Innenministerium bestätigt Zuständigkeit der Räte für Freihandelsabkommen

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
Am 7. November hat eine Mitteilung des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen über die Zuständigkeit der Räte bezüglich der Freihandelsabkommen (v. a. TTIP und CETA) für Unruhe und Irritationen gesorgt, wonach sich der Rat „weder mit entsprechenden Anträgen von Fraktionen zur Tagesordnung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 GO noch mit diesbezüglichen Anregungen gemäß § 24 GO inhaltlich befassen kann“. Diese rigide Bewertung über die Beschlusskompetenz der Räte zu diesem wichtigen Thema mit eindeutigen kommunalen Auswirkungen war für uns Grüne nicht nachvollziehbar.
Daher haben sich Reiner Priggen und Stefan Engstfeld mit einem Schreiben an Minister Ralf Jäger gewandt und um Klärung der Sachlage gebeten. Am 11. Dezember hat das Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) als höchste Kommunalaufsicht mit einem Erlass für Klarheit gesorgt, der sich unserer Auffassung anschließt. Kommunalvertretungen können sich auch mit Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA befassen und Beschlüsse herbeiführen. Wichtig ist, dass dabei klar der spezifische Bezug zur örtlichen Situation hergestellt wird, indem die Betroffenheit und die Folgen für die jeweilige Kommune – etwa im Bereich der Daseinsvorsorge – behandelt werden.
Auf Bundesebene haben die drei kommunalen Spitzenverbände und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) eine sehr kritische Haltung gegenüber den derzeit in Verhandlung befindlichen Handelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) sowie zwischen Kanada und der EU (CETA) eingenommen. Ausweislich des gemeinsamen Positionspapiers vom Oktober äußern sich die Spitzenverbände sehr besorgt über die Gefahren, die durch die Abkommen auf die kommunale Daseinsvorsorge zukommen können. Die Kommunen sind also nach Meinung ihrer Spitzenverbände auf Bundesebene sehr wohl durch die Freihandelsabkommen in ihrer Handlungsfreiheit betroffen. Es muss für sie daher möglich sein, sich sachlich und kritisch zu Abkommen und anderen Vorhaben auch auf europäischer Ebene zu äußern, von denen sie direkt oder indirekt betroffen sein können, zumal wenn Eingriffe in die gemeindliche Selbstverwaltung befürchtet werden müssen.
Das Kommunalministerium beruft sich in dem Erlass auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1990, bei dem es um die Erklärung eines Gemeindegebietes zur „Atomwaffenfreie Zone“ ging. Dort erklärt das Gericht, dass die Kommunen berechtigt sind, sich aus ihrer ortbezogenen Sicht auch mit Fragen zu befassen, für die andere Ebenen (Land, Bund, EU) zuständig sind. Damit sind Angelegenheiten gemeint, die im Sinne von Artikel 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder einen spezifischen Bezug zu dieser haben. Diese Ortsbezogenheit sieht auch das MIK als Voraussetzung an, wenn sich NRW-Kommunen mit allgemeinpolitischen Fragen befassen wollen. Eine Allzuständigkeit der Kommunalvertretungen in überörtlichen Fragen lehnt aber auch das Ministerium ab: „Stellungnahmen mit lediglich allgemeinpolitischen Inhalt sind (…) unzulässig“. Stellungnahmen, die einen „spezifischen örtlichen Bezug benennen“, liegen dagegen in der Beratungskompetenz der Räte und Kreistage. So haben das auch schon viele Räte und Kreistage in NRW gesehen. Sie haben auf der Grundlage der grünen Musterresolution oder der Presseerklärung der Kommunalen Spitzenverbände und des VKU ihre Position zu den Freihandelsabkommen beschlossen.
Der neue Erlass ging inzwischen bereits an die Ebenen der Kommunalaufsicht und an die Kommunalen Spitzenverbände, die sich nun in ihrer Beratungstätigkeit ebenfalls alle danach richten müssen – auch der Städte- und Gemeindebund.
Bei Rückfragen steht euch Rainer Lagemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Kommunalpolitik gerne zur Verfügung: rainer.lagemann@landtag.nrw.de , 0211/884-2561.
Bei inhaltlichen Rückfragen zu europapolitischen Themen hilft euch Michael Kersken, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Wissenschaft und Europa, gerne weiter: michael.kersken@landtag.nrw.de , 0211/884-2188.
Viele Grüße
Stefan Engstfeld          Mario Krüger

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