Mehr Chancengleichheit durch verlässliche Gewährung von Nachteilsausgleichen für Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen

Gemeinsamer Antrag aller Fraktionen

I. Sachverhalt

Schulen stehen in der Verantwortung, alle Kinder individuell nach ihren Fähigkeiten zu fördern und bei Bedarf besondere Unterstützung zu gewähren. Für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen bzw. sonderpädagogischen Förderbedarf ist neben individueller Förderung auch die Gewährung von Nachteilsausgleichen eine rechtlich abgesicherte Maßnahme zur Herstellung von Chancengleichheit. Berechtigte Nachteilsausgleiche stellen kein Privileg dar. Es muss daher sichergestellt sein, dass denjenigen Schülerinnen und Schülern, die ein Anrecht auf einen Nachteilsausgleich haben, dieser auch in einem transparenten Verfahren gewährt wird.
Im Schulrecht werden so genannte Teilleistungsschwächen nicht als Behinderungen betrachtet – anders als dies Betroffene mitunter fordern. Hieraus resultiert eine große Unsicherheit in den Schulen und daher kommt es auch immer wieder zu Konflikten zwischen Eltern, Lehrkräften und Schulaufsicht.
Nachteilsausgleiche sind Maßnahmen, welche die Nachteile, die den Schülerinnen und Schülern aus ihrer Behinderung erwachsen, so ausgleichen, dass es ihnen möglich ist, die gleichen Aufgabenstellungen wie ihre Mitschüler zu bearbeiten, beziehungsweise zu zeigen, dass sie die in den Lehrplänen definierten Kompetenzerwartungen ohne Verzicht auf Leistungsanforderungen erfüllen können. Dazu gehören z. B. Zeitzugaben, die Nutzung technischer Hilfsmittel oder die Modifikation von Aufgabenstellungen, wobei die inhaltlichen Leistungsanforderungen dabei vom Grundsatz nicht verändert werden. Ein Verzicht auf die Leistungsbewertung in einzelnen Fächern auf Abschlusszeugnissen und Zeugnissen, mit denen Berechtigungen verliehen werden, ist nicht möglich.
Über die Möglichkeiten des Nachteilsausgleichs sind Betroffene, Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer häufig unzureichend informiert. Die Praxis und die Regelung der Gewährung von Nachteilsausgleichen werden von Betroffenen oftmals als unzureichend empfunden. Während die Gewährung von Nachteilsausgleichen für Kinder und Jugendliche mit Lese-Rechtschreib-Schwäche im LRS-Erlass zum Beispiel auch einen vorübergehenden Verzicht auf die Leistungsbewertung der Rechtschreibung umfasst (so genannter „Notenschutz“), so ist ein solcher begrenzter Verzicht auf Leistungsbewertung bei anderen Beeinträchtigungen und Teilleistungsschwächen nicht vorgesehen. Dies betrifft beispielsweise Kinder und Jugendliche mit Lernbeeinträchtigungen aufgrund chronischer Krankheiten, ADHS oder mit Rechenschwäche (Dyskalkulie).
Das Verfahren zur Gewährung von Nachteilsausgleichen ist in den Verordnungen zu den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen rechtlich geregelt. Maßnahmen – wie sie im Kontext dieser Nachteilsausgleiche möglich sind – sind aber auch im Rahmen der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schüler sinnvoll. Hierzu sollten Schulen im Rahmen festgelegter Leitlinien eigene Konzepte entwickeln können. Dabei sollen die Eltern- sowie die Vertretung der Schülerinnen und Schüler frühzeitig einbezogen und informiert werden. Das gilt auch für die Beratung und Verankerung des Konzepts in den Fachkonferenzen.

II. Der Landtag stellt fest:

Auch für Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen sollen Maßnahmen ermöglicht werden, auf die Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen einen Anspruch als Nachteilsausgleich haben.

III. Beschlussfassung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • dem Landtag über die aktuellen Forschungsstände zu Teilleistungsschwächen, insbesondere zur Rechenschwäche, die aktuellen schulrechtlichen Regelungen zu Nachteilsausgleichen im Bundesländervergleich und den Diskussionsstand auf der KMK-Ebene zusammenzutragen und zu berichten,
  • dafür Sorge zu tragen, dass Schulleitungen, Kollegien, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern verständliche und ausreichende Informationen zu Fördermöglichkeiten und zur Ge­währung von Nachteilsausgleichen auf der derzeitigen Rechtsgrundlage zur Verfügung stehen.
  • die bestehende Rechtsgrundlage im Licht der aktuellen Erkenntnisse zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen und dabei den Schulen insbesondere im Kontext der individuellen Förderung – ohne Verzicht auf eine Vergleichbarkeit der Leistungsanforderungen – Spielräume einzuräumen und den zuständigen Ausschuss des Landtags über das Ergebnis der Überprüfung zu informieren.
  • für eine stärkere Berücksichtigung der Themen Teilleistungsschwächen und Nach­teilsausgleich in Lehramtsausbildung, Lehrerfortbildung und Schulleitungsqualifikation Sorge zu tragen,
  • im Rahmen der Kultusministerkonferenz auf ein bundesweit einheitliches Verfahren zur Vergabe von Nachteilsausgleichen hinzuwirken.