Dr. Birgit Beisheim: „Doch bei aller Begeisterung für Technik gilt es, den Menschen ins Zentrum einer Digitalisierungsstrategie zu stellen.“

Antrag der CDU zur Digitalisierung von Mittelstand und Industrie

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wüst, in Ihrer Rede war es zugegebenermaßen etwas anders, aber in Ihrem Antrag ventilieren Sie wiederum Ihr ständiges Denken in Problemen. Als Chancendenker, der Sie manchmal dann doch sind, müssten Sie eigentlich erkannt haben: Wo, wenn nicht hier bei uns, haben wir das industrielle und innovative Know-how, die Erfahrung und die Infrastruktur, um die Märkte der Digitalisierung, der sogenannten Industrie 4.0, zu erschließen und zu gestalten?
Im Industrieland Nordrhein-Westfalen gilt es nicht, die sechste App für einen Onlineshop oder auch für ein vernetztes System in Ihrem Privathaus zu entwickeln, sondern der Vorsprung unserer Industrie beruht darauf, dass wir Fähigkeiten, Methoden und Prozesse haben, die sich der Industriestandort in den letzten 50 Jahren angeeignet hat. Diese bewährten Fähigkeiten, Prozesse und Produkte müssen sich den Herausforderungen eines sich vernetzenden und softwaregesteuerten Systems anpassen. Nur so kann der Vorsprung gehalten und sogar ausgebaut werden. Die Industriegesellschaft verändert sich mitsamt ihren Produkten und Märkten immer schneller. Bei der Entwicklungsgeschwindigkeit ist es wichtig – da gebe ich Ihnen recht, Herr Wüst –, nicht den Anschluss zu verpassen.
Softwaregesteuerte Produkte und Güter werden künftig noch mehr in die verschiedensten Bereiche unserer Gesellschaft vordringen. Das haben Sie sehr gut referiert, Herr Wüst.
Doch bei aller Begeisterung für Technik gilt es, den Menschen ins Zentrum einer Digitalisierungsstrategie zu stellen. Dabei ist es nicht nur wichtig, Fachkräfte wie Ingenieure, Techniker, Produktdesigner, Betriebswirte, Sozialwissenschaftler und Informatiker zu haben; es wird auch immer wichtiger, die Einzeldisziplinen miteinander zu vernetzen und die Zusammenarbeit zu managen. Wir brauchen zukünftig wieder mehr Generalisten. Denn das richtige Setzen von Produktprämissen und der ganzheitliche Blick auf Produktionsprozesse werden an Bedeutung gewinnen.
Schlussendlich bietet Industrie 4.0 auch Chancen für ökologische Nachhaltigkeit und Verbraucherschutz. So werden Kunden zu Produktgestaltern und Designern. Es ist deshalb ein ganzheitlicher Innovationsrahmen gefordert, der die Ressourcennutzung in den Prozessen lenkt, emissionsneutrale und kreislauforientierte Produkte fördert und die Rolle des Menschen in der Produktion neu bewertet. Auf diese Punkte geht Ihr Antrag leider nicht ein. Deshalb freue ich mich auf den Diskurs im Ausschuss. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)