Josefine Paul: „Bislang müssen wir leider feststellen, dass das Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen nach wie vor von Stereotypen geprägt ist.“

Gemeinsamer Antrag zum Boy's Day

Portrait Josefine Paul

###NEWS_VIDEO_1###
Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kopp-Herr hat die vorweihnachtliche Harmonie bereits angesprochen. Ich finde es auch sehr schön, dass wir uns mit allen fünf Fraktionen auf diesen Antrag verständigen konnten. Es wäre natürlich bei einem so wichtigen Thema auch schön, wenn wir das nächste Mal die Beteiligung erhöhen könnten;
(Beifall von der SPD und den PIRATEN)
denn immerhin sprechen wir über ein Feld, das im Grunde genommen zu den entscheidenden innerhalb der Gesellschaft gehört. Kaum etwas anderes hat eine solch hohe Ordnungsfunktion innerhalb der Gesellschaft wie Geschlechterzugehörigkeit. Dementsprechend ist Geschlechtersensibilität eine entscheidende Schlüsselkompetenz bei der Begleitung von Jugendlichen im Übergang von Schule und Beruf.
Es geht nicht nur darum, Nachteile abzubauen, es geht auch darum, Möglichkeiten zu eröffnen und Potenziale zu heben. Bislang müssen wir leider feststellen, dass das Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen nach wie vor von Stereotypen geprägt ist.
Mädchen suchen immer noch aus einem relativ kleinen Spektrum aus, zum Beispiel Verkäuferin, Kauffrau im Einzelhandel, Bürokauffrau, medizinische Fachangestellte, zahnmedizinische Fachangestellte.
Gleiches gilt für Jungs, bei denen in der Hitliste Kfz-Mechatroniker weiterhin ganz vorne liegt vor Industriemechaniker, Kaufmann im Einzelhandel, Elektroniker oder Anlagenmechaniker.
Das bedeutet, mehr als die Hälfte der jungen Frauen tritt eine Ausbildung in einem Spektrum von nur zehn Berufen an. Das ist aus meiner Sicht zu wenig. Die Jungs sind da ein bisschen breiter aufgestellt. „Nur“ ein Drittel ergreift einen Beruf aus den Top Ten.
Nichtsdestotrotz gibt es so viele Berufe, aus denen man auswählen kann. Ich glaube, wir alle miteinander hoffen, dass wir es über die Maßnahmen wie beispielsweise den Boy’sDay, aber auch den Girl’sDay erreichen können, dass Mädchen und Jungs ihr Berufswahlspektrum erweitern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rollenzuschreibungen und Rollenerwartungen bestimmen auch weiterhin das Berufswahlverhalten von Jungen und Mädchen. Klassischerweise gehen Jungen – ich habe es gerade erwähnt – in den gewerblich-technischen Bereich, während Mädchen in den Dienstleistungsbereich gehen.
Herr Kern, ich stimme Ihnen völlig zu, dass gerade die pflegerischen und die sozialen Berufe aufgewertet werden müssen, aber – das möchte ich nur noch einmal unterstreichen; das ist gar kein Gegensatz oder Widerspruch zu Ihnen – nicht nur, um diese Berufsfelder auch attraktiver für Männer zu machen, sondern auch einfach deshalb, weil es diese Berufsfelder verdienen und weil es auch die Frauen, die in diesen Berufsfeldern arbeiten, verdienen, anständig bezahlt zu werden.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Denn für Mädchen bedeutet es, in diesen sogenannten Frauenberufsfeldern unterwegs zu sein, oftmals eine schlechte Bezahlung und mangelnde Aufstiegschancen, aber eben auch Jungen sollen hier neue Chancen und Möglichkeiten für sich entdecken. Deshalb gibt es neben dem Girl’sDay seit vier Jahren auch den Boy’sDay.
Und der Jungen-Zukunftstag wird sich genau mit diesen Berufsfeldern 2015 auseinandersetzen, nämlich mit „Zukunftsberuf Erzieher“, „Zukunftsberuf Pfleger“. Ich denke, das ist ein wichtiger Impuls, um dort den Jungen die Zugänge zu erklären und ihnen Vorbilder zu zeigen. Auf der Homepage vom Jungen-Zukunftstag gibt es sehr schöne Clicks mit Vorbildern, was Erzieher und Pfleger angeht.
Allerdings – das trifft für den Boy’sDay genauso zu wie für den Girl’sDay – darf das keine Eintagsfliege sein. Es geht nicht darum, einmal kurz irgendwo reinzuschnuppern, ein bisschen was anderes zu machen als normal in der Schule zu sitzen, sondern das muss in ein ganzheitliches Konzept zur geschlechtersensiblen Berufswahlorientierung eingebettet sein.
Unser gemeinsamer Antrag gibt dafür einige Ansätze vor. Es geht darum, in den Praxisphasen in der Berufswahlorientierung in sozialen und pflegerischen Berufen vermehrt um Jungen und junge Männer zu werben und diese Berufsfelder für sie attraktiver darzustellen. Es geht darum, dass der Boy’sDay ein guter Aufhänger ist, aber in den Unterricht eingebettet sein muss. Es muss auch darum gehen, im Unterricht Geschlechterstereotypen zu thematisieren und sie darüber auch ein Stück weit zu dekonstruieren.
Mit dem Projekt Genderkompetent.NRW unterstützt die Landesregierung ein Trägerkonsortium aus unterschiedlichen Organisationen wie FUMA Fachstelle Gender NRW, Handwerkerinnenhaus Köln e. V., FrauenForum e.V. und das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. mit dem Ziel, das nicht nur in der Schule zu thematisieren, sondern, was sehr richtig und wichtig ist, auch die Gendersensibilität und die Genderkompetenzen bei Beraterinnen und Beratern in den Arbeitsagenturen zu erhöhen, bei den Kammern und anderen im Prozess Beteiligten.
Wir sind uns doch wohl alle einig – das haben wir auch mit diesem Antrag zum Ausdruck gebracht –, dass geschlechtersensible Berufswahlorientierung und Begleitung von jungen Menschen Kompetenz und Qualität braucht. Ich freue mich sehr, dass wir so kurz vor Weihnachten in diesem Bereich eine so große Harmonie haben herstellen können, nachdem wir uns noch bei der letzten Sitzung über die Frage von Männern und Frauen ein bisschen gestritten haben. Heute ist uns das aber, glaube ich, sehr gut gelungen. – Vielen Dank und frohe Feiertage!
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Mehr zum Thema

Jugend