Krankenversorgung für Flüchtlinge und Asylsuchende

Kommunalinfo

Zugang zur medizinischen Regelversorgung schaffen und „Bremer Modell“ auch in den Kommunen in NRW umsetzen

Liebe Freundinnen und Freunde,
die Flüchtlingspolitik wird zwar in erster Linie durch die Bundesgesetzgebung bestimmt, für die Umsetzung sind aber hauptsächlich Politik und Verwaltung in den Kommunen verantwortlich.
Dass das nicht unbedingt bedeuten muss, dass wir bei allen Verbesserungen für Flüchtlinge auf Entscheidungen aus Berlin angewiesen sind, hat in dieser Woche die Stadt Münster bewiesen.
Am vergangenen Mittwoch hat der Rat der Stadt einem Antrag von GRÜNEN, SPD, Linken und Piraten zugestimmt, dem sich schließlich auch die CDU angeschlossen hat und der eine Versicherung von in Münster lebenden Geflüchteten über die gesetzliche Krankenversicherung vorsieht. Da sich hier demnach für die Kommunen, für Euch in den politischen Gremien und in der kommunalen Verwaltung, ein tatsächlicher Handlungsspielraum eröffnet, möchten wir Euch das Münsteraner Modell hier kurz vorstellen, sowie auch grundlegende Informationen zur Krankenversorgung von Geflüchteten mitgeben.

Die Gesundheiterversorgung von Flüchtlingen im System des Asylbewerberleistungsgesetzes

Die Gesundheitsversorgung von nach Deutschland Geflüchteten ist im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), einem Bundesgesetz, das gerade geändert wurde, geregelt. Dort geben die §§ 4 und 6 die den AsylbLG-Leistungsberechtigten zustehenden Gesundheitsleistungen vor. Die Behandlung wird in diesen Paragrafen auf akute Erkrankungen und Schmerzzustände, Gesundheitsvorsorge für werdende Mütter und darüber hinaus auf sonstige zur Gesundheitsvorsorge „unerlässliche“ Leistungen beschränkt. Außerdem stehen sie unter dem Genehmigungsvorbehalt der zuständigen Behörde, in der Regel des Sozialamtes.
In der Praxis bedeutet dies, dass viel vom guten Willen der Verwaltung abhängt. Während manche Kommune den Geflüchteten jeweils pro Quartal einen Blanko-Behandlungsschein zukommen lässt, müssen in anderen Kommunen Asylsuchende auch bei offensichtlichen gesundheitlichen Beschwerden bangen, ob sie die Genehmigung zum Arztbesuch erhalten. Probleme gibt es häufiger auch bei der Genehmigung von Sehhilfen und anderem Sanitätsbedarf und bei zahnärztlichen Behandlungen (Zahnersatz).    
Wir GRÜNE setzen uns schon lange dafür ein, dass alle Asylsuchenden in die gesetzliche Krankenkasse aufgenommen werden, eine Chip-Karte erhalten und so wie jeder andere in Deutschland mit gesundheitlichen Problemen eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen kann, wenn er oder sie es für nötig hält. Das würde nicht nur das selbstbestimmte Leben der Geflüchteten, sowie auch ihre Integration stärken, sondern auch den unnötigen und mit Kosten verbundenen Verwaltungsaufwand bei den Kommunen mindern. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass die Umstellung zu keinen Mehrkosten bei den Kommunen führt.
Auch wenn wir kürzlich Erfolge auf Bundesebene verbuchen konnten, so dass die Gesundheitsvorsorge für Geflüchtete jetzt zwischen Bund und Ländern verhandelt wird, haben wir noch keine bundes- oder landesweite Regelung erreichen können. Aber wie uns Münster zeigt, ist es in manchen Fällen auch gar nicht nötig auf die Entscheidung aus Berlin zu warten.

Einführung des „Bremer Modells“ in Münster

In Münster hat eine große Mehrheit des Rates die Verwaltung beauftragt, die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen nach dem Bremer Modell zu gestalten.
Im Stadtstaat Bremen konnte bereits vor Jahren ein Vertrag mit der AOK Bremen/Bremerhaven geschlossen werden, der dafür sorgt, dass Geflüchtete eine Chip-Karte erhalten mit der sie ärztliche Behandlungen in Anspruch nehmen können so wie sie es für notwendig halten. In Bremen wurde dabei nicht nur die Selbstbestimmung der Geflüchteten gestärkt, sondern es wurde auch der nach §§ 4 und 6 AsylbLG eingeschränkte Leistungskatalog erweitert auf nahezu alle ärztlichen Behandlungen. Lediglich Zahnersatz und psychotherapeutische Behandlungen stehen noch unter einem Prüf- und Genehmigungsvorbehalt. Die AOK rechnet die erbrachten Leistungen mit der Kommune ab und erhält noch eine Verwaltungspauschale pro Geflüchteten.
Nun ist es auf Initiative der GRÜNEN gelungen, dieses Modell auch in Münster auf den Weg zu bringen. Der Ratsbeschluss wurde getroffen, die Verwaltung ist vorbereitet und beginnt zeitnah die Verhandlungen mit den Krankenkassen. Neben der Gesundheitskarte beinhaltet das Münsteraner Modell auch ein umfassendes Konzept zur Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen. Dabei wird auch die Psychosoziale Flüchtlingshilfe Münster in Trägerschaft der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V. und der Arbeiterwohlfahrt gefördert, die für die Betroffenen eine Anlauf-, Vermittlungs- und Koordinierungsstelle mit einem niedrigschwelligen Zugang zu einer Psychotherapie bietet. Darüber hinaus hat der Rat sich in einer Resolution für weitere Verbesserungen der Gesundheitsversorgung von Geflüchteten ausgesprochen und diesbezüglich konkrete Forderungen an den Bund formuliert.
Wir sind der festen Überzeugung, dass die Aufnahme der Asylsuchenden in die gesetzliche Krankenversicherung gut für die Menschen und gut für die Kommune ist. Dabei beschränken sich die Vorteile durchaus nicht nur auf Ballungsgebiete, sondern kommen auch im ländlichen Raum – wo für die Geflüchteten die Wege zum Sozialamt, wie die Wege zum Arzt schon eine Belastung darstellen – zum Tragen. Wenngleich das Bremer Modell eine Möglichkeit bietet, hier ohne bundespolitische Vorgaben aktiv zu werden, halten wir unsere Forderung an den Bund aufrecht, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die den Übergang von Asylsuchenden in die gesetzliche Krankenversicherung erleichtern und nicht vom guten Willen und Geschick der Kommunen abhängig lassen.
Wir möchten Euch daher mit dieser Kommunalinfo ermutigen, auch in Eurer Kommune die Frage der Gesundheitsversorgung der Asylsuchenden auf die politische Agenda zu nehmen.
Zu diesem Zweck findet ihr den Ratsantrag sowie die Resolution aus Münster, sowie auch eine Übersicht zur Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz anbei. Gerne könnt Ihr Euch bei Fragen an uns wenden.
In diesem Sinne mit den besten Wünschen für gutes Gelingen
Monika Düker              Arif Ünal