Matthi Bolte: „Der ganze Geheimdienstskandal, der ganze NSA-Skandal hat den Kitt des demokratischen Rechtsstaats erschüttert.“

Antrag der Piraten gegen Geheimdienstangriffe

Matthi Bolte (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Seit mittlerweile bald zwei Jahren erleben wir regelmäßig neue Enthüllungen über Machenschaften, Grundrechtsverletzungen, Grenzüberschreitungen und Verstrickungen bei internationalen Geheimdiensten. Es sind auch Bezüge deutlich geworden, bei denen deutsche Dienste involviert sind. Wir haben kürzlich auch darüber debattiert.
Der ganze Geheimdienstskandal, der ganze NSA-Skandal hat den Kitt des demokratischen Rechtsstaats erschüttert. Das Vertrauen – Vertrauen in öffentliche Institutionen, dass sie sich an Recht und Gesetz halten; Vertrauen in die Sicherheitsbehörden, dass sie bei ihren sensiblen Aufgaben den Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit zugunsten der Freiheit auflösen; Vertrauen in die Wirtschaft, dass sie sich nicht zum Handlanger wissbegieriger Nachrichtendienste macht – hat insgesamt gelitten. Das macht mir Sorgen. Ich glaube, das macht uns allen Sorgen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, genauso muss es uns Sorgen machen, dass bei dem Untersuchungsausschuss, den es jetzt seit bald einem Jahr beim Deutschen Bundestag zu dieser Affäre gibt, immer wieder durch verschiedenste Stellen die Aufklärung verhindert oder zumindest behindert wird. Das ist ebenfalls etwas, was uns Sorgen machen muss.
Auch hier im Landtag haben wir immer wieder über den NSA-Skandal debattiert. Der Kollege van den Berg hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir auch regelmäßig gemeinsame Initiativen hinbekommen haben. Das finde ich bei einem so relevanten Punkt wichtig. Hier erinnere ich an den Antrag zum Appell der Schriftsteller, den Antrag „Unsere Freiheit steht auf dem Spiel – Bundesregierung muss endlich ihre Untätigkeit im Überwachungsskandal beenden!“ und den schon angesprochenen Antrag aus dem letzten Sommer zur Verschlüsselung. Es ist also nicht so, dass wir nicht kompromissbereit wären. Im Gegenteil: Wir gehen ordentlich mit der Opposition um und prüfen, wo es Anknüpfungspunkte gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Piratenfraktion, Ihr heutiger Antrag greift im Unterschied zu manch anderer Initiative keine ganz aktuellen Entwicklungen auf. Beispielsweise ist die Existenz des Office of Tailored Access Operations – TAO – schon seit anderthalb Jahren ein bekannter Sachverhalt. Als das damals aufkam, haben meine Kollegin Verena Schäffer und ich uns an die Präsidentin gewandt. Vielleicht erinnern Sie sich: Das war der Vorgang, der Ihren Kollegen Düngel damals zu seinem Rant gegen das angeblich kranke System gebracht hat. Hier handelt es sich also um Sachverhalte, die schon länger erledigt sind.
Eine gesetzliche Grundlage für anonyme oder pseudonyme Nutzung von Telemediendiensten gibt es. Sie haben sie selber zitiert.
Das Grundrecht, das Sie im Antrag einfordern, existiert auch. Es nennt sich Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme.
Wir haben klar beschlossen – das haben wir auch mehrfach zugesagt –, dass es im E-Government-Gesetz klare Regelungen zu der von mir eben schon angesprochenen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auf Kommunikationskanälen mit den nordrhein-westfälischen Behörden geben wird. Insofern sind wir da auf einem sehr guten Weg, was das Land Nordrhein-Westfalen angeht.
Ich will aber auch noch eine Anmerkung zu der grundsätzlichen Debatte machen. Natürlich ist die zentrale Lehre aus dem NSA-Skandal, dass Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendienste – da sehe ich im Bund ganz besonderen Handlungsbedarf, was den BND und den MAD angeht, aber sicherlich auch das BfV – transparenter und demokratisch aufgestellt werden müssen und demokratisch eingehegt werden müssen. An der einen oder anderen Stelle müssen sie vielleicht auch noch deutlich stärker eingehegt werden, als das in der Vergangenheit der Fall war.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das haben wir in Nordrhein-Westfalen auch gemacht. Sie erinnern sich: Mit der VSG-Reform 2013 haben wir genau das gemacht, weil wir nicht nur aus dem Geheimdienstskandal, sondern auch aus dem NSU die Lehre gezogen haben, dass man eine demokratische Einhegung für Nachrichtendienste braucht, weil es da einen Konflikt gibt.
(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])
Herr Kollege Schwerd, ich kann mich nicht erinnern, dass Sie in den letzten zwei Jahren hier konkret angemerkt hätten oder öffentlich gemacht hätten, der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz habe die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die für ihn gelten, verletzt. Das ist richtig so; denn wir haben diese Grenzen enger gefasst und das Ganze konkretisiert.
Im alten, schwarz-gelben VSG stand zum Beispiel noch das sonstige Aufklären des Internets als eine Befugnisnorm. Das haben wir herausgestrichen und klarer gefasst. Bei all diesen Punkten war es nötig und sinnvoll, es klarer zu fassen. Ich kann mich nicht an konkrete Änderungsvorschläge erinnern. Sie haben in den zwei Jahren auch nicht gegen Eingriffsbefugnisse geklagt, sondern Sie haben in Bezug auf die Transparenz von öffentlichen Sitzungen geklagt.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Matthi Bolte (GRÜNE): Jawohl, Frau Präsidentin.
Ich glaube, ich habe klargemacht, dass wir uns vernünftigen Diskussionen nicht verschließen, aber dass wir heute nicht zusammenkommen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)