Bestandsschutz für ältere Fahrgeschäfte ermöglichen und Attraktivität von Volksfesten mit sicheren Fahrgeschäften erhalten

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen

I.

Bauliche Anlagen auf Volksfesten, insbesondere Fahrgeschäfte, nehmen im Bauordnungsrecht aller Bundesländer eine Sonderstellung als Fliegende Bauten ein. Anders als ortsfeste Bauwerke unterliegen Fliegende Bauten einem besonderen, zeitlich befristeten Genehmigungsverfahren. In der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) regelt § 79 BauO NRW das Ausführungsgenehmigungsverfahren für Fliegende Bauten.
Europäische Normen, unter anderem die DIN EN 13814 “Fliegende Bauten und Anlagen für Veranstaltungsplätze und Vergnügungsparks – Sicherheit“, haben inzwischen die deutsche DIN 4112 als technische Baubestimmung in den Bundesländern ersetzt. Betroffen hiervon sind u.a. die Betreiber von Karussellen, Achterbahnen und ähnlichen Einrichtungen auf Volksfesten und Kirmesveranstaltungen.
Die überwiegende Zahl der gegenwärtig in Deutschland betriebenen Anlagen wurde noch auf Grundlage der Jahrzehnte geltenden und anerkannten DIN 4112 berechnet. konstruiert und wiederkehrend genehmigt. Die DIN 4112 galt für alte und neue Fliegende Bauten.
Die Bundesländer haben beschlossen, die Norm als Technische Baubestimmung auch für ältere Fliegende Bauten eingeführt, die vor ihrer Veröffentlichung (Juni 2005) hergestellt wurden, obwohl sie hier die Möglichkeit einer Ausnahmebestimmung zulässt.
Schaustellerinnen und Schausteller beklagen nun, dass die Bauaufsichten der deutschen Bundesländer die neuen technischen Bestimmungen dennoch auch auf Fliegende Bauten anwenden, die vor 2005 hergestellt wurden und insofern von der in der EU-Regelung selbst normierten Nicht-Anwendung abweichen. Die damit einhergehenden finanziellen Aufwendungen, um eine befristet ausgesprochene Ausführungsgenehmigung zum Weiterbetrieb zu erhalten, sind so hoch, dass sie einer erstmaligen technischen Prüfung nahekommen und von den Unternehmern nicht finanziert werden können.
In einem Pilotverfahren hat das Verwaltungsgericht Hannover am 15.10.2014 aufgrund der Klage eines Schaustellers die strengeren Auflagen für ältere Achterbahnen und andere Fahrgeschäfte erstinstanzlich für rechtswidrig erklärt, das Berufungsverfahren läuft. Eine weitere, in Bayern eingereichte Klage ist in der ersten Instanz ebenfalls zugunsten des klagenden Schaustellers entschieden worden.

II.

Der Landtag stellt fest:

1. Volksfeste und Märkte haben in Nordrhein-Westfalen eine hohe soziokulturelle Bedeutung. Sie sind  im Brauchtum verwurzelt und tragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Die Attraktivität eines Festes wird durch die geeignete Mischung der verschiedenen Branchen, orientiert an den Vorlieben der jeweiligen Besucher, bestimmt. Die Fahrgeschäfte (Achterbahnen, Karusselle, Schaukeln, Riesenräder und ähnliche) sind unverzichtbare Publikumsmagneten.
2. Die bauaufsichtlichen Vorschriften und die technischen Regelwerke sind über Jahrzehnte gewachsen und gewährleisten das hohe Sicherheitsniveau auf den Volksfestplätzen. Die Anlagen benötigen eine Erstgenehmigung und anschließend periodische Verlängerungen der Genehmigung nach Sicht- und Funktionsprüfungen durch Sachverständige. Bei älteren Fahrgeschäften, bei denen bestimmte Bauteile einer hohen dynamischen Beanspruchung ausgesetzt sind, ist zusätzlich eine Sonderprüfung besonders sicherheitsrelevanter Bauteile wiederkehrend durchzuführen. Nur so kann bei ortsveränderlichen Fahrgeschäften im Zuständigkeitsbereich wechselnder Bauaufsichtsbehörden der erforderliche Sicherheitsstandard gewährleistet werden.
3. Die Schaustellerinnen und Schausteller in Nordrhein-Westfalen sind aufgrund der geforderten Prüfungen beim Übergang auf die neue Sicherheitsnorm sehr verunsichert und befürchten starke finanzielle Belastungen.
4. Die Sicherheit von Fahrgeschäften hat oberste Priorität.

III.

Deshalb fordert der Landtag die Landesregierung auf,
im Rahmen der Bundesbauministerkonferenz die bauaufsichtlichen Einführungsbestimmungen der europäischen Sicherheitsnorm unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung zu überprüfen, sich für eine bundeseinheitliche Regelung einzusetzen und dabei auch die Hinweise der Berufsverbände der Schausteller ausdrücklich einzubeziehen,
in Abhängigkeit des Ergebnisses die landesrechtlichen Bestimmungen anzupassen und
die Hilfestellungen für den Vollzug so zu verbessern, dass Planungs- und Investitionssicherheit für Betreiberinnen und Betreiber von Fliegenden Bauten gestärkt wird.