zentrale Stelle – die keine Anklagebehörde ist – ihre Vorermittlungen ab und leitet den Vorgang der zuständigen Staatsanwaltschaft zu.
Die Auswertung der Liste des Simon-Wiesenthal-Zentrums obliegt vor diesem Hintergrund zunächst der Zentralen Stelle in Ludwigsburg. Es handelt sich um eine Aufgaben- und Kompetenzverteilung, die sich seit der am 1. Dezember 1958 aufgenommenen Tätigkeit der Zentralen Stelle in Ludwigsburg als gemeinschaftliche Einrichtung aller Landesjustizverwaltungen uneingeschränkt bewährt hat. Zur systematischen Verfolgung der nationalsozialistischen Verbrechen bedarf es einer im Vorfeld der Staatsanwaltschaften tätigen Behörde, die durch Vorermittlungen Erkenntnisse über NS-Verbrecher zusammenträgt, um die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vorzubereiten und zu unterstützen. Dies geschieht auch im Fall der Liste des Simon-Wiesenthal-Zentrums.
In Nordrhein-Westfalen ist für die Bearbeitung nationalsozialistischer Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund die „Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von Nationalsozialistischen Massenverbrechen“ eingerichtet worden. Sie unterhält zur Zentralen Stelle in Ludwigsburg einen engen Kontakt. Falls es auf der Grundlage der Vorermittlungen der Zentralen Stelle in Ludwigsburg zur Einleitung von Ermittlungsverfahren durch die Zentralstelle in Dortmund und nach deren Abschluss zu Anklagen kommen sollte, findet der Prozess vor dem örtlich zuständigen Gericht statt.
Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat auf die Kleine Anfrage 2754 mit Schreiben vom 31. Oktober 2014 bekräftigt, dass die Verfolgung nationalsozialistischer Massenverbrechen der Landesregierung ein zentrales Anliegen ist.

II. Der Landtag stellt fest:

Die Verfolgung der nationalsozialistischen Massenverbrechen ist ein zentrales Anliegen. Sie hat auch nach 70 Jahren nichts von ihrer Bedeutung verloren und muss mit nicht nachlassender Ernsthaftigkeit fortgesetzt werden. Mit Blick auf die Zunahme von antisemitischen Straftaten würde von erfolgreichen Strafverfahren gegen NS-Täter zudem eine wichtige Signalwirkung von unserem Land ausgehen.

III. Der Landtag beschließt:

Um die nordrhein-westfäIischen Strafverfolgungsbehörden in die Lage zu versetzen, die notwendigen Ermittlungen einzuleiten, werden alle staatlichen und nichtsta­atlichen Stellen aufgefordert, ihre diesbezüglichen Erkenntnisse den Straf­verfolgungsbehörden unverzüglich zur Verfügung zu stellen.
Die Landesregierung wird aufgefordert, dem Landtag über den aktuellen Sachstand etwaiger Ermittlungsverfahren bis zum 31. Dezember 2015 zu berichten.